Seewölfe - Piraten der Weltmeere 316. Frank Moorfield

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 316
Автор произведения Frank Moorfield
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397136



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Befehlsverweigerer hing. Die schlaffe Gestalt fiel schwer auf die Gräting. Augenblicke später klatschte der Leichnam ins Wasser der Steuerbordseite.

      Semion Marinesko hatte die Szene keines Blickes gewürdigt. Er stand nach wie vor am Heck der Galeasse und starrte mit grimmigem Gesicht durch das Spektiv.

      „Wir sind nicht mehr weit von Kotka entfernt“, sagte er. Dann bedachte er Kozlow und Deschnew mit weiteren Befehlen: „Achten Sie darauf, daß niemand ein Licht anzündet! Ein einziger Fehler in dieser Richtung kann das ganze Unternehmen gefährden. Und sagen Sie dem Schlagmann, daß er mit der verdammten Trommelei aufhören soll, sonst hören uns die Schweden bereits, bevor wir überhaupt da sind.“

      Kozlow schob das spitze Kinn vor und lachte meckernd.

      „Vielleicht denken sie, der Gehörnte wolle ihnen zum Tanz aufspielen, wenn sie die Trommelschläge hören.“

      „Jetzt ist keine Zeit zum Scherzen“, sagte Marinesko schroff. „Kümmern Sie sich um Ihre Soldaten, Kozlow. Bei unserer Aktion kommt es auf Schnelligkeit an.“ In seiner Stimme schwang ein grimmiger Unterton mit.

      Gregori Kozlow verzog sich rasch, um die Gefechtsbereitschaft der Seesoldaten zu überprüfen, während Nikolai Deschnew dafür sorgte, daß das Trommeln eingestellt wurde.

      Eine gespenstische Stille legte sich über das Deck der Galeasse, die jetzt einem dahin treibenden Geisterschiff glich. Nur das Rauschen der Dünung und das Jaulen des eisigen Windes waren zu hören.

      Da durchbrach die Stimme eines Postens im Ausguck die Stille.

      „Deck! Dunkle Schatten Steuerbord voraus!“

      Während die Männer der Schiffsführung die Kieker an die Augen hoben, ergänzte er seine Meldung: „Es sind sechs dunkle Schatten!“

      Wenig später stand unzweideutig fest, daß es sich bei den dunklen Schatten, die vor der Südwestküste der Insel Kotka lagen, um Galeeren handelte. Sie waren dicht unter Land vor Anker gegangen.

      „Na also!“ Semion Marinesko lächelte triumphierend. „Habe ich Ihnen vielleicht zuviel versprochen, meine Herren?“

      Während Deschnew und Kozlow eifrig die Köpfe schüttelten, gab der Generalkapitän eine Reihe von kurzen und präzisen Befehlen.

      Die Galeasse fiel leicht nach Steuerbord ab und hielt direkt auf die schwedischen Galeeren zu. Alles blieb dort still, nichts deutete darauf hin, daß man das heransegelnde russische Kriegsschiff bemerkt hatte.

      Semion Marinesko sollte sich mit seinen Vermutungen nicht getäuscht haben, denn der schwedische Landeshauptmann Alvar Renquist, der die Verantwortung für die Rückeroberung der Insel Kotka trug, hatte in der Tat nur zwei Mann je Galeere als Ankerwache zurückgelassen, insgesamt also zwölf Mann.

      Offenbar war er von der Überlegung ausgegangen, daß bei den harten Kämpfen in der Nordbucht der Insel jede Hand gebraucht wurde. Darin hatte er sich auch nicht geirrt. Dennoch sollte diese Entscheidung den zu schwach bewachten Galeeren an der Südwestküste zum Verhängnis werden.

      Semion Marinesko brüllte einen kurzen Befehl, und schon brach das Inferno über die sechs Galeeren herein.

      Zunächst spuckten die beiden Buggeschütze der russischen Galeasse Tod und Verwüstung zu den ankernden Schiffen hinüber. In Sekundenschnelle erfüllte ein ohrenbetäubendes Krachen und Bersten die Luft. Trümmerstücke, Teile von Masten, Riemen, Segeln und Planken wurden durch die Gegend geschleudert. Laute Rufe und Todesschreie verkündeten den Russen, daß ihrem Überraschungsangriff Erfolg beschieden war. Beißender Pulverdampf wölkte auf, die dunklen Schwaden wurden von dem rauhen Wind wie ein großes Tuch zerrissen.

      Während die Seesoldaten die Galeeren mit vernichtendem Musketenfeuer eindeckten, ließ Marinesko in Windeseile die Buggeschütze nachladen. Dann krachten die Kanonen abermals und donnerten ihre Ladungen mit verheerender Wirkung in den schwedischen Verband. Auch diesmal flogen buchstäblich die Fetzen.

      Die ersten Galeeren krängten bereits stark über, die Minuten, die sie noch an der Wasseroberfläche verbringen würden, waren gezählt. Eine weitere war bereits stark hecklastig geworden; auch sie würde in wenigen Augenblicken auf Grund gehen.

      Die Russen stießen wie erwartet auf keine Gegenwehr, denn die wenigen Ankerwachen der Schweden versuchten – soweit sie noch am Leben waren –, die nackte Haut zu retten, indem sie über Bord sprangen und von Panik und Entsetzen getrieben auf die nahe Küste zuschwammen.

      Marinesko ließ die Galeasse hart nach Backbord abfallen, damit sie unter Segeln am Ort des Geschehens vorbeigleiten konnte.

      „Steuerbord-Drehbassen – Feuer!“ brüllte er. Ein Anflug von Euphorie in seiner Stimme war unverkennbar.

      Die acht Drehbassen der Steuerbordseite begannen gleich darauf zu wummern. Da auch diese Schüsse aus nächster Nähe abgefeuert wurden, war es für die russischen Schützen kein Kunststück, eine hohe Trefferquote zu erzielen.

      Noch während die leichten und schwenkbaren Geschütze krachten, ließ Marinesko abermals die Musketen abfeuern. Dann gab er dem Rudergänger Befehl, wiederum nach Backbord abzufallen, so daß sich das Heck der Galeasse rasch den traurigen Überresten der schwedischen Galeeren zuwandte.

      „Heckgeschütze – Feuer!“ dröhnte seine Stimme über das Deck.

      Die Antwort war ein lautes Siegesgeheul der russischen Soldaten und Seeleute. Dann spien auch die beiden Heckkanonen ihre verderbenbringenden Ladungen aus, um das begonnene Werk zu vollenden.

      Von den schwedischen Galeeren war nach diesem Beschuß nicht mehr viel übriggeblieben. Die Wracks, die sich noch über Wasser hielten, würden in wenigen Minuten auf Tiefe gehen, das war deutlich zu erkennen. Die Russen hatten ganze Arbeit geleistet und waren auf keinerlei Gegenwehr gestoßen. Wenn überhaupt, so stellte Marinesko triumphierend fest, konnte es nur wenigen Schweden gelungen sein, sich an Land zu retten.

      Über das Deck der Galeasse tobte ein Begeisterungssturm, als hätte man sämtliche Schlachten der Weltgeschichte gewonnen. Der momentane Erfolg, die Schlappe, die sie den Schweden durch die Zerstörung ihrer Schiffe bereitet hatten, ließ die Russen ihre totale Niederlage für einige Minuten vergessen.

      „Schade, daß ich die Gesichter der Schweden und ihrer englischen Freunde nicht sehen kann, wenn sie an der Küste aufkreuzen.“ Marinesko stand in Siegerpose am Heck der Galeasse, ein schadenfrohes Lächeln prägte seine Züge.

      „Jetzt müssen sie wohl nach Hause schwimmen“, meinte Gregori Kozlow, sein hagerer Adjutant, und Nikolai Deschnew sagte kriecherisch: „Gratuliere zu diesem großartigen Einfall, Generalkapitän! Sollten wir den Kerlen in der Nordbucht nicht auch noch was auf den Pelz brennen?“

      „Sie vergessen die Engländer“, erwiderte Semion Marinesko nüchtern. „Wir haben nur ein Schiff und damit ist unsere Chance sehr gering.“

      Der Generalkapitän wollte gerade den Befehl geben, wieder auf Fluchtkurs nach Osten zu gehen, da tönte ein lautes Gebrüll von der Küste herüber. Der Urheber des plötzlichen Geschreis sprach unverkennbar russisch.

      „Unsere Posten!“ entfuhr es Deschnew. „Es kann sich nur um einen unserer Posten handeln.“

      „Ich höre nur einen. Waren es nicht drei?“ Marinesko legte die Stirn in Falten.

      „Weiß der Teufel, was mit den anderen los ist“, sagte Kozlow und warf dem Generalkapitän fragende Blikke zu.

      „Wir schauen nach“, entschied Marinesko. „Soviel Zeit haben wir noch. Bis die Schweden hier eintreffen, sind wir über alle Berge. Und wenn sie an Verfolgung denken, können sie uns gern hinterherschwimmen.“

      Er ließ sofort ein Boot aussetzen und zur Küste hinüberpullen. Kurze Zeit später kehrten zur Verwunderung Marineskos zwei Boote zurück. An Bord befanden sich neben den Männern, die er losgeschickt hatte, die drei Soldaten, die man als Posten an der Inselküste aufgestellt hatte.

      Einem von ihnen war es gelungen, sich von seinem Knebel zu befreien