Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola. Ute Jäckle

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Название Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola
Автор произведения Ute Jäckle
Жанр Языкознание
Серия Liebeschaos
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903130517



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Unterhaltung über Anatomie.«

      »Ist schon okay«, knickte Marga ein und warf ihren Kuli auf den Block. »Dafür hab ich Mittwoch frei.«

      »Das ist nicht dein Ernst.« Ich vergaß mein Drehbuch und redete drauflos. »Er quatscht dir unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dein freies Wochenende ab, damit er sich in den Clubs mit irgendwelchen Weibern amüsieren kann, und du sagst halb so schlimm?« Mein Mund stand offen, ich fasste es nicht. »Wozu werden denn die Dienstpläne gemacht? Wieso denkt er, die gelten nicht für ihn?« Ich hatte fast schon vergessen, dass er im Türrahmen stand und redete mich weiter in Rage. »Und er hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Ganz selbstverständlich geht Mr. Alles-dreht-sich-nur-um-mich davon aus, dass wir nur dazu da sind, ihm sein Leben zu erleichtern. Auch wir haben gern am Wochenende frei, selbst wenn das nicht in sein ichbezogenes Weltbild passt. Andere verarschen, nur um einen Vorteil für sich selbst rauszuschlagen, ist echt das Letzte.« Kurz überlegte ich, ob ich noch einen Satz über allgemeine Charakterschwäche fallen lassen sollte, ließ es dann aber gut sein. Es war alles gesagt, sollte er doch zwischen den Zeilen deuten. Das Mindeste, was man von Nick jetzt erwarten konnte, war eine tränenreiche Entschuldigung mit dem Geloben von Besserung, und diese Einsicht hatte Marga nur meinen klaren und längst überfälligen Worten zu verdanken, zu denen sie selbst ja nicht fähig war. Ich hatte die Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war, offengelegt. Damit hatte ich sogar fast die Welt ein Stückweit besser gemacht.

      Nick zeigte keinerlei Anzeichen von Reue, im Gegenteil, mein zugegeben recht impulsiver Auftritt verfehlte seine Wirkung vollkommen. Er ignorierte mich. Ließ sich entweder rein äußerlich nicht anmerken, was in ihm vorging, oder war sich der begangenen Untat tatsächlich nicht bewusst.

      »Ich muss bei Herrn Koslowski noch mal Blut abnehmen, sein Zustand bereitet uns Sorgen, wir müssen ihn wahrscheinlich die nächsten Tage auf die Intensiv verlegen. Doktor Lehmann hat gesagt, ihr sollt mitkommen und zuschauen, dann könnt ihr das Blutabnehmen demnächst mal selbst probieren. Es ist nicht schwierig.«

      Okay, auf diese Art und Weise konnte man ein missliebiges Thema auch beenden. Nick könnte eine großartige Karriere in der Politik hinlegen.

      »Ich muss noch die Kissenbezüge wechseln«, sagte Marga und blinzelte.

      »Bitte, komm mit.« Nicks Blick wurde flehentlich. »Schau zu.«

      Ihre Lider flatterten. »Ich weiß nicht.«

      »Deine großmäulige Freundin ist doch auch dabei.« Er deutete auf mich. »Bitte, Marga«, flehte er noch einmal leise.

      »Hey«, sagte ich empört und stand schwungvoll auf. Immerhin hatte ich nur für Gerechtigkeit gesorgt und ich würde mich jetzt ganz bestimmt nicht vor ihm verkriechen. Ich hatte lediglich die Wahrheit ausgesprochen. Er war der Bösewicht in dieser Story und nicht wir!

      Energisch schnappte ich die bedrückte Marga bei der Hand und zog sie auf die Beine. »Schauen wir uns an, was der Held des Wochenendes zu bieten hat.«

      Nick trat beiseite und ließ uns zuerst durch die Tür gehen, er selbst folgte in zwei Schritten Abstand.

      Herr Koslowskis Anblick erschreckte mich, am Freitag hatte er nicht halb so schlecht ausgesehen. Seine Haut zeigte einen unnatürlichen Gelbstich, kraftlos und mit eingefallenen Wangen lag er im Bett. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch so schnell abbauen konnte. Hastig riss ich mich zusammen und schenkte ihm ein freundliches Lächeln, während Margas Laune noch immer auf dem Tiefpunkt verharrte. Mit hängenden Mundwinkeln starrte die Ärmste vor sich hin. Wahrscheinlich würde sich Nick eher die Zunge abbeißen, als eine simple Entschuldigung über die Lippen zu bringen.

      »Guten Morgen, Herr Koslowski. Na, gab es heute wieder die eklige Marmelade zum Frühstück?«, fragte ich.

      Er schüttelte den Kopf. »Morgen, Aida. Nichts mehr mit Marmelade, nur noch leichte Schonkost. Dagegen ist der normale Krankenhausfraß ein Fünf-Sterne-Menü.«

      Zwischenzeitlich bereitete Nick alles für die Blutabnahme vor, legte Kanülen, verpackte Nadeln und Desinfektionsmittel auf dem Nachttisch ab.

      »Wir nehmen heute noch einmal Blut ab, Herr Koslowski«, sagte er und kramte ein paar sterile Handschuhe aus der Box, die bei den Sachen stand.

      »Bringt doch sowieso alles nichts mehr, Junge.« Herr Koslowski winkte ab. »Wenn die Leber hin ist, ist sie hin. Der Krebs frisst mich auf.«

      »Sie stehen auf der Transplantationsliste, so schnell werden Sie doch nicht aufgeben wollen.« Nick lächelte.

      »Wofür soll ich denn noch leben?« In den Augen des Patienten schimmerten Tränen. »Meine Frau ist vor drei Jahren gestorben, Kinder hab ich keine und nicht mal den Hund haben sie mir gelassen. Ist in München im Tierheim geblieben, wo er jetzt versauert, weil sich kein Mensch um ihn kümmert.«

      »Man sorgt sich dort bestimmt liebevoll um ihn«, sagte ich in dem verzweifelten Versuch, ihn ein wenig aufzumuntern. Herr Koslowski tat mir so leid.

      »Aber Familie hat er keine mehr.« Herr Koslowski schniefte. »Genauso wie ich. Hat doch alles keinen Sinn.« Er drehte den Kopf und sah hoch zu Nick. »Nimm dein verdammtes Blut und dann verschwindet, was interessiert es euch schon, wie es mir geht.«

      »Ich habe in der Krankenakte gesehen, dass Sie heute Geburtstag haben«, erwiderte Nick ruhig, »darf man Ihnen trotzdem gratulieren?«

      »Nein, darf man nicht«, brummte Herr Koslowski. »Ist ohnehin mein letzter und das ist auch gut so. Wenn man nicht mehr leben will, dann müsst ihr Ärzte das halt akzeptieren.«

      »Tun wir«, versicherte Nick. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn Aida Ihnen heute Blut abnimmt?«

      Ich zuckte erschrocken zusammen. »Was?«, hauchte ich.

      »Du hast doch letztes Mal zugesehen, wie es geht.« Nick blickte mich durchdringend an.

      Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. »Ja, schon, aber ich habe es noch nie selbst gemacht.«

      Nick zuckte mit den Schultern. »Einmal ist immer das erste Mal, ich bin ja dabei.«

      »Was er damit sagen will, Mädchen«, mischte sich Herr Koslowski ein, »mit mir geht es dermaßen bergab, dass es egal ist, wie Sie stechen.«

      »Das wollte ich nicht damit sagen.« Nick schüttelte den Kopf.

      »Ja, mach, Mädchen. Dann bin ich wenigstens noch zu was nutze. Lerne an mir.«

      »Sind Sie sicher?«, fragte ich mit zittriger Stimme.

      »Du führst keine Lebertransplantation durch«, raunte Nick. »Du nimmst ihm nur ein bisschen Blut ab.«

      Dieser Kerl konnte einfach nicht aus seiner Haut. Okay, wenn er darauf bestand. Ich musterte leicht verunsichert die Kanülen. Marga stand einfach nur traurig da, während Nick ihr immer wieder einen prüfenden Blick zuwarf. Tja, dein Werk, Junge.

      »Weißt du noch, wie man das macht?«, fragte er auf die Utensilien deutend.

      »Ein bisschen«, gab ich zu, Nervosität machte sich in mir breit und brachte meine Finger zum Zittern.

      Er reichte mir den schmalen blauen Venenstauer. »Zuerst staust du das Blut. Herr Koslowski macht dann eine Faust.«

      Nachdem ich den Gurt am Oberarm festgezurrt hatte, starrte ich auf die Armbeuge des Patienten, die Haut färbte sich rötlich.

      Nick beugte sich so nah zu mir, dass seine Körperwärme auf mich abstrahlte, was einen wahren Bienenschwarm in meinem Magen Sturm fliegen ließ. Warum hatte er nur immer diese Wirkung auf mich? Dazu noch ausgerechnet jetzt, wo ich mich konzentrieren musste. Ich ertrug seine Nähe kaum.

      »Jetzt musst du die Vene ertasten.« Seine Stimme klang dunkel und rau, floss langsam durch mich hindurch wie warmer Sirup. Eine einzige Folter. »Mach das am besten, bevor du die Handschuhe anziehst, dann hast du mehr Gefühl in den Fingern.«

      Ich tastete die Armbeuge ab, bevor ich sachte mit der Fingerkuppe klopfte. Die feinen Härchen an meinem