Название | Jenny Marx |
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Автор произведения | Marlene Ambrosi |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942429559 |
Der Herr Justizminister war nach dem Fest im Casino im Januar 1834 auch voller Empörung darüber, dass „die Stadt Trier … das erste Beispiel gegeben (hat), dass die durch Subskription zusammengebrachten Mittagsgesellschaften von Privatpersonen sich herausgenommen haben, Verhandlungen einer von des Königs Majestät und nur allerhöchst demselben verantwortlichen Versammlung, ja selbst die Grundsätze und Abstimmungen und das Benehmen einzelner Mitglieder in ebenso unkundiger als unbefugter Weise zu beleuchten und tadeln. Schon halten die große Mehrzahl von Landtagsdeputierten sich nicht für deutsche landständische Landtagsdeputierte, sondern für Repräsentanten des Volkes und werden von dem Publikum in diesem Wahn bestärkt, wenn sie, wie in England, in Tavernen über ihre Verdienste auf dem Landtag, über die Gefahren und Pläne, welche dem Landtag gedroht, und durch sie abgewandt wurden, Reden empfangen und halten und von Gästen die Bürgerkrone erhalten.“ 5 Ein derartiges Verhalten konnte nicht geduldet werden. Advokat Heinrich Marx wurde zwar nicht namentlich genannt, da er nur einer von mehreren Rednern vor 160 Versammelten war. Aber sein Mut, mit dem er offen seine bürgerlichen Ansichten kundtat, wurde registriert und sein Name auf die Liste der Verdächtigen gesetzt. Die Lage spitzte sich zwölf Tage später zu. „Er. Hochgeboren halte ich mich für verpflichtet von einem höchst bedauerlichen Vorfalle Anzeige zu machen, welcher sich am Abend des 25 d. Mts. bei Gelegenheit einer zur Feier des Stiftungstages des hiesigen literarischen Casinos, in dem Lokale desselben gegebenen Abendtafel kurz(er) maßen zutrug. Eine Anzahl Mitglieder des Casinos, unter denen namentlich die Herren … Marx, Justizrath, … waren, sammelten sich an dem entgegengesetzten Ende des Tisches und stimmten unter Musikbegleitung zuerst Lieder unschuldiger Natur, als „Denkst du daran“ und dergleichen mehr an. Hierauf begannen einige von ihnen das bekannte „Was ist des Deutschen Vaterland?“ zu singen, welches jedoch bei den ersten Versen durch Zischen unterbrochen wurde, wogegen die Marseillaise, welche nun folgte, eine desto günstigere Aufnahme fand. Dieser Gesang steigerte sich unter wilden Schlägen auf den Tischen bis zur Exaltation, und ganz besonders nahm das Toben bei denjenigen Stellen überhand, aus welchen der revolutionäre Geist entflammt“ 6, denunzierte Freiherr von der Horst neben anderen Bürgern auch Heinrich Marx beim Grafen zu Dohna, dem interimistischen Kommandeur der 16ten Division. Der Gipfel der Unverfrorenheit war, dass, so von der Horst, „die Marseillaise und die Parisienne … wohl mehrmals gesungen (wurden) und ein trikolorenes Tuch, den Gefallenen der Julirevolution gewidmet, geküsst worden sei.“ 7 Ein solch´ provokantes Verhalten musste Konsequenzen haben.
In der Familie Marx hatte man größte Angst um den Vater, befürchtete seine Inhaftierung. Karl und auch Jenny und Edgar waren fassungslos, wie schnell ein so seriöser, redlicher, braver Bürger, der sich doch letztendlich immer anpasste aus Angst vor Nachteilen für seine Familie, in den Verdacht kommen konnte, ein Staatsfeind zu sein. Der Vater hatte zum einen doch nur seiner aufgeklärten Haltung in wohlgesetzten Worten Ausdruck verliehen und zum anderen ein wenig gefeiert. Sollte dies ein Verbrechen sein? Oberbürgermeister Haw gelang es nur mit Mühe und vermutlich unter dem Hinweis auf zu hohen Alkoholkonsum und folglich eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit, die Angelegenheit gütlich zu klären. In der Familie Marx war man unendlich erleichtert, dass der Vater sich nicht vor einem Gericht rechtfertigen musste.
Ort der Verfehlungen war das Casino gewesen. Dort verkehrten die Oberschicht der Stadt und die hohen Militärs. Die „Casinogesellschaft“ wurde im Juli 1834 aufgelöst und einen Monat später durch Wyttenbach, Haw und Heinrich Marx wieder gegründet nach „Vereinigungsverhandlungen mit einer von Offizieren und Beamten gegen die Casinogesellschaft gegründeten Vereinigung, die sich ‚Erholung‘ nannte.“ 8 Man zeigte Preußentreue, um weiterhin existieren zu dürfen.
Die eigene Erfahrung mit der bedrohlichen übermacht des Staates brachte das politische Weltbild von Jenny, Karl und Edgar endgültig ins Wanken und sie verurteilten einen Staat, der sein Volk so maßregelte. Wie konnten Eltern und Lehrer, auch wenn sie diesen Missmut teilten, die empörten jungen Menschen von unüberlegten Äußerungen oder Protesten abhalten? Ihre Erregtheit konnte man ihnen als altersbedingtes Phänomen nachsehen und hoffen, dass die jungen Männer durch den Militärdienst auf den rechten Weg gebracht werden würden und der etwas aus dem weiblichen Rahmen fallenden Jenny würde ein gestandener Ehemann die Grillen austreiben.
Die Familie von Westphalen wurde von den Aufregungen in der Casinogesellschaft nicht unmittelbar tangiert, da Vater Ludwig bei der verhängnisvollen Sitzung wohl aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend war – im Nachhinein eine glückliche Fügung. Für die Behörden wäre es nämlich eine elegante Lösung gewesen, den Beamten aufgrund ungebührlichen Benehmens vom Dienst suspendieren zu können. Aus Sicht seiner Vorgesetzten wurde Westphalen den Anforderungen seines Amtes seit längerem nicht mehr gerecht. Der Regierungspräsident von Trier hatte der Staatsregierung in Berlin dessen Pensionierung mit der Begründung vorgeschlagen, „v. Westphalen habe bei großem Diensteifer und Fleiß wenig geleistet, weil eine ganz übertriebene Weitschweifigkeit ihn bei seiner Tätigkeit davon abgelenkt habe, worauf es eigentlich ankomme. Dem Vernehmen nach sei über ein übertriebenes Abhärtungssystem sein körperlicher Zustand sehr geschwächt. Seine zitternden Hände hinderten ihn beim Schreiben. Er habe jedoch einen sehr lebendigen Geist und sei diensteifrig wie in früheren Jahren. Andererseits habe v. Westphalen keine Ahnung von seiner Unbrauchbarkeit und werde sich daher durch das Ansinnen auf Pensionierung schwer verletzt fühlen.“ 9 Zwischenzeitlich besserte sich Westphalens Zustand und man sah von seiner Entlassung ab. Dieser unternahm, wie Sohn Ferdinand sich erinnerte, im Herbst 1834 „in Begleitung seiner beiden Töchter Franzisca und Jenny, und Carls eine mehrtägige Fußwanderung an der Mosel durch die herrlichsten Gegenden über Berncastel hinaus, begünstigt vom schönsten Wetter.“ 10 Wenig später plädierte Hausarzt Dr. Schleicher für Dienstuntauglichkeit aufgrund eines „heftigen Lungenkatarrhs“. Westphalen reichte seine Pensionierung ein und wurde noch im Dezember 1834 in den Ruhestand verabschiedet.
Ludwig von Westphalen hatte wider Erwarten nicht Karriere gemacht und erst „bei der Versetzung in den Ruhestand erhielt er den Ehrentitel eines Geheimen Regierungsrates.“ 11 Statt der ursprünglichen Vergütung von 1.800 Talern standen ihm nur noch 1.125