Название | Jenny Marx |
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Автор произведения | Marlene Ambrosi |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942429559 |
über die Autorin
Marlene Ambrosi studierte Germanistik und Geschichtswissenschaft an der Universität Konstanz und unterrichtete Deutsch und Geschichte an Gymnasien in Baden-Württemberg, Berlin und Rheinland-Pfalz. In Trier, der Heimatstadt von Jenny und Karl Marx, lebte sie von 1993 bis 2010; seitdem beschäftigt sie sich mit Jenny von Westphalen, der Ehefrau von Karl Marx.
Impressum:
© Verlag Michael Weyand GmbH, Trier
www.weyand.de, Tel. 0651/9960140
Gestaltung: Sabine König, Jennifer Neukirch
Fotos: Gabriela Böhm, Friedrich-Ebert-Stiftung, Verlag Michael Weyand, Wikipedia.de
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verlages.
1. Auflage 3/2015
ISBN: 978-3-942 429-55-9
Die Autorin und der Verlag bedanken sich für Anregungen, Hinweise und Lektorat bei Beatrix Bouvier, Hans-Joachim Kann, Peter Vollmer, Gabriele Belker.
DIE FRAU KOMMT NICHT IMMER NACH DEM MANN
Jenny von Westphalen ist ein wenig bekannter Name. Liest man jedoch die Inschrift „the beloved wife of Karl Marx“ auf ihrem Grabstein, wird der Name zum Begriff. Fast ein halbes Jahrhundert lang gingen die adlige Dame von Westphalen und der bürgerliche Intellektuelle Marx gemeinsam durchs Leben. Auch auf dieses Paar trifft die Volksweisheit zu: „Hinter jedem großen Mann steht eine große Frau!“ Jenny Marx stand im Sinne dieser Worte hinter ihrem Mann, ein Leben lang. Sieben Jahre waren sie verlobt, 38 Jahre verheiratet, und rechnet man die Jahre der Kindheit und der Jugend hinzu, dann haben sich die beiden mehr als sechzig Jahre gekannt. Auf Jennys substantielle Bedeutung für Marx wies Friedrich Engels’´ Ausruf nach ihrem Tode hin: „Jetzt ist der Mohr auch gestorben!“ Der Mohr, wie Karl Marx in Familie und im Freundeskreis genannt wurde, benötigte sein Leben lang ihre Liebe, ihre Unterstützung für seine große Aufgabe und ihren Glauben an sein Genie. Ohne die Aufopferung seiner Frau wäre sein Leben anders verlaufen; vielleicht hätte er als schrulliger Professor oder als verkrachte Existenz sein Dasein gefristet, sich als Clochard unter den Brücken von Paris dem Alkohol ergeben oder seine Bestimmung in London als sonntäglicher Redner im Hyde-Park gefunden. Nur weil er sich Jennys unerschütterlicher Liebe sicher war, konnte er die Energie aufbringen, seine – und auch ihre – Ziele zu verfolgen.
In der DDR, der Sowjetunion und den anderen kommunistischen Staaten wurde das Andenken an Frau Jenny Marx als treue Gefährtin des großen Vordenkers gewürdigt. Informationen und Tatsachen aus dem Leben des Ehepaares allerdings, die dem marxistischen Wunschbild widersprachen, waren nicht genehm. Das Bild des großen Karl Marx und seiner Familie durfte nicht beschmutzt werden, der übervater sollte unbefleckt und seine Familie „heilig“ gehalten werden. Man wollte Marx nicht vom Sockel der Verehrung stürzen müssen, indem man über sein nicht immer untadeliges Privatleben berichtete. Seriöse Autoren verzichteten lieber darauf zu publizieren, als dass sie verschwiegen oder wider besseres Wissen vertuschten. Hinzu kam, dass in der Realität Gleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht wie in der Theorie gepriesen umgesetzt wurden. Die Frau an der Seite dieses Mannes fand als eigenständiges Wesen nur wenig Beachtung. Es gab zwar in der ehemaligen DDR Straßen und Einrichtungen, die den Namen „Jenny Marx“ trugen, aber dies war eher eine Reminiszenz an die verehrte Ehefrau des „Vaters des Kommunismus“, nicht an die Frau an sich.
Die vorgeblich „ideologiefreie“ Geschichtsschreibung in der Bundesrepublik Deutschland schenkte Frau Marx lange Zeit wenig Aufmerksamkeit. Sie wurde fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem großen „Klassenfeind“ oder dem großen „Linken“ beurteilt, wiederum nur als Anhängsel von Karl Marx. Damit wird man dieser Frau nicht gerecht. Ihr Schicksal verdient eine eigenständige und differenzierte Betrachtung, denn: Jenny von Westphalen/Marx führte sowohl ein revolutionäres als auch ein höchst traditionell-bürgerliches Leben im 19. Jahrhundert.
TEIL I – KINDHEIT UND JUGEND
Die Familie von Westphalen
Die Familie von Westphalen war kein bedeutendes Adelsgeschlecht; niemand ahnte, dass ihr Name ausgerechnet durch eine geborene Frau von Westphalen weltberühmt werden würde. Diese Frau, Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen, kam, wie dem Taufregister der Marienkirche in Salzwedel zu entnehmen ist, am 12. Februar 1814, einem Freitag, zur Welt. Drei Tage später wurde sie im elterlichen Haus protestantisch getauft. Durch ihre Zugehörigkeit zum Adel, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts Gesellschaft und Staat dominierte, war sie privilegiert, auch wenn die Familie von Westphalen nicht reich war und auf der untersten Stufe in der Hierarchie des Adels stand.
Jennys Großvater, Christian Philipp Westphal, war aufgrund seiner Verdienste als Sekretär und Berater des Herzogs von Braunschweig im Mai 1764 von Kaiser Franz I. in den Reichsritterstand erhoben worden. Der „Edle von Westphalen“ heiratete Jane (Jean) Withart of Pittarow aus Edinburgh, deren Vorfahren der alten Adelsfamilie Chambpel/Argyll oder Argyle, so Jennys Schreibweise, angehörten. Die Aussteuer der schottischen Braut bestand aus kostbarem Tafelgeschirr, wertvollem Silberbesteck und Tischwäsche, verziert mit dem Monogramm der Herzöge von Argyll.
Das vierte Kind des Paares, Johann Ludwig, Jennys Vater, wurde 1770 in Bornum am Elm im Landkreis Helmstedt geboren. Er absolvierte in Braunschweig das Collegio Carolino und anschließend in Göttingen ein Jurastudium. 1794 kehrte er als Assessor in die Fürstliche Kammer nach Braunschweig zurück und heiratete vier Jahre später Elisabeth Luise Wilhelmine Albertine von Veltheim, genannt Lisette. Um sich ausschließlich seinem neu erworbenen Gut Rondeshagen zu widmen, quittierte er den Staatsdienst, ersuchte aber wenige Jahre später um Wiederaufnahme und wurde 1805 Kammerrat in Blankenburg. Zwei Jahre später trafen ihn zwei schwere Schicksalsschläge. Seine Frau starb im August 1807 mit erst 29 Jahren und ließ ihn mit Ferdinand Otto Wilhelm Henning (23.04.1799 – 02.07.1876), Anna Elisabeth (Lisette), später verheiratete Krosigk (05.10.1800 – 01.08.1863), Carl (22.07.1803 – 08.03.1840) und Franziska (07.05.1807 – 16.04.1896) zurück. Der zweite Schicksalsschlag war die Liquidierung des Fürstentums Braunschweig–Wolfenbüttel durch Napoleon I. Um seine Existenz zu sichern, ließ sich Westphalen 1808 im neu errichteten Königreich Westfalen von der französischen Besatzungsmacht zum Generalsekretär des Präfekten in Halberstadt und 1809 zum Unterpräfekten im Distrikt Salzwedel verpflichten. Hier hatte er in einem stattlichen Haus seinen Amts- und Wohnsitz. Seine Mutter führte ihm und den beiden Söhnen den Haushalt, während die Töchter von Verwandten seiner verstorbenen Frau aufgezogen wurden: Lisette von ihrer Patin Frau von Asseburg und Franziska von Luise von Röder. Nach dem Tode seiner Mutter im Juli 1811 heiratete Ludwig von Westphalen am 30. April 1812 die 31-jährige bürgerliche Amalie Julia Caroline Heubel aus Salzwedel, Tochter des Fürstlich-Schwarzburg-Rudolstädtischen Hof-Stallmeisters. Caroline versuchte dem 13-jährigen Ferdinand und dem 9-jährigen Carl eine gute Mutter zu sein. „Ich habe vier geliebte Kinder von der verstorbenen Frau meines Mannes; die Söhne waren von früher Jugend unter meiner Leitung, und daher meinem Herzen doppelt werth“ 1, versicherte sie 1837 ihrem Vetter Friedrich Perthes. Der junge Carl akzeptierte die zweite Frau an der Seite des Vaters, während der pubertierende Ferdinand seine Vorbehalte hatte.
Geburtshaus von Jenny von Westphalen in Salzwedel
Es waren unruhige Zeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts, auch in Salzwedel. Nach der Niederlage Napoleons in Russland 1812 soll Unterpräfekt Westphalen zusammen mit anderen Bewohnern Salzwedels eine Abteilung russischer Kosaken, Verbündete der Preußen und Österreicher, als Befreier begrüßt und dadurch seine patriotische Haltung ausgedrückt haben. Dafür sei er hart bestraft worden. Als das französische Militär die Stadt zurückeroberte, sei er verhaftet worden und für kurze Zeit in Festungshaft nach Gifhorn gekommen.2
Die Völkerschlacht bei Jena und Auerstädt im Oktober 1813 beendete die wechselnden Besatzungen