Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos

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Название Homilien über den Brief an die Hebräer
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660178



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haben;“101 und wieder: „Gott kann die Laster der Menschen nicht ertragen;“ - wenn die göttliche Schrift, sage ich, die Größe des Zornes anzeigt: so können noch viel mehr von Christus, der im Fleische gelitten, solch menschliche Zustände ausgesagt werden. Denn da viele Menschen glauben, daß vor Allem die Erfahrung eine zuverlässige Erkenntniß gewähre, so wollte er zeigen, daß Derjenige, welcher gelitten, wisse. was die menschliche Natur zu leiden hat. - „Weßhalb (ὅϑεν), heilige Brüder,“ sagt er. Der Ausdruck: „weßhalb“ steht hier statt: „darum“ (διὰ τοῦτο). „Mitgenossen des himmlischen Berufes.“ Suchet also hier Nichts, da ihr dorthin berufen seid; denn dort ist der Lohn, dort die Vergeltung. - Was besagen aber die Worte: „Sehet auf Jesum Christum, den Gesandten und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, welcher treu ist Dem, der ihn gemacht hat, wie auch Moses in dem ganzen Hause desselben“? Was heißt Das: „Welcher treu ist Dem, der ihn gemacht bat“? Es heißt: Welcher als Verwalter für Das besorgt ist, was ihm anvertraut worden, und nicht gestattet, daß es planlos verschleudert werde. „Wie auch Moses in dem ganzen Hause desselben,“ d.h. betrachtet, wer der Hohepriester und wie er beschaffen ist, und ihr bedürfet deines weiteren Trostes, keiner anderen Ermunterung. Apostel (Gesandten) nennt er ihn, weil er gesendet wurde, und „Hoherpriester unseres Bekenntnisses“ ist gleichbedeutend mit: Hoherpriester unseres Glaubens. Schön sagt er: „wie auch Moses“; denn auch er hatte die Sache des Volkes zu verwalten, wie auch Jener das Vorsteheramt ausübte, aber in einem wichtigeren und höheren Verhältnisse; denn Moses stand da als Diener, Christus aber als Sohn; Jener verwaltete fremdes. Dieser aber besorgte sein Eigentum. - „Zur Bezeugung Dessen, was verkündet werden sollte.“ Was sagst du? Nimmt Gott das Zeugniß eines Menschen an? Ganz gewiß. Denn wenn er Himmel und Erde und Hügel zu Zeugen anruft, da er durch den Propheten spricht: „Höret, ihr Himmel, und nimm es zu Ohren, Erde, denn der Herr redet;“102 und: „Höret, ihr Berge und ihr Grundvesten der Erde, daß der Herr in’s Gericht geht mit seinem Volke!“103 - so wird er um so mehr die Menschen zu Zeugen nehmen. Was heißt Das: „zur Bezeugung“? Daß sie Zeugen seien, wenn sie unverschämt wären. „Christus aber als Sohn;“ Jener hat über Fremdes die Sorge. Dieser aber besorgt sein Eigenthum. „Die herrliche Hoffnung.“ Treffend sagt er: „Hoffnung“; denn alle Güter fußten ja auf der Hoffnung. Diese muß aber so festgehalten werden, daß man sich derselben rühme, als besäßen wir dieselben schon wirklich. Darum sagt er: „die herrliche Hoffnung“ und fügt bei: „wenn wir dieselbe bis an’s Ende festhalten;“ denn durch die Hoffnung sind wir gerettet worden. Wenn wir also durch die Hoffnung Erlösung gefunden und mit Geduld warten, so wollen wir auch wegen der Gegenwart nicht mißmuthig werden und nicht schon jetzt suchen, was uns die Zukunft verheißt; „denn die Hoffnung,“ heißt es, „welche man sieht, ist keine Hoffnung.“104 Denn da die Güter so groß sind, will er sagen, können uns dieselben in diesem vergänglichen Leben nicht zu Theil werden. Warum hat er sie uns aber verheissen, wenn er sie uns hienieden nicht geben will? Damit er durch diese Verheissung die Seelen erfreue, durch das Versprechen den Muth stärke und unsern Sinn ermuntere und belebe. Deßhalb ist Dieß alles geschehen.

       IV.

      Lassen wir uns also nicht aus der Fassung bringen! Niemand beunruhige sich, wenn er sieht, daß es den Bösen gut geht! Hier finden weder das Laster noch die Tugend ihre Vergeltung. Sollte Dieß aber sowohl in Bezug auf das Laster als auf die Tugend etwa stattfinden, so geschieht es doch nicht nach Gebühr, sondern überhaupt nur, gleichsam als Vorgeschmack des Gerichtes, damit Diejenigen, welche an keine Auferstehung glauben, dadurch schon hienieden gezüchtiget werden. Sehen wir also, daß ein Bösewicht reich ist, so soll uns Das nicht entmuthigen; sehen wir, daß ein braver Mann schwere Leiden erduldet, so sollen wir uns nicht in Klagen ergießen; denn jenseits glänzen die Kronen, jenseits auch warten die Strafen. Übrigens aber kommt es nicht vor, daß der Böse ganz und gar schlecht ist, sondern noch immer etwas Gutes an sich hat; auch nicht, daß der Gute allseitig vollkommen ist, sondern noch immer an gewissen Fehlern krankt. Wenn nun der Lasterhafte bei seinen Unternehmungen Glück hat, so wisse, daß Dieß nur zu seinem eigenen Verderben ausschlägt; denn damit er für das wenige Gute hier schon den Lohn empfange, jenseits aber der vollen Strafe verfalle, deßhalb empfängt er zeitliches Glück. Und überaus glücklich ist Jener zu preisen, der hienieden gezüchtiget wird, damit er frei von allen Sünden, ruhmvoll und rein und ohne Furcht vor der Rechenschaft dieses Leben verlasse. Dieses lehrt uns auch Paulus, indem er spricht: „Darum sind unter euch viele Kranke und Schwache, und Viele schlafen;“105 und wieder: „Einen Solchen übergebet dem Satan zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde.“106 Und der Prophet spricht: „Sie hat Doppeltes aus der Hand des Herrn empfangen für all ihre Sünden;“107 und wiederum David: „Sieh’ auf meine Feinde, denn ihrer sind viele, und mit ungerechtem Hasse hassen sie mich, und vergib alle meine Sünden!“108 Und wieder ein Anderer: „Herr, unser Gott, gib uns Frieden, denn all unser Thun thust du für uns.“109 Diese Stellen beweisen aber, daß die Guten schon hier die Strafen für ihre Sünden empfangen; wie aber die Bösen, welche schon diesseits ihr Gutes erhalten, jenseits die volle Strafe bekommen, höre, was Abraham zum Reichen spricht: „Gedenke, Sohn, daß du Gutes zurückempfangen hast in deinem Leben, Lazarus hingegen Übles.“110 (Was für Gutes?) Da er hier sagt: zurückempfangen, nicht aber: empfangen, zeigt er, daß hier Beiden zu Theil geworden, was ihnen gebührte, sowohl Dem, welcher in zeitlichem Glücke gelebt, als auch Dem, welcher von Mißgeschick heimgesucht war. Er sagt: „Darum wird Dieser getröstet;“ du siehst, daß er rein von Sünden war; „du aber wirst gepeinigt.“ Seien wir also nicht traurig, wenn wir sehen, daß es den Sündern wohlgeht, sondern freuen wir uns, wenn wir selbst Schlimmes erdulden; denn die Sünder erhalten hienieden ihre Bezahlung. Suchen wir nicht Ruhe: denn Christus hat seinen Jüngern Trübsal verkündet, und Paulus sagt: „Alle, die gottselig leben in Christus Jesus, werden Verfolgung leiden.“111 Kein wackerer Streiter denkt im Kampfe an Bäder, an einen Tisch voll Speisen und Wein. - Das paßt nicht für einen Athleten, sondern für einen Feigling. Der Athlet hat es zu thun mit Staub, mit Öl, mit der Sonnenhitze, mit vielem Schweiß, mit Mühsal, mit allen Beschwernissen des Kampfes. Hier ist die Zeit des Kampfes, also auch die Zeit für Wunden und Leiden. Höre, was der heilige Paulus sagt: „So kämpfe ich, aber nicht um bloß Luftstreiche zu thun.“112 Seien wir der Überzeugung, daß unser ganzes Leben ein Kampf ist und wir nicht Ruhe suchen; zeigen wir uns nicht befremdlich in den Stunden der Trübsal: kommt es ja auch dem Kämpfer nicht fremd vor, wenn er im Kampf ist! Eine andere Zeit gibt es zum Ruhen. Durch Trübsale müssen wir vollkommen werden. Bleiben wir auch von Verfolgung und Bedrängniß verschont, so gibt es doch andere Leiden, die uns jeden Tag treffen; wollen wir uns diesen nicht unterziehen, so werden wir jene schwerlich ertragen. „Lasset euch von keiner Versuchung ergreifen als von einer menschlichen!“ heißt es.113 Beten wir also zu Gott, daß wir nicht in Versuchung fallen; sind wir in dieselbe gefallen, so wollen wir sie großmüthig ertragen. Denn kluge Männer stürzen sich nicht von selbst in Gefahren; finden sich aber Gefahren, so steht der tapfere und weise Mann fest. Werfen wir uns daher nicht ohne Grund den Gefahren entgegen; denn das ist Verwegenheit; werden wir aber ihnen entgegen geführt, indem es die Umstände fordern, dann weichen wir ihnen nicht aus! Das wäre Feigheit. Ruft uns aber die Predigt des göttlichen Wortes, so sollen wir uns nicht entziehen; ohne Grund und Zweck aber, ohne Bedürfniß und ohne den Drang der göttlichen Liebe (der Gefahr) nicht entgegen laufen; denn das wäre Prahlerei und thörichte Ruhmsucht. Sollte aber Etwas gegen die Religion geschehen, so sollten und müßten wir tausendmal sterben, nicht weichen. Fordere die Versuchungen nicht heraus, wenn dir in Bezug auf Religion und Frömmigkeit Nichts zu wünschen übrig bleibt! Wozu thörichter Weise Gefahren aufsuchen, die keinen Nutzen gewähren?

       V.

      Dieses sage ich euch, weil ich will, daß ihr die Gebote Christi befolget, welcher zu beten befiehlt, damit wir nicht in Versuchung fallen, und welcher verlangt, daß wir das Kreuz aufnehmen und ihm nachfolgen. Hierin liegt kein Widerspruch, sondern vollkommene Harmonie. Sei darum so gerüstet wie ein tapferer Krieger und sei fortwährend unter den Waffen: nüchtern, wachsam, stets in Erwartung