Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 26
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399949



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– alle kannten ihn nur unter diesem Namen. Cuchillo bedeutete im Spanischen Messer. Treffender hätte der Spitzname des Mannes nicht ausfallen können. Das Messer war seine Waffe. Er verstand mörderisch gut damit umzugehen. Cuchillo war schlank, und er hatte ein gepflegtes Oberlippenbärtchen. Er mimte auf Liebling aller Frauen. Auf den ersten Blick mochte er wie ein freundlicher, friedliebender Mann aussehen. Doch wer in seine Augen schaute, erkannte er, wie eiskalt und verschlagen der Kerl war.

      Cuchillo kannte genausowenig Skrupel wie Gayo. Nur waren die Gewalt und Brutalität bei Gayo offensichtlicher. Der Kerl war früher Bootsmann gewesen. Er war von einer spanischen Kriegsgaleone desertiert und in Havanna untergetaucht. Gonzalo Bastida hatte ihn lange Zeit versteckt gehalten. Schließlich war die Galeone nach Spanien zurückgekehrt, und kein Mensch hatte sich mehr um den Verbleib von Gayo gekümmert.

      Gayo war der typische Schläger – ein stiernackiger Bulle mit zernarbter Visage. Ein richtiger Kinderschreck. Er war tückisch und hatte schnelle Reflexe. Er konnte es mit zwei, drei Gegnern gleichzeitig aufnehmen. Auch im wildesten Handgemenge blieb er stets der Sieger.

      Cuchillo und Gayo brauchten nicht lange zu suchen, um die Kerle zu finden, auf die sie es abgesehen hatten. Sie brauchten eigentlich nur zu lauschen. In der Stadt herrschte eine geisterhafte Stille – bis auf die polternden oder splitternden Geräusche in diversen Bürgerhäusern. An diesen Lauten orientierten sie sich.

      Cuchillo steuerte mit seinen drei Soldados auf ein hohes, mehrstöckiges Haus mit schmalbrüstigen Fenstern zu. Drinnen schien der Teufel los zu sein. Es krachte und polterte. Kerle grölten und lachten. Sie amüsierten sich, so wirkte es zumindest, prächtig und räumten so richtig auf.

      „Los“, sagte Cuchillo. Ihr werdet euch wundern, dachte er.

      Die vier Kerle betraten das Haus. Keiner der Plünderer hinderte sie daran. Diese Galgenstricke hatten genug damit zu tun, Wertgegenstände aus den Schränken zu holen und das Tafelbesteck an sich zu reißen. Sie brachen Schubladen auf, kippten Schränke und Truhen um, zerbrachen Spiegel, Bilder und Geschirr. Sie hausten wie die Vandalen.

      Es waren acht Kerle, wie Cuchillo mit raschem Blick feststellte, als er den großen Wohnraum betrat. Sie hatten getrunken. Einige von ihnen hatten starke Schlagseite. Sie lachten, rissen zotige Witze und zerschlugen alles, was ihnen in die Finger geriet. Einer schlitzte die Sitzmöbel, die mit rotem Damast bespannt waren, auf.

      Cuchillo zog seine Pistole, spannte den Hahn, trat auf einen der Kerle zu und sagte: „He, du!“

      Der Kerl fuhr zu ihm herum und wirkte etwas irritiert.

      „Wie?“ sagte er. „Was? Verdammt, du hast hier nichts zu suchen. Hau ab!“

      Cuchillo drückte einfach ab. Der Knall der Pistole hallte durch das Haus. Der getroffene Kerl sackte zusammen, ohne noch einen Laut von sich zu geben. Er warf Cuchillo einen letzten verdutzten Blick zu, dann starb er.

      Die anderen Plünderer schrien auf, griffen nach ihren Waffen und wollten sich verteidigen. Aber Cuchillo und die drei Soldados waren schneller. Cuchillos Messer zuckte durch die Luft und bohrte sich in die Brust des einen Galgenstricks. Auch dieser sank tot zu Boden. Die Pistolen der Soldados krachten – weitere drei Plünderer waren erledigt. Darauf fielen die Soldados mit ihren Messern über die drei letzten Kerle her.

      Nur einen ließen sie auf Cuchillos Befehl hin am Leben. Dieser Kerl kroch auf den Knien auf Cuchillo zu und rang die Hände.

      „Gnade!“ jammerte er. „Erbarmen!“

      „Zieh ab, du Ratte“, sagte Cuchillo verächtlich und nahm sein Messer wieder an sich. „Und laß dich hier nicht mehr blicken. Mit der Plünderei ist jetzt Schluß. Befehl von Gonzalo Bastida, kapiert?“

      „Bastida, ja – kapiert“, stammelte der Kerl.

      „In Bastidas Kneipe versammelt sich alles zum Sturm auf die Residenz des Gouverneurs“, sagte Cuchillo. „Waffen sind reichlich vorhanden. Wer zu feige zum Kämpfen ist, hat schleunigst aus Havanna zu verschwinden. Und wehe, wir erwischen noch einen von euch beim Klauen. Den legen wir um.“ Er wies zur Demonstration auf die Toten.

      Der Kerl verschwand wie der Blitz. Im Flur des Hauses riß er noch schnell einen halbvollen Sack mit Beutegut an sich, dann stolperte er ins Freie. Er lief keuchend die Gasse entlang und prallte mit einem anderen Kerl zusammen.

      „Was ist denn los?“ fuhr ihn der andere an. „Warum wird hier geschossen?“

      „Alle tot“, japste der Kerl, der mit dem Leben davongekommen war.

      „Was?“

      „Meine Kumpane – tot.“ Der Kerl zitterte am ganzen Leib. Er konnte noch nicht richtig fassen, daß ihn Cuchillo und die Soldados verschont hatten. „Bastida will die Residenz stürmen. Keiner soll mehr plündern. Alle haben sich in die Kneipe zu verfügen.“

      „Quatsch!“ brüllte der andere und stürmte weiter.

      Er gelangte allerdings nur bis zur Tür des Mordhauses. Hier erschien in diesem Moment Cuchillo. Er zückte die Pistole, die er inzwischen nachgeladen hatte, zielte kaltblütig auf den Plünderer und schoß ihn nieder.

      Die Soldados traten zu Cuchillo. Sie sahen den Toten und lachten hämisch.

      „Weiter“, sagte Cuchillo. „Das reicht jetzt. Die Nachricht wird sich herumsprechen und wie ein Lauffeuer verbreiten. Wir brauchen die Kerle nur noch zusammenzutreiben.“

       4.

      Vom Dach der Faktorei aus hatten Jussuf und Jörgen Bruhn, die zu dieser Stunde Ausguck hielten, alles beobachten können.

      „Mann, ich werd’ verrückt“, entfuhr es Jörgen. „Was machen die denn? Murksen die sich jetzt untereinander ab?“

      „Mal sehen“, erwiderte Jussuf nachdenklich. „Da steckt bestimmt war dahinter.“

      „Wer ist denn dieser Kerl, der eben den anderen Kerl erschossen hat?“ wollte Jörgen wissen.

      Sie hatten in aller Deutlichkeit verfolgt, wie Cuchillo den Plünderer auf offener Straße niedergestreckt hatte. Vorher hatten sie gesehen, daß Cuchillo und Gayo mit ihren jeweils drei Soldados vom Hafen aus zur Stadt marschiert waren.

      „Das ist Cuchillo“, erklärte Jussuf. „Einer von Gonzalo Bastidas vier Leibwächtern.“ Wie immer war er ausgezeichnet informiert. Keiner kannte die Hafenszene besser als er. In ständig wechselnden Verkleidungen hörte sich Jussuf als Spion im Hafen um und erfuhr stets die neuesten Nachrichten.

      „Aha“, sagte Jörgen. „Und Bastida hat was vor. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß er sämtliche Plünderer abknallt oder absticht.“

      „Ich auch nicht.“

      „Vielleicht dient das Manöver nur der Abschreckung.“

      „Damit die Kerle mit dem Plündern aufhören?“ fragte Jussuf. „Welchen Sinn soll das haben? Sie setzen ihre Beute ja bei Bastida um. Warum will er plötzlich auf diesen Profit verzichten?“

      „Abwarten“, entgegnete Jörgen grimmig. „Wir erfahren es bestimmt noch.“

      Arne von Manteuffel erschien ebenfalls auf dem Dach. Isabella Fuentes und er hatten die Schüsse natürlich auch gehört.

      „Was ist los?“ fragte Arne. „Geht der Feuerzauber wieder los?“

      „Offenbar nicht“, erwiderte Jörgen. „Jedenfalls lassen die Hunde das Gefängnis in Ruhe. Und auf uns scheinen sie es auch nicht abgesehen zu haben.“ Er berichtete, was Jussuf und er beobachtet hatten.

      Wenig später konnten die drei Männer verfolgen, wie die Plünderungen in der Stadt allmählich nachließen und schließlich ganz aufhörten. Immer mehr Kerle rannten durch die Gassen auf Bastidas Kneipe am Hafen zu.

      „Interessant“, sagte Arne. „Da scheint etwas Größeres im Gange zu sein. Das sieht mir ganz nach