Название | Seewölfe - Piraten der Weltmeere 399 |
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Автор произведения | Burt Frederick |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954398072 |
„Nicht besonders gut, Señor Capitán“, antwortete Rodrigo, einer der Schiffszimmerleute. „Wir werden nicht drum herumkommen, ein paar neue Heckplanken einzuziehen. Bei Nacht ist das, mit Verlaub, unmöglich.“
„Danke“, sagte Cubera knapp, „Einsatz beenden, Señor Rodrigo.“
„Jawohl, Señor Capitán!“
Cubera wandte sich seinen Offizieren zu. Im Schein der Hecklaterne schimmerte sein graues Haar wie Silber. Die harten Furchen in seinem Gesicht verrieten, daß er über die Lage mehr als besorgt war. Cubera war ein Mann, der sich an den Realitäten orientierte. Mutmaßungen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen hatten für ihn nur dann einen Sinn, wenn sie Bestandteil taktischer Überlegungen waren.
Und die Realität sah in diesem Fall so aus, daß sich die Dinge für den Kampfverband des Gouverneurs möglicherweise über Nacht zum Schlechten gewendet hatten. Über Nacht – im wahrsten Sinne des Wortes.
„Ich brauche Ihnen die Lage nicht noch einmal vor Augen zu halten, Señores“, sagte der Capitán. „Ich denke, wir wissen alle, woran wir sind. Alle Ausguckposten müssen besetzt bleiben. Die geringste Nachlässigkeit muß scharf bestraft werden.“
Die Offiziere nickten zustimmend. Erstens mußte man damit rechnen, daß der unbekannte Gegner noch einmal angriff. Zweitens war das Risiko für den Verband beträchtlich. Mit zwei Schiffen, deren Ruderanlagen beschädigt waren, blieb jedoch keine andere Wahl: Der Verband mußte weiter vor Treibanker liegen. Damit jedoch bot man sich einem etwaigen Gegner wie auf einem Präsentierteller an.
Der Erste Offizier der „San José“ räusperte sich.
„Was die Ausgucks betrifft, Señor Capitán“, sagte er gedehnt, „so bin ich der Meinung, daß die Kommandanten ihr besonderes Augenmerk auf einen bedauerlichen Umstand richten sollten. Diesen Umstand nämlich hat der unbekannte Gegner gleich zweimal ausgenutzt, was beweist, daß er sein Geschäft verteufelt gut versteht. Deshalb …“
„Zur Sache“, drängte Cubera. Der Erste hatte bisweilen einen Hang zur Langatmigkeit. Doch alles in allem war er ein absolut zuverlässiger Offizier, für seinen Rang an Bord der „San José“ in jeder Beziehung kompetent.
„Sehr wohl, Señor Capitán“, sagte der Erste steif. „Was ich bemerken möchte, ist: Die Ausgucks halten es leider kaum für nötig, ihre Aufmerksamkeit nach achteraus zu richten. Was dabei herauskommen kann, haben wir im Fall der beiden Angriffe soeben erlebt.“
Der Zweite Offizier meldete sich zu Wort, als er sah, daß Cubera offenbar noch nicht darauf eingehen wollte, sondern sich lediglich nachdenklich das Kinn mit dem Zeigefinger der linken Hand rieb.
„Naturgemäß verläßt sich jeder Ausguck auf seinen Hintermann, was nicht ganz unberechtigt ist. Ich meine, man sollte keinen Vorwurf daraus konstruieren.“
„Das ist auch nicht meine Absicht“, entgegnete der Erste. „Ich versuche nur, eine Erklärung dafür zu finden, daß dieser seltsame Angreifer in beiden Fällen unbemerkt auftauchen und auch wieder verschwinden konnte. Im Fall der ‚Gaviota‘ hatte der Ausguck nämlich keinen Hintermann, auf den er sich verlassen konnte.“
„Während für die ‚San José‘ das Gegenteil zutrifft“, ereiferte sich der Zweite. Er deutete auf die zweite Galeone, die sich hinter ihnen unter ihrem Laternenschein lediglich als Schattenriß abzeichnete. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Ausguck da drüben an Bord geschlafen hat.“
Capitán Cubera hob abwehrend die Handflächen.
„Señores“, sagte er beschwichtigend, „halten wir uns nicht länger mit ungefangenen Fischen auf. Alles Wenn und Aber ändert nichts daran, daß wir es mit einem raffinierten Gegner zu tun haben, der seine Vorteile zu nutzen weiß. Und der wichtigste Vorteil liegt nun einmal in der Dunkelheit. Wenn Sie die Sichtweite in Ihre Überlegungen einbeziehen, können Sie den Ausgucks nichts vorwerfen.“
„Und wie wollen wir uns dann gegen einen neuen Angriff schützen?“ erwiderte der Erste Offizier.
Cubera straffte sich.
„Ihre Diskussion, Señores, hat mir zumindest darüber Klarheit verschafft. Die Ausgucks allein reichen zur Sicherheit des Verbandes nicht aus. Folglich lassen wir von jedem Schiff eine Jolle aussetzen, die mit bewaffneten Seesoldaten bemannt wird. Aufgabe dieser Jollen ist, rings um den Verband Aufklärung zu fahren und uns gegebenenfalls abzuschirmen.“
Die beiden Offiziere wechselten einen Blick. Was ihr Capitán angeordnet hatte, klang so logisch und selbstverständlich, daß sie sich wie Einfaltspinsel fühlen mußten, zumal sie nicht selbst zu dieser Erkenntnis gelangt waren. Andererseits wußten sie jedoch, daß Cubera von ihnen niemals verlangte, seine Gedankengänge in jeder nur möglichen Situation nachzuvollziehen. Was seine Erfahrung als Seeoffizier betraf, war er ihnen um Jahre voraus, Jahre, in denen er an Seegefechten teilgenommen hatte, die schon jetzt fester Bestandteil der Kriegslehre waren.
Doch Capitán Cubera war nicht der Mann, der seine Untergebenen aufgrund dieser Tatsache etwa Überheblichkeit spüren ließ. Nein, sie wußten, daß ihm vielmehr daran gelegen war, seine Erfahrungen weiterzugeben und seine Männer von seinem reichen Erfahrungsschatz profitieren zu lassen.
Auf Cuberas Handzeichen hin preite der Zweite Offizier die hinter ihnen liegende Kriegsgaleone an und gab die Order bezüglich der auszusetzenden Jollen weiter. Gleich darauf ertönten die Rufe an Bord der übrigen Schiffe des Verbandes, und Minuten später wurden auf der „San José“ und der zweiten Kriegsgaleone bereits die Beiboote abgefiert.
Gemeinsam mit den beiden Offizieren begab sich Capitán Cubera auf das Hauptdeck des Flaggschiffs und überzeugte sich von ausreichender Bemannung und Bewaffnung der Jolle. Cubera inspizierte anschließend die Geschützdecks und hörte mit unbewegter Miene die Meldungen der Stückmeister.
Mit den geöffneten Stückpforten und den ausgerannten Culverinen glich die „San José“ zwar einer schwimmenden Festung, doch jeder halbwegs gerissene Gegner würde die Manövrierunfähigkeit der Galeone zu seinem Vorteil zu nutzen wissen. Die Feuerkraft der großen Geschütze bedeutete also im entscheidenden Fall herzlich wenig. Da mußte man sich schon eher auf die Drehbassen und auf die Musketen der Seesoldaten verlassen.
Bevor er auf das Achterdeck zurückkehrte, ließ sich Cubera auch von den Schiffszimmerleuten Bericht erstatten. Sie würden noch in der Nacht mit den Vorbereitungen für die Reparaturarbeiten des nächsten Tages beginnen. Dazu gehörte vor allem, schon jetzt das Ersatzruder aus dem Stauraum auf die Kuhl zu hieven. Desgleichen sollten Ersatzplanken und Werkzeuge bereitgelegt werden.
Alles Menschenmögliche war getan, um weitere Zwischenfälle zu verhindern. Mit dieser Gewißheit zog sich Capitán Cubera an die Heckbalustrade zurück und blickte auf die nachtdunkle See an Backbord hinaus.
Irgendwo dort draußen lauerte der Feind, dessen Motive Cubera unergründlich waren. Zumindest konnte sich jetzt niemand mehr an den Verband heranpirschen, ohne rechtzeitig gesichtet zu werden. Doch die Situation war insgesamt geradezu aberwitzig. Der Kampfverband war wie ein lahmgelegter Goliath, den ein vorwitziger David durch zwei lächerliche Kratzer zu Fall gebracht hatte.
Was hatte es mit diesem rätselhaften Zweimaster auf sich, den er wohl doch richtigerweise als eine Art Fühlungshalter eingestuft hatte? Immer wieder hatte sich Cubera diese Frage gestellt, seit er bei der Überprüfung jenes Zweimasters mehrere Männer verloren hatte.
Trotz aller blutigen Zwischenfälle wußte er noch immer nicht, mit was für einem Gegner er es zu tun hatte. Denn wer konnte letztlich einen Beweggrund dafür haben, sich mit einem stattlichen spanischen Kampfverband von nicht weniger als sechs Kriegsgaleonen und vier Kriegskaravellen anzulegen? Auf Anhieb wußte Cubera darauf nur die eine Antwort:
Dieser Engländer namens Killigrew