Herr über Leben und Tod bist du. Olaf Müller

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Название Herr über Leben und Tod bist du
Автор произведения Olaf Müller
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269183



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werden wir das Camp in Hambach aufsuchen? Der Gerichtsbeschluss ist eindeutig. Camp ist nichts rechtskonform.«

      »Lieber Kollege, rufen Sie mal in der Staatskanzlei an. Die wissen mehr. Nächste Frage.« Die Polizisten lächelten resigniert. Seit Jahren Rechtsbrüche, verletzte Beamte, zunehmende Gewalt, reisende Täter. Und sie durften im Camp nicht einmal Personenfeststellungen durchführen.

      Rüschendonk bat um Ruhe. »Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen heute Mittag und heute Nacht mit der Einsatzhundertschaft die Bundespolizei am Hauptbahnhof. Fußballfans von Red Bull Salzburg reisen bis Hauptbahnhof und von Aachen aus mit Bussen weiter nach Genk, Belgien. Spiel um 21 Uhr. Im Anschluss voraussichtlich Rückkehr und Sonderzug von Aachen nach Salzburg in der Nacht. Fragen?« Rüschendonk blickte in die Runde.

      Schmelzer schlich durch die Tür, suchte Fett, sah ihn leicht dösend und schlich zwischen den Kollegen zu seinem Chef.

      »Ein Toter in Bergstein auf dem Krawutschketurm. Soll übel aussehen«, flüsterte Schmelzer ihm ins Ohr.

      »Keine besseren Botschaften? Rüschendonk reicht mir schon«, maulte Fett.

      »Der Tote trägt keine Schuld. Wir müssen hin. Kriminaltechnik ist bereits vor Ort. Der Medizinmann hat den Tod bestätigt.«

      Rüschendonk beendete seinen Lagevortrag und entließ die Führungskräfte in einen kalten und grauen Montag, so grau wie der Himmel über dem Krawutschketurm.

      Ein Schuss und sieben Stiche

      Kurz vor 10 Uhr trafen Fett und Schmelzer an der Kirche in Bergstein ein. Sie fuhren zum Parkplatz, von dem man auf den Stausee von Obermaubach schaute. Der dunkelrote VW-Bully der Kriminaltechnik parkte kurz hinter der Schranke am Aufgang zum Burgberg. Ein Streifenwagen stand am Seitenrand. Fett zog die schwarze Dockermütze über die Ohren, Schmelzer war eingemummelt in seine Funktionsjacke.

      »Was wissen wir, Schmelzer?«

      Schmelzer schaute auf sein Handy und las die Nachricht der KTU: »Alter Mann auf der obersten Plattform des Krawutschketurms. Kopfschuss und Messerstiche. Eugen Kaltenbach, 75, alleinstehend, aus Bergstein. Besaß einen Bauernhof. Hatte alles verpachtet. Frau vor zehn Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Vermutlich in der Früh umgebracht worden. Keine Kinder. Gefunden von einem Rentner aus Bergstein, der morgens hier seine Runde drehte.«

      »Senile Bettflucht. Die können morgens nicht bis 8 Uhr abwarten.«

      »Der Rentner hat einen Hund. Da muss man morgens raus. Der Hund hat den Toten gefunden.«

      »Ja, oder vor der Alten flüchten.«

      »Kommt drauf an.«

      »Worauf?«

      »Auf die Alte und den Hund. Übrigens hat er eine Fahne.«

      »Wer, der Hund? Trinken die jetzt auch?«

      »Nicht der Hund, der Hundebesitzer, dieser, na, dieser Norbert Jörres.«

      »Frühtrinker. Hatte bestimmt Stress mit seiner Frau. Oder Witwer?«

      »Nein, kein Witwer. Nur kalt.«

      »Kalter Witwer?«

      »Er hat wegen der Kälte getrunken, Chef.«

      »Stimmt. Ich auch. Allerdings Kaffee.«

      »Wo müssen wir lang, Herr Fett?«

      »Hier, den kurzen und steilen Weg. Kenne ich.«

      »Woher?«

      »Damals. Segelflug in Bergstein. Manchmal sind wir hier gewesen. Wenn das Wetter nicht passte oder um die Aussicht zu genießen oder nahe am Himmel zu sein.«

      Sie stapften den mittleren Weg hinauf, der steil in Richtung Krawutschketurm führte. Das gefallene Laub roch vermodert. Überall Einbuchtungen im Boden, abgebrochene Äste. Sie passierten das Kreuz für einen gefallenen US-Soldaten. Aus den Augenwinkeln sah Fett, dass eine Kerze brannte. Schmelzer rutschte auf seinen Sommerschuhen ständig aus. »Anne hat mir die falschen Schuhe rausgestellt. Irgendwelche handgenähten Ökoschuhe aus Afrika. So ein Käse.«

      »Bestimmt sie auch Ihre Schuhe? Ich dachte, nur das Essen«, grinste Fett.

      »Das auch. Wahrscheinlich muss ich bald barfuß latschen, zur Abhärtung oder weil irgendein Jogi das so macht.« Schmelzer keuchte. Leberkäs- und Streuselbrötchen machten sich konditionell bemerkbar. Endlich erreichten sie die Höhe und begrüßten die Kollegen aus Kreuzau.

      »Kennen wir uns nicht von dem Fall in Obermaubach?«, fragte Fett.

      Holz antwortete kurz und bündig: »Moin, ne, das waren andere Kollegen. Mein Name ist Holz, und drüben steht Kollegin Dillinger bei Herrn Jörres. Der hat die Leiche gefunden. Das heißt, sein Hund Rocky, der Dobermann. Außerdem hat der ordentlich geschluckt am frühen Morgen.«

      »Der Hund?«

      »Das fehlte noch, nein, der Jörres. Glaube nicht, dass er der Täter war.«

      »Fürs Glauben ist der liebe Gott zuständig. Vielleicht weiß der Hund mehr. Fett und Schmelzer aus Aachen«, sagte Fett mit Blick auf den Kollegen aus Kreuzau.

      »Sie, mit dem Drops auf dem Kopf, sind Kommissar Fett?«

      »Drops auf dem Kopf? Das ist eine Dockermütze von New Yorker Hafenarbeitern.«

      »Passt zum Rursee. Ahoi, die Herren. Wir stehen hier, um die Massen fernzuhalten, die gleich den Krawutschketurm stürmen werden.«

      Hatte Rocky auf das Stichwort gewartet? Er bellte los, als ob 1000 Hasen über den Burgberg flitzen würden.

      »Aus, Rocky! Aus!«

      Jörres verschaffte den Ermittlern eine kurze Rocky-Pause. Fett schaute hoch zum Turm. Er erspähte die in weiße Overalls gekleideten Kollegen von der Kriminaltechnik.

      »Schmelzer, versuchen Sie es mit dem betrunkenen Dobermannbesitzer. Ich klettere auf den Turm. Es wird eng da oben. Sie können nach mir hoch. Oder auch nicht.«

      Fett passierte die Markierung der Blutlache am Fuß der Treppe und stieg die Metallstufen empor. Weitere Fahnen kennzeichneten vereinzelte Tropfen. Er blieb auf der letzten Stufe stehen und schaute auf den Toten.

      »Moin, Herr Fett. Schöne Aussicht hier oben. Nur nicht für den da. Kopfschuss von vorne in die Stirn über der Nasenwurzel. Hinten ausgetreten. War sofort tot. Die sieben Messerstiche in die Brust brauchte es nicht mehr.« Kollegin Elke Unsleber leitete an diesem Tag die Kriminaltechnik. Ihre Aussagen waren belastbar. Ihr trockener Humor ansteckend. Sie engagierte sich im Umweltschutz, kam mit dem Rad zum Polizeipräsidium. Ohne Akku natürlich. Kurze braune Haare, trainierter Körper, grüne Augen, fester Gang, selbstbewusst. Fett musste sich konzentrieren.

      »Todeszeitpunkt?«

      »In der Früh. Heute Morgen.«

      »Hell oder dunkel?«

      »Der Schuss? Ich vermute vor Sonnenaufgang.«

      »Nähe?«

      »Nicht aufgesetzt. Keine Schmauchspuren und keine Kampfspuren. Nichts. Der muss von unten erwischt worden sein.«

      »Tödlicher Schuss aus der Umgebung. Danach steigt der Täter, wenn es nur einer war, auf den Turm und versetzt ihm etliche Stiche?«

      »Ja. Zuerst der Schuss, im Anschluss die Stiche. Sonst hätten wir nicht die Blutspritzer auf dem Geländer. Schuss, Täter klettert hoch, sieben Stiche, dreht ihn um, so sehen wir die Stiche nicht sofort. Und er ist nicht durch das Blut gelatscht wie der Frühtrinker da unten, denn der hat Blut an den Schuhen. Den können Sie vergessen. Der hat bestimmt 1,5 Promille.«

      »Diese Early Bird Säufer sind mir die liebsten«, schwärmte Fett. »Sie reden so poetisch. Kann ich mir den Toten ansehen?«

      »Noch eine Minute. Letzte Aufnahmen.«

      Kommissarin Unsleber zeigte auf verschiedene Punkte, und eine Kollegin