Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis. A. F. Morland

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Название Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis
Автор произведения A. F. Morland
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783956179754



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sagte Linda bitter.

      „Was wollten Sie von Greene?“

      „Er ist ein Miesling“, sagte Linda mit einiger Überwindung. „Er ist noch korrupter, als ich es war. Ich möchte versuchen, ihn auf meine Seite zu ziehen. Wenn ich nicht allein gegen Wingate aussage, habe ich mehr Mut. Dann fühle ich mich sicherer. Ich muss noch ein paar Leute finden, die bereit sind, sich gegen Archie zu stellen. So eine Art von Notgemeinschaft, wissen Sie. Herbie ist gefährdet, ich bin es auch. Er muss das einsehen! Wir haben nur die Chance, zu überleben, wenn es uns gelingt, Archie zu stoppen.“

      „Sehr vernünftig“, sagte Roberto.

      „Das ist die eine Seite“, meinte Linda. „Es gibt noch eine andere. Im Grunde meines Herzens erkenne ich, wie sinnlos das alles ist. Ich bin keine Einzelkämpferin. Meine Lage würde sich auch nicht verbessern, wenn ich Greene als Mitstreiter gewinne. Bis zum Prozess werden Monate vergehen. Selbst wenn man Wingate verknacken und bis ans Ende seiner Tage hinter Gitter stecken sollte, ist mein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Archie hat Beziehungen. Er ist rachsüchtig. Er würde es selbst aus dem Gefängnis heraus schaffen, mir eins überzubraten. Verdammt, er ist ein Mafiamann, und die kennen kein Pardon.“,

      „Er ist kein Mafiamann“, sagte Roberto. „Das ist mir inzwischen aufgegangen. Er hat es lediglich verstanden, von dem aufgeklebten Mafia-Image zu profitieren.“

      „Glauben Sie, es würde mir helfen, wenn ich mit Kemal spräche? Er hat inzwischen von der Polizei erfahren, weshalb ich das Hotelzimmer neben seiner Suite bezog, was ich in Wahrheit von ihm wollte und wer der Motor unserer Bekanntschaft war. Kemal wäre ein Dummkopf, wenn er mir verzeihen würde“, sagte Linda.

      „Lassen Sie es darauf ankommen. Legen Sie die Karten offen auf den Tisch, beschönigen Sie nichts und bitten Sie ihn um Verzeihung“, riet Roberto.

      „Das werde ich tun“, sagte Linda und entspannte sich. „Ich bin froh, dass ich Sie getroffen habe. Ich kann plötzlich freier atmen. Geben Sie gut auf sich acht, Mr. Briggs – oder wie immer Sie auch heißen mögen.“

      „Danke“, sagte Roberto und stieg aus.

      19

      Raymond Aldrich griff nach dem Hörer, als das Telefon klingelte. „Ja?“, fragte er. Seine Stimme klang müde. Das war schon der siebte Anruf an diesem Morgen. Keiner der vorangegangenen hatte die erwartete Aufforderung seiner Erpresser enthalten.

      „Ist alles bereit?“, fragte die Stimme eines Mannes, der seinen Namen nicht preisgab.

      „Ja“, erwiderte Raymond Aldrich knapp.

      „Verlassen Sie mit dem Geld das Haus. Wenden Sie sich nach links, biegen Sie in die erste Querstraße ein und steigen Sie in den gelben Lincoln mit dem schwarzen Vinyldach, der vor dem Haus 81 parkt. Verstanden?“

      „Verstanden“, sagte Aldrich.

      „Wiederholen Sie meine Worte.“ Aldrich gehorchte.

      „Ihnen ist klar, was passiert, falls Sie die Polizei oder andere Helfer eingeschaltet haben sollten?“

      „Ich mache mir darüber keine Illusionen.“

      „Sie versprechen, allein zu kommen?“

      „Ich verspreche es.“

      „Okay, setzen Sie sich mit den Bucks in Bewegung. In dem Lincoln liegt auf dem Beifahrersitz ein Funksprechgerät. Sie erhalten über das Gerät unsere exakten Kursanweisungen. Roger.“

      Es klickte in der Leitung.

      Raymond Aldrich legte den Hörer auf, griff nach dem schwarzen Koffer, der an der Tür stand, und verließ damit das Zimmer. Der Butler stand in der Halle. Er hatte einen Kopfverband. „Soll ich mitkommen, Sir?“, fragte er besorgt.

      Aldrich schüttelte den Kopf, stellte den Koffer ab und ließ sich von seinem Butler in den Mantel helfen.

      Dann hob er den Koffer wieder auf und stieg damit wenig später in den gelben Lincoln.

      Er legte den Koffer in den Fond, griff nach dem Funksprechgerät, einem handelsüblichen Walkie-Talkie, drückte die Sprechtaste und fragte: „Hören Sie mich?“

      Er schaltete auf Empfang. „Ja, Aldrich. Fahren Sie erst mal über den Skyway bis zum City College. Dort erhalten Sie weitere Anweisungen.“

      Die nächste Stunde verging damit, dass man Aldrich kreuz und quer durch die Stadt jagte. Es war offenkundig, dass die Leute, die ihn dirigierten, in seiner Nähe blieben, aber trotz seiner Blicke in den Rückspiegel gelang es ihm nicht, ein Verfolgerfahrzeug auszumachen. Aldrich befolgte geduldig jede Anweisung und merkte, wie er dabei schläfrig wurde, frei von Angst und Anspannung, als würde ihm mit der scheinbar sinnlosen, zeitfressenden Umherfahrerei eine Droge verabreicht.

      Schließlich landete er in Riverdale, Tracy Street. Der Sprecher lenkte ihn auf das Gelände einer stillgelegten Autoreparaturwerkstatt. Zwischen den lang gestreckten Wellblechschuppen rosteten Wrackteile und ausgeschlachtete Wagen vor sich hin.

      „Schuppen 2, das ist der in der Mitte“, informierte ihn der Sprecher. „Steigen Sie aus, nehmen Sie das Geld mit.“

      Aldrich kletterte ins Freie. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Hinter den Schuppen waren die Rückfassaden der Häuser zu sehen, die zur parallel verlaufenden Stewart Street gehörten. Schiefe Dächer mit windschiefen Fernsehantennen, ein paar wie angeklebt wirkende Balkone, und das übliche Strukturwerk rostiger Feuertreppen. Eine triste Gegend. Aus einer Fensterhöhle starrte ein alter Mann zu ihm hin.

      Aldrich schleppte den Koffer in den Schuppen. Unterwegs fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, das Sprechfunkgerät mitzunehmen. Er öffnete eine kleine Tür, die in das Schiebetor des hangarartigen Gebäudes eingelassen war. Zögernd schob er sich über die hohe Schwelle.

      Das Innere der ehemaligen Reparaturhalle bot ein Bild trister Unordnung. In dem Betonboden waren die Öffnungen zurückgeblieben, in denen einmal Hebebühnen und Werkbänke verankert gewesen waren. Entlang der Wand gähnten zwei Montagegruben. Der ölverschmierte Boden war mit Glassplittern übersät. Die Fenster und Oberlichter waren längst den Steinwurftechniken spielender Kinder und Jugendlicher zum Opfer gefallen. Zwischen den Splittern lagen leere Flaschen und Ölkanister, Blechdosen und Putzlappen herum. Im hinteren Teil der Halle befand sich ein großer Glaskasten, der einmal als Büro gedient hatte.

      Raymond Aldrich setzte den Koffer in der Mitte der Halle ab, blickte sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.

      Nachdem er vergeblich volle fünf Minuten in dieser Haltung verbracht hatte, hob er den Koffer auf, kehrte zurück zu dem Lincoln, griff sich das Sprechgerät und erkundigte sich, was los sei.

      Der Teilnehmer antwortete nicht.

      Aldrich schüttelte das Gerät und fragte sich, ob es defekt sei. „Hallo?“, rief er. „Antworten Sie!“

      Der Lautsprecher blieb stumm.

      Aldrich warf das Gerät zurück in den Wagen. Er hatte für das Ganze nur eine Erklärung. Der Sprecher war mit den anderen nach hier unterwegs, um den Koffer mit dem Geld übernehmen zu können. Aldrich trug den Samsonite-Koffer zurück in die Halle, setzte sich darauf und zündete sich eine Zigarette an.