Seewölfe - Piraten der Weltmeere 330. Fred McMason

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 330
Автор произведения Fred McMason
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397273



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pirschten sich Leslie und Jamie auf dem von Gerümpel übersäten Gelände voran. Dabei schlugen sie einen weiten Bogen, um die Rückseite des Schuppens zu erreichen. Denn wenn das Kutschpferd rebellisch wurde, konnte das für sie gefährlich werden.

      Doch es gelang ihnen, unbemerkt bis zu der rissigen Bretterwand vorzudringen. Und dann hielten sie den Atem an. Denn sie konnten jedes Wort verstehen, das drinnen gesprochen wurde.

      Plymson schrie auf, als sie ihn in einen Haufen halbvermoderten, feuchten Sägemehls stießen. Aber er wagte nicht, sich wieder aufzurappeln, denn er fürchtete, daß die Galgenstricke sofort von neuem über ihn herfallen würden.

      „Reg dich nicht künstlich auf, Dicker“, sagte der Schwarzbärtige glucksend, „weicher konntest du gar nicht fallen. Merkst du nicht, wie gut wir dich behandeln?“

      „Zur Seite jetzt!“ befahl George Snyders herrisch.

      Seine drei Handlanger wichen bereitwillig an die Schuppenwand zur Rechten zurück.

      Snyders baute sich breitbeinig vor dem in den Sägespänen hockenden Schankwirt auf. Er spürte die Gedankenanstrengung in Plymsons Augen, die hinter aufgeschwemmten Wangenfalten ruhten. Möglich, daß der Dicke ihn schon einmal gesehen hatte – vielleicht, als sie die Ramsgate-Werft inspiziert hatten. Oder bei einem der kurzen Aufenthalte in der Stadt. Doch es war nicht von Belang. Plymson konnte ohnehin keinen Schaden mehr anrichten.

      George Snyders, Offizier für Sonderaufgaben an Bord der „Glorious“, schätzte sich in diesen Minuten Glücklich, daß sein Vorhaben soweit gelungen war. Plymson in seine Gewalt gebracht zu haben konnte eine Menge für ihn bedeuten, möglicherweise hing sogar seine ganze Zukunft davon ab.

      Nach dem Auslaufen des Flaggschiffs „Glorious“ und der drei anderen Schiffe hatte Snyders den Ersten Offizier händeringend bekniet, ihn sogleich wieder an Land zu setzen. Natürlich mußte das außerhalb von Plymouth geschehen, und zwar so, daß es keine Zeugen gab. Nach der Gefangennahme von Sir Andrew und Marquess Henry waren die Dinge sowieso völlig durcheinandergeraten. Und vielleicht war der Erste froh gewesen, Snyders mit seinem halsstarrigen Ansinnen loszuwerden.

      Nun, George Snyders hatte seine Chance zur Rehabilitation gefunden. Diese Chance hieß Nathaniel Plymson. Zwar war sich Snyders nach wie vor keiner Schuld bewußt, aber Sir Andrew hielt ihn für denjenigen, der dafür verantwortlich war, daß Ramsgate und Ribault aus der Gefangenschaft auf der „Glorious“ befreit werden konnten.

      Snyders war überzeugt, daß ihm der Bastard Killigrew einen üblen Streich gespielt hatte. Denn die zurückgebliebenen Spuren sahen so aus, als hätte er, Snyders, in seiner Kammer vergessen, das Schott zur Heckgalerie zu schließen, und dem Seewolf und seinen Männern dadurch ermöglicht, zu den Gefangenen vorzudringen.

      Snyders wußte, daß ihn keine Verantwortung dafür traf. Aber es gab nichts, womit er Sir Andrew das beweisen konnte. Blieb also nur der Versuch mit dem dicken Plymson.

      Zuträger aus Plymouth hatten Sir Andrew berichtet, daß Nathaniel Plymson nach der Besetzung der Ramsgate-Werft schnurstracks zur „Isabella“ geeilt war, um Killigrew brühwarm zu berichten, was sich dort draußen auf Rame Head ereignet hatte. Also war in erster Linie Plymson schuld daran, daß Ramsgate und Ribault in einer Blitzaktion befreit werden konnten. Snyders würde ihn dafür seinem Vorgesetzten, Sir Andrew, auf einem Silbertablett servieren. Ohne Zweifel würde das den Earl of Cumberland besänftigen. Natürlich mußte er erst einmal wieder auf freiem Fuß sein. Aber das hielt Snyders nur für eine Frage der Zeit.

      „Dein Name ist Nathaniel Plymson“, sagte Snyders schnarrend und von oben herab, „du bist der Inhaber der Schenke ‚Bloody Mary‘. Richtig?“ Er rümpfte die Nase, während er es aussprach.

      „Sie wissen es doch schon, Sir“, ächzte Plymson, „warum fragen Sie dann noch?“

      „Dieses Verhör muß seine Richtigkeit haben“, sagte Snyders verächtlich und kopfschüttelnd über so viel Unverstand. „Ich muß sicher sein, daß ich den richtigen Mann verhöre. Du gibst also zu, Plymson zu sein?“

      „Ja, Sir“, hauchte der Schankwirt erschrocken. „Ist das ein Verbrechen?“

      Snyders schickte einen Blick zur Decke und seufzte.

      „Hör gut zu, Freundchen“, sagte er warnend, „ich wünsche nicht, daß du noch länger mit Gegenfragen antwortest. Ist das klar?“

      „Jawohl, Sir.“

      „Gut. Dann zur nächsten Frage: Dir ist bekannt, daß die Ramsgate-Werft auf Rame Head von Sir Andrew Clifford, Earl of Cumberland, per Order Ihrer Majestät, Königin Elizabeths, besetzt wurde?“

      „Jawohl, Sir.“

      „Wodurch wurde dir das bekannt?“

      „Werftarbeiter haben es mir berichtet. Sie suchten mein gastliches Haus auf und waren total fertig.“

      Innerlich frohlockte Snyders. Plymson war ein Trottel, so bereitwillig alles zuzugeben, woraus Sir Andrew ihm garantiert einen Strick drehen würde.

      „Was haben die Arbeiter noch berichtet?“ fuhr Snyders fort.

      „Alles, was sich abgespielt hat, Sir.“

      „Auch, daß Ramsgate und dieser Franzose, Ribault, an Bord der ‚Glorious‘ gebracht wurden?“

      „Jawohl, Sir, auch das.“

      „Und dann bist du zur ‚Isabella‘ gerannt und hast alles Killigrew weitererzählt.“

      „Nicht alle Einzelheiten, Sir. Hauptsächlich handelte es sich darum, daß der Seewolf wegen Ramsgate und Ribault Bescheid wissen mußte.“

      „Das genügt“, sagte Snyders zufrieden. Er wandte sich ab und winkte den Schwarzbärtigen zu sich, während er bereits auf die Schuppentür zuging. „Ihr seid mir dafür verantwortlich, daß Plymson in sicherem Gewahrsam bleibt, bis ich wieder von mir hören lasse. Verstanden?“ Er drückte dem Galgenstrick ein Ledersäckchen in die Hand.

      Der Schwarzbärtige verbeugte sich tief.

      „Sie können sich auf uns verlassen, Sir, bei unserem Leben.“

      „Darauf würde es auch hinauslaufen, wenn ihr nicht pariert“, entgegnete Snyders mit hartem Grinsen. Dann verschwand er in der Dunkelheit.

      Der Hufschlag und das mahlende Geräusch der Kutschenräder waren schon bald nicht mehr zu hören.

      Der Schwarzbärtige spähte noch einmal prüfend ins Freie. Doch er sah und hörte nichts, was seinen Verdacht erweckt hätte.

      2.

      Der Morgen des 4. Juni Anno 1593 begann auf eine freundlichere Art und Weise. Endlich strahlte eine schon recht warme Frühsommersonne auf Plymouth nieder, und am blaßblauen Himmel zogen nur wenige weiße Wolken ihre träge Bahn.

      Bei der Werft auf Rame Head hatte bereits in der ersten Helligkeit ein beträchtlicher Lärm eingesetzt. Hesekiel Ramsgate und seine Männer schufteten vom frühen Morgen bis zum späten Abend und dann sogar bei Fackel- und Laternenschein. Sie hatten es sich zum Ziel gesetzt, die restlichen Arbeiten an Bord der beiden Neubauten in möglichst kurzer Zeit zu bewältigen. Denn eben die Zeit brannte ihnen unter den Nägeln.

      Wie der Seewolf wußten sie alle, daß ihnen jeder zusätzliche Tag, den sie in England blieben, weiteren Ärger einbringen konnte. Seit die „Crown“ durch das voreilige Handeln Thorfin Njals versenkt worden war, gab es darüber keinen Zweifel. Es galt, so bald wie möglich alle Brücken hinter sich abzubrechen, wollte man sich nicht immer größere Schwierigkeiten einhandeln.

      Auf den beiden Neubauten, die am Ausrüstungskai lagen, herrschte rege Betriebsamkeit. Knappe Kommandos wurden gebrüllt, Hammerschläge dröhnten, und Sägen kreischten in schnellem Rhythmus. Seit dem Stapellauf und der Taufe der „Le Vengeur III.“ und der „Tortuga“ gönnten sich Hesekiel Ramsgate und seine Leute kam noch Verschnaufpausen.