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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-484-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Gischtkämme krönten die grauen Wogen der Nordsee.

      Von Süden herauf orgelte der Wind, pfiff in den Luvwanten und ließ die drei zerrauften Zweimaster wie betrunkene Enten torkeln. Die Schiffe lagen beigedreht auf der Höhe von Kinnaird-Head im Nordosten von Schottland. Spanische Schiffe. Zu dem stolzen Geschwader des Don Antonio Hurtado de Mendoza hatten sie gehört. Genau genommen gehörten sie immer noch dazu – nur daß das Geschwader allenfalls noch in Don Antonios Phantasie existierte.

      An Bord der „Gaviota“ mühten sich fluchende, frierende und ausgehungerte Männer, eine Jolle abzufieren.

      Die Rudergasten von der „Viktoria“ legten sich bereits in die Riemen. Capitan Juan Lopes Spitzbart flatterte im Wind. Grimmig reckte er das Kinn und starrte dem Führerschiff der Dreiergruppe entgegen, als wolle er der „Candia“ mit den Blikken ein Loch in die Bordwand brennen.

      Deren Capitan trug allerdings keine Schuld an der Misere.

      Basil da Conta hieß er. Und wütend war er ebenfalls. Wütend, ratlos, entnervt – genau in der Stimmung, jemandem eigenhändig den Hals umzudrehen.

      Capitan Nummer drei ging es nicht anders.

      Alonso de Madre-Castillo war der letzte, der über die Jakobsleiter der „Candia“ aufenterte und seine lange, hagere Gestalt reckte. Mit einem Blick maßloser Erbitterung betrachtete er das, was einmal ein ganz passables, ordentliches Rigg gewesen war. Sein Gesicht verzog sich schmerzlich beim Geräusch der Pumpe, deren monotones Quietschen bewies, daß die „Candia“ Wasser nahm. Dafür hatte es der „Gaviota“ die Blinde wegrasiert. Und was der Zweimaster als Notbesegelung führte, sah so aus, daß man genausogut auch gleich Bettsäcke hätte setzen können.

      Capitan Alonso de Madre-Castillo sagte ein wenig vornehmes Wort.

      Aber er war auch kein besonders vornehmer Mann, obschon er altem Adel entstammte. Sehr altem, aber leider sehr verarmten Adel! Alonso de Madre-Castillo hatte früh erkannt, daß er sich für die vornehme Abstammung nichts kaufen konnte.

      Unvornehm, ruppig und raffgierig ging es wesentlich besser. Auf die feine Art kriegte man nicht so leicht ein Schiff wie die „Gaviota“. Alonso de Madre-Castillo war damit zufrieden gewesen, ein unfeiner, aber wohlhabender Sklavenhändler und Handelsfahrer zu sein, und er hatte nicht den geringsten Ehrgeiz gehabt, ein patriotischer Held zu werden.

      Was die vornehmen Herren, die seine „Gaviota“ genau wie die „Viktoria“ und die „Candia“ für den Kriegszug der Armada requirierten, leider überhaupt nicht interessierte.

      Die beiden anderen Kapitäne waren auch nicht gerade zu Helden geboren. Sie verpflichtete nicht einmal alter Adel, und auf welche Weise Engländer oder Holländer zu ihrem Herrgott beteten, interessierte sie schon gar nicht. Aber die spanische Krone war nun einmal anderer Meinung: also blieb den drei unvornehmen Herren nichts anderes übrig, als mit der Armada zu segeln und zu versuchen, das Schlamassel so gut wie möglich zu überstehen.

      Im Geschwader des Don Antonio Hurtado de Mendoza waren sie für Kurierund Depeschen-Dienste eingesetzt worden.

      Ehrenvolle Aufgaben! Mit allen Aussichten, zu Helden zu werden. Aber leider hatte von Anfang an die Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen, daß sie tote Helden wurden – und davon hatten sie jetzt endgültig die Nase voll.

      In der Kapitänskammer der „Candia“ fanden sie sich zusammen, um die Lage zu besprechen.

      „Die Order lautet, um die Orkney-Inseln herum westwärts in den Atlantik und dann südwärts an Irland vorbei nach Spanien zu segeln“, stellte der breite, ruppige Basil da Conta fest.

      „Ja“, sagte Juan Lope gallig. „Mit acht Unzen Zwieback, einem halben Liter Wasser und einem Viertelliter Wein pro Mann und Tag!“

      „Hirnrissig“, knurrte Alonso de Madre-Castillo.

      Sie waren unter sich. Also brauchten sie nicht so zu tun, als ob sie den sehr ehrenwerten Herzog Medina Sidonia für eine Leuchte der christlichen Seefahrt hielten – was der unglückliche Generalkapitän im übrigen auch nie von sich behauptet hatte.

      „Selbstmord!“ bekräftigte Juan Lope. „Ohne Wasser, Proviant und Ausrüstung sind wir im Eimer. Und im dreimal verdammten Rest dieser glorreichen Flotte geht es genauso. Die werden unterwegs jede Bohnenstange requirieren, um sie als Rah zu riggen, jeden Brotkanten, jedes verirrte Schaf …“

      „Das heißt, daß wir das Nachsehen haben, solange wir treu und brav hinter dem Flaggschiff hersegeln“, faßte Alonso de Madre-Castillo zusammen.

      „Eben“, sagte Basil da Conta.

      „Genau“, stimmte Juan Lope zu.

      Danach herrschte eine kurze Stille, während der sich die wenig ehrenwerten Herren überlegten, ob man es riskieren könne, sich seitwärts in die Büsche beziehungsweise westwärts in den Pentland Firth zu schlagen, der die Orkney-Inseln von der Nordspitze Schottlands trennt.

      Zehn Minuten später hatte man sich darauf geeinigt, die Sache nicht als Fahnenflucht, sondern als kleine Abkürzung zu betrachten.

      Alles Weitere würde sich finden. Hauptsache, man setzte sich erst mal von der zerschlagenen Flotte ab. Dann brauchte man nämlich die Beute nicht zu teilen, die da kommen würde, und die Gefahr, zu toten Helden zu werden, verringerte sich auch auf ein erträgliches Maß.

      Alonso de Madre-Castillo und Juan Lope betrachteten die Lage wieder etwas optimistischer, als sie sich zu ihren Schiffen zurückpullen ließen.

      Eine Viertelstunde später setzten die drei Zweimaster die Fetzen, die ihnen als Besegelung geblieben waren, und gingen auf Nord-Nordwest-Kurs, um den Pentland Firth zu erreichen.

      „Schiff ho! Backbord voraus!“ Bills Stimme schmetterte wie ein Trompentensignal über die Decks der „Isabella VIII.“ Der Moses hatte Wache im Großmars und beobachtete aufmerksam die Kimm.

      Querab Steuerbord lag Jean Ribaults „Le Vengeur“ vor dem Wind. Ringsum dehnte sich grau die Nordsee, aufgepeitscht und wild, als warte sie nur darauf, sich mit dem nächsten Sturm von neuem in ein brüllendes Untier zu verwandeln und die Menschen auf ihren lächerlichen Schifflein das Fürchten zu lehren.

      Die Seewölfe waren es gewohnt, den tobenden Elementen die Zähne zu zeigen.