Seewölfe - Piraten der Weltmeere 602. Sean Beaufort

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 602
Автор произведения Sean Beaufort
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880169



Скачать книгу

Niederländer lösten sich nicht nur auf dem Land von der spanischen Herrschaft des Zweiten Philipp. Spanische Karavellen oder Galeonen – hier im Norden gab es sie nicht mehr, oder sie segelten unter anderer Flagge.

      Oder sie waren ein willkommenes Ziel für den nordischen Schrat.

      Der Seewolf grinste in sich hinein. Thorfin Njals Spuren würden schwer zu übersehen sein. An Land ebensowenig wie auf See.

      Drei Stunden nach Mittag kam wieder Seenebel auf.

      Die Sicht verschlechterte sich rapide. Nur nach Ost, landwärts, erkannten die Seewölfe noch Wasser, Watt und Dünen. Die Ebbe setzte ein, und die Strömung trieb die Schebecke merklich nach West, außerdem nahm die Fahrt ab.

      Dann schralte der Wind, wechselte über nach West und drehte schließlich in den nördlichen Quadranten. Inzwischen stand Nils Larsen am Ruder.

      Hasard beugte sich über die Schulter Dan O’Flynns. Vor sich hatten sie, in Dans Kammer, die Karten. Mit der Spitze des Zirkels deutete Dan auf den Punkt, der den nächsten Ort an der Küste versinnbildlichte.

      „Es ist also nichts dagegen zu sagen, wenn wir für die Nacht in Nymindegab anlegen?“ wollte der Seewolf wissen.

      „Nein. Jedes Fischerdorf hat einen Hafen. Wahrscheinlich fällt auch die Schebecke trocken, aber damit haben wir ja Erfahrung.“

      Nur eine schmale Landbrücke, höchstwahrscheinlich Schlick und Sand, mehr oder weniger bewachsen, trennte nach den Angaben der Seekarte den Fjord vom offenen Meer. Die Landbrücke war fast schnurgerade eingezeichnet. Der Fjord dahinter, wahrscheinlich flach und fischreich, hatte die Form eines an den Rändern ausgefransten Halbmondes, in den von Nymindegab aus nach Norden eine Halbinsel hinaufragte. Auf der Karte war in dem natürlichen Damm keine Durchfahrt vermerkt.

      „Wir würden gerade in der Abenddämmerung in den Hafen einlaufen“, sagte Dan. „Es ist angenehmer, an den Pollern zu liegen, als in der Finsternis in unbekanntem und ungewissem Wasser gegen den Wind anzusegeln.“

      „Du sagst es“, stimmte Hasard zu. „Und mit etwas Glück haben wir morgen wieder guten Wind und gelangen bis nach Lemvig.“

      „Mag sein.“

      Der Tag war völlig ereignislos verlaufen. Wind und See schienen heute die Schebecke zu verwöhnen. Mit der zurückgelegten Strecke durften sie zufrieden sein. Jetzt, als die Sonne am Ende dieses warmen Tages im Seenebel versank und sich rot färbte, steuerte die Schebecke zunächst hoch am Wind nach Nordwest, und als der noch unsichtbare Ort Nymindegab achterlicher als dwars lag, gab der Seewolf seine Befehle.

      Das Schiff ging in den Wind, und die Rahruten schwangen nach den schnellen Manövern herum. Die Schoten wurden auf den anderen Bug genommen und, nachdem die Schebecke den Bugspriet auf die Küste und die Stämme der Nadelbäume gerichtet hatte, belegt.

      Die Segel füllten sich. Die Schebecke nahm wieder Fahrt auf und rauschte auf das Ufer zu. Für die Gruppe, die vorn stand und das Gelände recht voraus durch die Spektive musterte, zeigten sich im blutroten Licht des Sonnenunterganges die ersten Giebel der strohgedeckten Dächer, die Ziegel des niedrigen Kirchturms und ein Fichtenwald dahinter. Noch von einer auslaufenden Sanddüne verdeckt, ragten die Masten einiger mittelgroßer Fischerboote in die neblige Luft. Erst jetzt sah man die Rauchfahnen aus den Kaminen.

      „Ist kein großer Unterschied zu irgendeinem anderen Fischerhafen“, sagte Ben Brighton. „Aber einen Alchimisten werden wir vergeblich suchen.“

      „Er war auch keine wesentliche Bereicherung für uns“, brummte Edwin Carberry. „Ob sie uns freundlich empfangen?“

      „Warum nicht?“

      „Weil der Wikinger vor uns hier entlanggesegelt ist“, sagte Hasard. „Er ist für mich so etwas wie ein Schreckgespenst.“

      „Ganz so schlimm wird’s wohl nicht werden“, meinte Carberry.

      Die Einfahrt, die sich in der einsetzenden Ebbe deutlich auch in den vertieften Prielen zeigte, ließ deutlich den Fleiß der Siedler erkennen. Hänge, Dünen und künstliche Deiche waren, dicht bewachsen, in die Umgebung des Hafens einbezogen.

      Im Lauf der Jahre waren auch hier, wie nahezu überall an solchen Häfen, riesige Mengen von Schlick und Sand ausgehoben, in Körbe geladen und in Form von Deichen aufgetürmt worden. Als die Schebecke mit killenden Segeln sich näherte, hob Hasard kurz die Hand.

      Die Fock und das Großsegel wurden aus dem Wind genommen, um die Fahrt zu verlangsamen. Der Rudergänger hielt, den kurzen Signalen aus dem Bug gehorchend, die Schebecke genau in der Mitte des schmalen Fahrwassers.

      „Gut so. Leinen klar!“ rief der Seewolf.

      Sie passierten an Backbord und Steuerbord die halb künstlichen, halb natürlichen Deiche. Auf den alten Teilen wurzelten windzerzauste Föhren und Fichten.

      Kaum waren sie ein paar Fuß tiefer im ruhigeren Wasser, verwandelte sich das bis eben ruhige Dörfchen in ein Tollhaus. Wimmernd und grell läutete eine Glocke im Kirchturm. Eine zweite schepperte klirrend.

      Über die Weide raste eine Herde gefleckter Schafe. Hunde umkreisten sie kläffend. Ein paar Jungen trieben Rinder hinter den Häusern in den Wald. Türen schlugen zu und wurden wieder aufgerissen, und Männer sprangen aus den Häusern.

      „Sie beeilen sich, uns willkommen zu heißen“, sagte Hasard und wußte noch nicht, ob er lachen oder fluchen sollte.

      „Sie verwechseln uns mit dem Wikinger!“ rief Dan. „Wo sind unsere Sprachkünstler?“

      Stenmark, Nils Larsen und Sven Nyberg eilten aufs Vorschiff. Nils hob die Hände an den Mund und brüllte einige Sätze in die Richtung der aufgeregten Männer. Sie schwangen Äxte und Hämmer und hielten Mistgabeln und Säbel in den Händen. Einige schwangen Armbrüste über den Köpfen und riefen sich Warnungen zu.

      Im rechteckigen Hafen lagen vierzehn unterschiedlich große Fischerboote. Netze waren auf Stangen ausgespannt. Es roch nach Fisch, und überall glänzten die Schuppen auf dem dürren Gras.

      „Sage ihnen“, erklärte der Seewolf, als die Schebecke das Fahrwasser verließ und zwischen dem ersten Paar wuchtiger Poller hindurchdriftete, „daß wir freundliche Absichten haben. Keine Plünderei oder Brandschatzung.“

      „Habe ich ihnen gerade erklärt“, erwiderte Nils. „Sie glauben mir nicht.“

      Mit Fischspeeren, langen Messern, Knüppeln und Keulen verschanzten sich etwa vierzig Männer jeden Alters, meist blond und mit hellen Bärten, in der Nähe der Boote, eines Stegs oder anderer Deckungen. Sie schienen wild entschlossen zu sein, das Anlegen zu verhindern.

      „Laßt eure Waffen in Ruhe!“ brüllte der Seewolf nach achtern. „Aber duckt euch!“

      Noch immer bimmelten und dröhnten die Glocken. Das Geläute fuhr weit über das flache Land hin. Die Dänen schrien wild durcheinander und schüttelten drohend ihre simplen Waffen. Der Mann mit der Armbrust zielte auf den Seewolf.

      Nils Larsen bewegte seine Arme und Hände in beschwichtigenden Gesten. Etwas leiser erklärte er, was er den Fischern zurief.

      „Wir sind keine Räuber oder Piraten. Wir wollen nur über Nacht bleiben. Wir zahlen auch für das Bier im Krug.“

      Er übersetzte auch die Antworten.

      „Sie sind gewarnt worden. Reiter waren hier und haben vor einem schwarzen Segelschiff gewarnt.“

      „Sage ihnen, daß wir das Schiff selbst verfolgen“, erklärte Hasard. „Wir helfen ihnen sogar, wenn der Wikinger auftauchen sollte.“

      „Sofort.“

      Aus einigen kleinen Fenstern blickten voller Furcht Kinder und Frauen. Wieder schloß sich von innen mit wuchtigem Krachen und klirrenden Riegeln ein Scheunentor. Die Sonne versank halb hinter der Kimm, und von allen Seiten schob sich die Nebelwand heran. Die Crew der Schebecke befand sich fast vollzählig an Deck und bemühte sich, einen friedfertigen Eindruck zu erwecken.