Jenny Marx. Marlene Ambrosi

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Название Jenny Marx
Автор произведения Marlene Ambrosi
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783942429559



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diese in der „Kölnischen Zeitung“ am 23. Januar 1834 veröffentlichten Worte. Carl Albert Christoph Heinrich von Kamptz, als preußischer Justizminister auch mit der obersten Leitung der Justizangelegenheiten in der Rheinprovinz befasst, schaltete sich ein und forderte Strenge; denn dieser Herr, seit dem Wartburgfest 1817 und nach einer Auseinandersetzung mit „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn der „Liberalen-Fresser“ genannt, war mit der Justiz im Rheinland nicht uneingeschränkt zufrieden. Die Polizei und die Richter kamen nach seiner Ansicht ihrer Pflicht zwar überwiegend korrekt nach, aber man führe „die Bewachung und Untersuchung gegen die wegen politischer Umtriebe verdächtigen Personen mit größter Leichtigkeit durch. Vielen werde die Flucht ermöglicht.“ 3 Untersuchungsgefangene, so der Justizminister, hätten größte Freiheiten; in der Stadt Trier lasse man sie sogar in der Öffentlichkeit promenieren und Steckbriefe würden nur im Amtsblatt und nicht in den Zeitungen im benachbarten Ausland bekanntgemacht. Den Beschuldigten werde geglaubt, ohne den Wahrheitsgehalt zu ermitteln. Kurz: man verkenne, dass politische Verbrechen für Staat und Gesellschaft gleich gefährlich seien wie „private“ Verbrechen und infolgedessen genauso rigoros zu ahnden seien. Jedes Verfahren und jeder Richter werde in Zukunft überprüft, um zu verhindern, dass Richter zu nachsichtig mit politischen Angeklagten, Holzdieben und anderen Rechtsbrechern verfuhren, weil sie bei der Urteilssprechung die Gründe für die Vergehen berücksichtigten – und diese fand mancher Richter in Unterdrückung und Elend. Und in der Tat wurden zu milde Urteile vom Revisions- und Kassationshof in Berlin kassiert 4

      In der Familie Marx hatte man größte Angst um den Vater, befürchtete seine Inhaftierung. Karl und auch Jenny und Edgar waren fassungslos, wie schnell ein so seriöser, redlicher, braver Bürger, der sich doch letztendlich immer anpasste aus Angst vor Nachteilen für seine Familie, in den Verdacht kommen konnte, ein Staatsfeind zu sein. Der Vater hatte zum einen doch nur seiner aufgeklärten Haltung in wohlgesetzten Worten Ausdruck verliehen und zum anderen ein wenig gefeiert. Sollte dies ein Verbrechen sein? Oberbürgermeister Haw gelang es nur mit Mühe und vermutlich unter dem Hinweis auf zu hohen Alkoholkonsum und folglich eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit, die Angelegenheit gütlich zu klären. In der Familie Marx war man unendlich erleichtert, dass der Vater sich nicht vor einem Gericht rechtfertigen musste.

      Die eigene Erfahrung mit der bedrohlichen übermacht des Staates brachte das politische Weltbild von Jenny, Karl und Edgar endgültig ins Wanken und sie verurteilten einen Staat, der sein Volk so maßregelte. Wie konnten Eltern und Lehrer, auch wenn sie diesen Missmut teilten, die empörten jungen Menschen von unüberlegten Äußerungen oder Protesten abhalten? Ihre Erregtheit konnte man ihnen als altersbedingtes Phänomen nachsehen und hoffen, dass die jungen Männer durch den Militärdienst auf den rechten Weg gebracht werden würden und der etwas aus dem weiblichen Rahmen fallenden Jenny würde ein gestandener Ehemann die Grillen austreiben.