Immunsystem und Psyche – ein starkes Paar. Anna E. Röcker

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Название Immunsystem und Psyche – ein starkes Paar
Автор произведения Anna E. Röcker
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783958033627



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einhergehen. Im Rahmen von psychologisch-psychotherapeutischen Sitzungen können Patient*innen gezielt dabei unterstützt werden, traumatische Erfahrungen zu integrieren und individuelle Gründe für belastende, stresserzeugende psychische Muster/Faktoren zu identifizieren und diese zu adressieren. Auf diese Weise kann eine Balance im Stresssystem und damit das immunologische Gleichgewicht gefördert werden.

      Die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie zeigen zudem ganz klar die wichtige Bedeutung von Beziehungen für unsere Gesundheit. Ich halte emotional bedeutsame Beziehungen geradezu für ein Lebenselixier. Die entsprechende psychosomatische Forschung auf einen Nenner gebracht heißt letzten Endes, dass soziale Integrität, soziale Unterstützung und soziale Diversität, also Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen und Gruppierungen und darunter auch qualitativ hochwertige, bedeutungsvolle Beziehungen, heilend sind.

      Prinzipiell kann man sagen, dass uns positive Gefühle stärken. Gefühle von Trauer, Schmerz, Enttäuschung, Angst oder Wut dagegen können auf Dauer krank machen (siehe auch 4. Kapitel ab Seite 64).

       Die Kernerkenntnis der Psychoneuroimmunologie im Blick behalten

      An dieser Stelle soll erneut auf die Kernerkenntnis der Psychoneuroimmunologie hingewiesen werden, nämlich dass unser Organismus in seiner Abwehrreaktion keinen großen Unterschied macht, ob er z.B. mit einem Virus konfrontiert ist oder ob er sich gegen einen emotionalen Stressor zur Wehr setzen muss. Das Immunsystem ortet die Bedrohung und reagiert ganzheitlich mit seinen Verteidigungsmechanismen. Die Unterteilung in physiologische und psychologische Reize und Reaktionen beruht auf einer überholten naturwissenschaftlichen Sicht, nämlich der Trennung zwischen Leib und Seele. Dabei sollte unsere Aufmerksamkeit dem ganzen Menschen gelten.

      Narrative Medizin und die subjektive Bedeutung von Symbolen

      Symbole sind unglaublich wirkmächtig in der Medizin. Genauer gesagt ist es die individuelle Reaktion des Menschen auf die subjektive Bedeutung des jeweiligen Symbols, die ihnen diese Kraft verleiht. Häufig wird die symbolische Wirkung leichthin als »Placebo« abgetan und als Scheinmedikament abgewertet. Hier hat sich der Begriff der »Bedeutungsreaktion« etabliert, weil die individuelle Bedeutungszuschreibung ausschlaggebend ist.

      Eine narrative Medizin berücksichtigt all das. Der Begriff »narrative Medizin« wurde von Rita Charon, einer Ärztin am Columbia Presbyterian Hospital in New York, geprägt. Unter diesem Begriff ist eine Herangehensweise gemeint, die die individuelle Geschichte jedes Patienten mitdenkt und mitberücksichtigt. Sie definierte »narrative Kompetenz« als die Fähigkeit, die Geschichte, die ein Mensch erzählt, ernst zu nehmen, die subjektive Bedeutung zu erfassen, sich davon berühren zu lassen und sie richtig einordnen zu können. So kann beispielsweise ein Bild (für einen gläubigen Menschen z.B. das Bild der Schutzmantelmadonna) stärkende Wirkung entfalten. Es kann zu einem Symbol für Schutz und Heilung werden, das die Selbstheilungskräfte stärkt – im Sinne einer Bedeutungsreaktion, d.h. im Sinne einer Antwort auf ein mit Bedeutung aufgeladenes Symbol. Viele positive Wirkungen aus dem Bereich der Alternativ- und Komplementärmedizin (z.B. Akupunktur, Jin Shin Jyutsu, Tai-Chi, spirituelles Heilen) können auf diese Weise verstanden und in ihrer Wirkkraft neu geschätzt werden. Sie gelten als nachweislich geeignet, um die Immunfunktion positiv zu beeinflussen. Es ist wichtig, dem Menschen die Verantwortung zuzutrauen, dass er selbst heilende Symbole in sich trägt und sie (gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung) auch findet, weil er selbst der »Experte« für sein Leben ist. In diesem Verständnis ist der Körper keine Maschine mehr, die zum Arzt gebracht wird, wenn etwas nicht funktioniert, sondern Teil eines lebendigen Ganzen (siehe auch 4. und 5. Kapitel).

       Selbstheilungskräfte – aus biopsychosozialer Sicht

      Um die eigenen Selbstheilungskräfte anzuregen, muss man nicht über detailliertes Wissen verfügen, wie unser Immunsystem funktioniert. Wir alle haben ein intuitives Wissen über unser biologisches Dasein als Menschen. Dennoch ist es hilfreich, sich wesentliche Aspekte bewusst zu machen.

      Klar werden sollten wir uns über den massiven Einfluss unserer psychischen Befindlichkeit auf unser Leben und insbesondere auch auf unser Immunsystem. Vereinfacht gesagt: So wie wir uns fühlen, »fühlt« sich auch unser Immunsystem. Wenn wir uns ärgern, ist auch unser Immunsystem entsprechend aktiv. Sind wir durch Probleme oder emotionale Unstimmigkeiten belastet, ist auch unser Immunsystem belastet. Andererseits: Wenn wir uns selbst wertschätzen, spiegelt sich dies auch in unserer Immunaktivität wider. Es lässt sich durchaus davon ausgehen, dass psychisches Wohlbefinden über ein gut funktionierendes Immunsystem einen Schlüssel zu einem gesunden Leben darstellt.

      Wir sind soziale Wesen. Wir sind eingebettet in Beziehungen, unser Leben findet in einem soziokulturellen Kontext statt. Auch hier gibt es Zusammenhänge zum Immunsystem. Wenn es uns gelingt, unsere Beziehungsrealität positiv zu gestalten, stärkt das unser Immunsystem. Dazu gehört, dass wir liebevolle Beziehungen pflegen, uns gegenseitig anvertrauen und in der Gemeinschaft einbringen.

      Die Idee des biopsychosozialen Zusammenspiels kann man durch ein einfaches Beispiel verdeutlichen: Wenn wir jemanden berühren, berühren wir ihn immer auf allen Ebenen, auf der körperlichen, der psychischen und der sozialen Ebene. Ähnliches gilt z.B. für Begriffe wie Schmerz, Wunde oder Abwehr, die nie nur biologisch zu verstehen sind.

      Es geht also darum, Konzepte in der Therapie und Prävention von Erkrankungen zu entwickeln, die sowohl den Körper als auch die Psyche und die soziale Umwelt in Einklang bringen. Dazu brauchen wir Vertrauen und Mut, um neu zu denken – bio-psycho-sozial – das Immunsystem wird es uns danken.

       Krisen als Chance

      Gerade in schweren Krisen, wie sie z.B. das COVID-19-Virus verursacht hat, wird für mich deutlich, dass es im vorher beschriebenen Sinne um ein neues Narrativ geht, um eine neue Herangehensweise an das Thema Gesundheit und Heilung.

      Das alte Narrativ bedeutet für den Patienten oder die Patientin oftmals, passiv zu sein, die Verantwortung für die eigene Gesundheit an den Arzt abzugeben und diesen über Gesundheit und Krankheit entscheiden zu lassen.

      Ein neues Narrativ besagt, dass Menschen ihre Eigenverantwortung behalten, dass ihnen im Fall von Krankheit Selbstverantwortung und Selbstheilungsfähigkeiten zugesprochen werden. Und das bedeutet anzuerkennen, dass der Mensch selbst der Experte für sein Leben und seine Gesundheit ist. Ärzt*innen und Menschen in anderen Gesundheitsberufen sollten dabei Helfer und Berater sein und ihre Patienten und Patientinnen nicht autoritär in eine bestimmte Richtung drängen. Sie sollten die Menschen unterstützen, ihre Selbstheilungskräfte zu entfalten, und dabei den Blick auf den ganzen Menschen im Auge behalten.

      »Unser Immunsystem ist ein Teamplayer: Psyche, Gehirn und Immunabwehr arbeiten eng zusammen.

      »Unser Immunsystem macht in seiner Abwehrreaktion keinen Unterschied zwischen einer Gefahr von außen – wie einem Virus oder einem Bakterium – oder einem »Feind« von innen, wie einer entarteten eigenen Zelle, oder einem psychischen Belastungsfaktor: Es setzt sich ebenso gegen eine körperliche wie eine seelische Verletzung zur Wehr.

      »Wir können beim Immunsystem von einem »6. Sinn« sprechen, der uns sowohl laufend darüber informiert, was außerhalb von unserem Körper vorgeht, als auch darüber, was im Körper passiert.

      »Achtsame Selbstwahrnehmung ist die Voraussetzung dafür, dass wir diese Informationen wahrnehmen können.

      »Chronischer Stress gehört zu den größten Gegenspielern unserer Selbstheilungskräfte.

      »Maßnahmen zum Stressabbau sind u.a. die Anwendung von Entspannungstechniken und achtsamkeitsbasierte Meditationsformen.

      »Eine »neue« Medizin muss biopsychosozial