Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos

Читать онлайн.
Название Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer
Автор произведения Johannes Chrysostomos
Жанр Документальная литература
Серия Die Schriften der Kirchenväter
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849660161



Скачать книгу

Gottes eigen, daß sie ihre Schöpfungen allen als Gemeingut darbietet. So macht sie es mit der Sonne, dem Monde, der Erde, dem Meere und allen andern Geschöpfen. Sie teilt von ihren Segnungen nicht den Reichen und den Weisen mehr mit und den Armen weniger, sondern bietet allen den gleichen Genuß davon dar. Gerade so machte sie es mit dem Evangelium, und das um so mehr, weil es noch notwendiger ist als jene andern natürlichen Gaben. Darum sagt auch Paulus öfter: „Allen Völkern“. Hierauf will er ihnen zeigen, daß nicht er ihnen eine Gnade erweise, sondern daß er einen Auftrag des Herrn erfülle. Er weist sie daher zur Dankbarkeit gegen Gott, den Geber von allem, an, indem er spricht:

      V. 14: * „Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Ungebildeten bin ich verpflichtet.“ *

      Das sagte er auch im Briefe an die Korinther. Er sagt es, um damit alles Gott zuzuschreiben.

      V. 15: * „So bin ich, was an mir liegt, bereit, auch euch, die ihr zu Rom seid, das Evangelium zu verkünden.“ *

       6.

      O hochherzige Seele! Ein Werk voller Gefahren nimmt er auf sich, eine Seereise, Widerwärtigkeiten, Nachstellungen, Empörungen. Denn wenn er einer so großen Stadt predigen wollte, die von der Gottlosigkeit ganz beherrscht war, mußte er sich wohl auf einen Hagel von Widerwärtigkeiten gefaßt machen, wie er denn auch in dieser Stadt sein Leben ließ, enthauptet auf Befehl des damaligen Herrschers. Wiewohl er nun so Schweres für sich voraussah, lähmte ihn das doch nicht, sondern er fühlte sich eher angespornt, sehnte sich mit Schmerzen darnach und war bereit dazu. Darum sagt er: „So bin ich, was an mir liegt, bereit, auch euch, die ihr zu Rom seid, das Evangelium zu verkünden.“

      V. 16: „Denn ich schäme mich nicht des Evangeliums.“

      Was sagst du, Paulus? Du solltest sagen: Ich rühme mich, ich schätze mich glücklich, ich bin stolz darauf; das sagst du nicht, sondern, was minder ist, daß du dich nicht schämst, ein Ausdruck, dessen wir uns von erhabenen Dingen nicht zu bedienen pflegen. Was will er also damit gesagt haben und warum wählt er diesen Ausdruck, obzwar er doch sonst in Freudentönen vom Evangelium spricht, höher als vom Himmel? Im Briefe an die Galater sagt er ja: „Ferne sei es von mir, mich zu rühmen, außer im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus.“ 49 Warum sagt er also hier nicht: „Ich rühme mich“, sondern: „Ich schäme mich nicht“? Die Römer waren stark eingenommen für irdische Größe; sie waren stolz auf ihren Reichtum, ihre Weltherrschaft, ihre Siege und ihre Kaiser. Diese letzteren setzten sie den Göttern gleich und legten ihnen auch die Namen von solchen bei; sie erwiesen ihnen auch göttliche Ehren, indem sie ihnen Tempel und Altäre errichteten und Opfer darbrachten. Diesen von Stolz so aufgeblasenen Leuten sollte Paulus Jesus verkündigen, den vermeintlichen Sohn eines Zimmermanns, aufgezogen im Judenlande im Hause eines armen Weibes, einen Mann ohne Trabanten, ohne Schätze, der sogar als Verurteilter zwischen Räubern gestorben war und viel sonstige Schmach gelitten hatte. Es war anzunehmen, daß sie sich von Scham würden übermannen lassen, da sie noch nichts wußten von den sonstigen erhabenen Geheimnissen des Christentums. Darum sagt er: „Ich schäme mich nicht“, und will damit jene lehren, sich zunächst nur nicht zu schämen. Er wußte wohl, daß sie bald, wenn sie nur einmal auf den rechten Weg gebracht wären, dazu kommen würden, sich sogar zu rühmen. — Auch du schäme dich nicht, wenn du jemanden sagen hörst: Den Gekreuzigten betest du an? Schlage nicht die Augen nieder, sondern rühme dich freudig und lege das Bekenntnis ab mit freiem Blick und offener Stirn. Er, wenn er wieder fragt: Den Gekreuzigten betest du an? so antworte ihm: Ja, aber doch keinen Ehebrecher, doch keinen Vatermörder, doch keinen Kindesmörder — denn das sind ihre Götter alle —, sondern den, der durch das Kreuz die Dämonen verstummen und ihre tausenderlei Blendwerke zunichte gemacht hat. Das Kreuz, um unseretwillen getragen, ist ja ein Werk der unaussprechlichen Liebe Gottes zu uns Menschen, ein Zeichen seiner überschwenglichen Erbarmung. Zu denen, die mit ihrer Wortkunst prahlen und mit ihrer Weltweisheit groß tun, spricht Paulus: Ich habe es längst aufgegeben, Schlüsse zu künsteln, ich predige fortan das Kreuz und schäme mich dessen nicht. Denn.

       „eine Kraft Gottes ist es zum Heile.“

      — Es gibt nämlich auch eine Kraft Gottes zur Strafe; diese ist gemeint, wenn es von der Bestrafung der Ägypter heißt: „Das ist meine gewaltige Kraft.“ Auch eine Kraft Gottes zum Verderben gibt es; von dieser heißt es: „Fürchtet den, der Leib und Seele ins Verderben stürzen kann“ 50. Darum sagt er: Nicht dergleichen bringe ich, nichts von Strafe und nichts von Rache, sondern nur Heil. Doch was? Kündigt denn das Evangelium nicht auch solche Dinge an? Ist nicht darin auch die Rede von der „Hölle“ 51, der „äußersten Finsternis“ 52, dem „giftigen Wurm“? 53) Denn nirgend anderswoher als aus dem Evangelium haben wir Kenntnis davon. Wie kann er also sagen, er sei eine Kraft Gottes zum Heile? Doch höre, was folgt:

       „Für einen jeden, der daran glaubt, für den Juden zuerst und dann für den Griechen.“

      — Also nicht für alle einfachhin, sondern für alle, die es einnehmen. Du magst deshalb ein Heide gewesen sein, voll jeglicher Bosheit, du magst ein Skythe, ein Barbar, ja du magst wie ein wildes Tier gewesen sein, so ganz ohne Vernunft und voller Laster, hast du einmal das Wort vom Kreuze angenommen und bist du getauft worden, so hast du das alles ausgelöscht. — Warum heißt es hier aber: „Für den Juden zuerst und dann für den Griechen“? Was soll diese Unterscheidung? Sonst hat er ja öfter gesagt, daß weder Vorhaut noch Beschneidung etwas gilt. Warum macht er hier einen Unterschied und setzt den Juden vor den Griechen? Was soll das heißen? Jedenfalls nicht, daß der Jude, weil er voran steht, mehr Gnade empfängt; denn diese wird dem einen wie dem andern in gleichem Maße zuteil. Das „Zuerst“ besagt nur einen Vorzug in der Aufeinanderfolge. Nicht ein größeres Maß von Gerechtigkeit empfängt der, von dem es heißt, daß er „zuerst“ empfängt, sondern seine Auszeichnung besteht darin, daß er als erster der Reihenfolge nach empfängt. So ist es ja auch bei den „zu Erleuchtenden“ 54 — ihr Eingeweihten wißt, was das heißt —; sie eilen alle der Taufe zu, aber nicht alle kommen in derselben Stunde daran, sondern der eine als erster, der andere als zweiter. Der als erster daran kommt, empfängt nicht mehr als der zweite, und dieser nicht mehr als der, welcher nach ihm kommt, sondern alle genießen dasselbe. Das „Zuerst“ besagt also hier nur ein Voraussein im Genanntwerden, nicht aber ein Mehr an Gnade!

      Nachdem er gesagt hat: „zum Heile“, hebt er den Wert des Geschenkes noch mehr hervor, indem er zeigt, daß es sich nicht bloß auf die Gegenwart beziehe, sondern es noch weiter reiche. Dies drückt er aus, indem er sagt:

       V. 17: „Denn Gerechtigkeit Gottes offenbart sich darin aus dem Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte wird leben aus dem Glauben.“

      Wer gerechtfertigt ist, wird nämlich nicht bloß im Diesseits leben, sondern auch im Jenseits. Doch nicht allein das, sondern noch etwas anderes deutet er damit an, nämlich den Glanz und die Herrlichkeit eines solchen Lebens. Es gibt auch ein Heilbleiben, das mit Schande verbunden ist, so z. B. bleiben manche heil, weil ihnen durch die Gnade des Königs ihre Strafe nachgesehen wird. Damit nun niemand so etwas vermute, wenn er von Heil hört, fügt der Apostel hinzu: „Gerechtigkeit“, und zwar nicht deine Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit Gottes; er deutet zugleich damit an, daß diese reich bemessen und leicht erteilt werde. Du brauchst sie nicht durch Schweiß und Anstrengung zu erwerben, sondern als Geschenk von oben wird sie dir zuteil, wenn du nur eines mitbringst: den Glauben. Weil aber eine solche Lehre kaum glaublich erscheint, nämlich daß auch der Ehebrecher und Wollüstige, der Grabschänder und Zauberer mit einem Male nicht bloß seiner Strafe ledig, sondern auch ein Gerechter wird, und zwar ein Gerechter im höchsten Sinne des Wortes, so bekräftigt er seine Lehre mit einem Hinweis auf den Alten Bund. Durch eine kurze Andeutung breitet er vor dem geistigen Auge dessen, der zu schauen vermag 55, ein unermeßliches Meer von Beispielen aus. Nachdem er nämlich gesagt hat: „Aus dem Glauben zum Glauben“, verweist er die Zuhörer zurück auf jene Beispiele von Menschen im Alten Testamente, die Gott zum Heile geführt hat, wie im Hebräerbriefe mit großer Weisheit ausgeführt ist, und zeigt, daß auch damals Gerechte und Sünder ohne Unterschied gerechtfertigt worden seien. Dort hat der Apostel Rahab und Abraham