Die «San Donato» mit den Timucuas an Bord befand sich in arger Bedrängnis. Sieben Einmaster, besetzt mit Duvaliers Schnapphähnen, hatten sie umstellt und schickten sich an, die Galeone zu entern. Aber da war die «Isabella» herangesegelt, buchstäblich in letzter Minute, und schon raste eine volle Breitseite mit einem infernalischen Donnern und Fauchen auf drei der Einmaster zu und hieb zwei regelrecht in Stücke. Ein häßliches Splittern und Bersten ertönte und vermischte sich mit den Todesschreien der Piraten. Trümmerteile, zerfetzte Segel und menschliche Leiber wirbelten durch die Luft und klatschten ins Wasser. Gleich darauf begannen die beiden wrackreif geschossenen Einmaster mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit zu sinken. Der in der Nähe der Sinkstelle befindliche dritte Einmaster versuchte sein Heil in der Flucht. Aber die Seewölfe waren nicht gewillt, ihn entwischen zu lassen – und da waren ja auch noch die vier anderen Piratensegler…
Die englischen Seesoldaten unter Sir Thomas Baskerville rückten in einem weiten Halbkreis gegen den Campira-Paß vor, dem Tor nach Panama. Hatte man es durchstoßen, dann würde auch die Hafenstadt am gleichnamigen Golf fallen oder kapitulieren. Aber der Paß war gesperrt. Spanische Soldaten hatten ihn mit schweren Baumstämmen verbarrikadiert. Hinter der mächtigen Brustwehr hatten sie Deckung. Oben in den Felsen lagen oder hockten Scharfschützen. Auch sie waren gut gedeckt. Und so entbrannte der Kampf, ein Kampf auf Leben und Tod, bei dem keiner dem Gegner etwas schenkte. Hunderte von Schußwaffen krachten und verursachten einen infernalischen Lärm, in den sich das Wummern leichter Geschütze mischte, die von den Spaniern zum Paß geschafft und dort postiert worden waren…
Don Juan de Alcazar paßte genau den richtigen Augenblick ab, um seinen Angriff auf das Flaggschiff «San José» zu fahren, das an der Spitze des spanischen Kampfverbandes segelte. Da hatte sich der Mond gerade hinter einigen Wolkenfetzen verborgen, so das die Schebecke aus dem dunklen Hintergrund heraus vorstieß. Als sie am Heck der «San José» vorbeistrich, gab Don Juan das vereinbarte Zeichen zu den Männern an den Drehbrassen. Sie donnerten gleichzeitig los und hieben ihre Ladungen mit Wucht in das Heck des Flaggschiffs – in die Ruderanlage. Das häßliche Krachen und Bersten von Holz bewies, daß die Eisenladungen ihr Ziel erreicht hatten. Und prompt lief das Flaggschiff aus dem Ruder…
Während Hasard seinen Degen schwang und Ferris Tucker, der rothaarige Riese, seine mächtige Zimmermannsaxt kreisen ließ, warfen sich auch die übrigen Seewölfe mit Säbeln und Entermessern bewaffnet den Derwischen entgegen. Ein wilder Kampf entbrannte. Das Metall der Waffen klirrte mit häßlichem Geräusch gegeneinander. Nicht nur die Seewölfe verstanden es, mit ihren Waffen umzugehen – auch die Derwische, die sich mit einem fanatischen Eifer in den Kampf stürtzten, beherrschten meisterhaft ihre Krummsäbel. So sahen sich Hasard und seine Männer im Nu von einer beträchtlichen Anzahl von Gegnern umringt. An Edwin Carberry hing eine ganze Traube von Derwischen…
Was von der Galeone übriggeblieben war, sah aus wie ein Gerippe. Die Beplankung fehlte, nur die Querspanten ragten aus den Seiten hervor, so daß man rundum durch das Wrack sehen konnte. Aber nicht das war es, was die vier Seewölfe verharren ließ, nein, es war der Hauch des Todes, der über dieser Stätte lag. Auf dem Kielschwein des Wracks und an den Querspanten hockten ausgeblichene, menschliche Gerippe, als warteten sie darauf, von jemandem abgeholt zu werden. Es waren mehr als ein Dutzend Skelette, die in der Sonne bleichten und dieser Stätte des Todes eine unheimliche Ausstrahlung verliehen…
Philip Hasard Killigrew hielt seine doppelläufige Pistole in der Hand und richtete sie auf die Gestalt, die sich gerade über eine der geöffneten Schatzkisten beugte. «Die Suche ist beendet, Arvidson!» sagte er mit fester Stimme. «Vielen Dank, daß du die Kisten bereits ausgegraben hast!» Niemand, auch Hasard nicht, hatte mit dem gerechnet, was jetzt geschah. Arvidson fuhr blitzschnell herum und warf sich, einen fast tierischen Schrei ausstoßend, dem Seewolf entgegen. Die Tatsache, das jemand die Grotte betreten hatte und ihm die heißbegehrten Schätze wegnehmen wollte, hatten ihn wie ein Pulverfaß explodieren lassen. Der muskolöse Körper des Piraten flog wie ein Geschoß auf Hasard zu…
Hasard und seine Männer hatten bereits die ersten riesigen Felsbrocken erreicht, da brach urplötzlich, wie ein Gewitter aus heiterem Himmel, das Inferno über sie herein. Das Krachen und Aufblitzen von Pistolen- und Musketenschüssen zerriß jäh die Stille, die über der Insel gelegen hatte. Hinter den Felsen, die den Sandstrand säumten, tauchten wie aus dem Boden gewachsen wüste verluderte Gestalten auf, die laut brüllend und waffenschwingend auf die Handvoll Seewölfe zustürzten. Den Männern der «Hornet» war augenblicklich klar, daß sie in einen Hinterhalt getappt waren. Das bedeutete für ihren kleinen Trupp einen Kampf auf Leben und Tod…
Der Stückmeister der «San Sebastian» gab durch ein Handzeichen zu verstehen, daß die Geschütze einsatzbereit wären. Don Gaspar hob die Hand: «Feuer frei!» Sofort begann das ohrenbetäubende Hacken und Fauchen der Drehbassen. Eisen und Blei zischten mit fürchterlicher Gewalt zu den Felsen hoch und setzten oben in der Steilwand Gestein und Geröll in Bewegung. Staub wirbelte auf, zahlreiche Steinsplitter fetzten durch die Luft. Über der «San Sebastian» breitete sich grauschwarzer Pulverdampf aus, über die Decks zog ein beißender Geruch. Und dann brüllten die bei den Culverinen der vorderen Backbordbreitseite auf und übertönten für Momente das Geschrei der Deserteure oben auf den Felsen am Wasserfall…
Die Meuterer packten die Black Queen und fesselten ihr die Hände auf den Rücken. Dann wurde die abgezehrte und sieche Negerin aus der Kapitänskammer gestoßen und von rohen Fäusten unter lautem Gejohle der restlichen Mannschaft zur Kuhl getrieben. Ihre wütenden Schreie und wilden Flüche, ihre Racheschwüre und Verwünschungen halfen ihr nichts. Die wüste Bande riß nur ihre Witze darüber. Viel hätte nicht gefehlt, und die Kerle wären über ihren weiblichen und jetzt abgesetzten Kapitän hergefallen. Doch Casco verhinderte das. Wenig später befand sich die Black Queen in dem Beiboot, das man bereits abgefiert hatte. Sie wurde an den Inselstrand gepullt und aus dem Boot gejagt. Hohnlachend kehrten die Kerle zur «Caribian Queen» zurück…
Die Dschunke änderte nicht ihren Kurs. Der Kapitän und Opiumhändler Surya Bahadur ließ offenbar jeden Fetzen Tuch setzen, weil er eine Verfolgung der Arwenacks auf der «Santa Barbara» befürchtete. So kam, was kommen mußte: Das Schicksal der Kerle auf der Dschunke nahm seinen Verlauf. Mit einem unheimlichen Bersten, das bis zur «Santa Barbara» zu hören war, lief die Dreimast-Dschunke auf die höllischen Riffe. Sie bäumte sich auf und wurde wie von einer unsichtbaren Faust geschüttelt. Die Segel krachten samt ihrer Bambuslatten auf die Decks hinunter, an vielen Stellen ergossen sich sofort große Wassermengen in den Schiffsrumpf. Die meisten der Kerle sprangen über Bord und bemühten sich, das sinkende Schiff zu verlassen…