Große Errungenschaften der Antike. Holger Sonnabend

Читать онлайн.
Название Große Errungenschaften der Antike
Автор произведения Holger Sonnabend
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843806527



Скачать книгу

oder PKW überquert, muss befürchten, dass diese Tat mit einem Einsturz bestraft wird. Auch nach 2000 Jahren sind römische Brücken stabil und zeugen auf diese Weise eindrucksvoll von der Ingenieurleistung der Erbauer.

       Brücken im Orient

      Die Römer waren die ungekrönten Meister des Brückenbaus, nicht aber dessen Erfinder. Die Suche nach den Anfängen technischer Innovation führt, wie so häufig, in das alte Ägypten und nach Mesopotamien. Auch die Ägypter kannten bereits Brücken aus Stein, verwendeten dieses Material aber vor allem deswegen, weil Holz im Nilland Mangelware war. Die älteste erhaltene Brücke geht auf den Pharao Chephren (Mitte 3. Jahrtausend v. Chr.) zurück, der sich in Ägypten auch durch eine der berühmten Pyramiden von Gizeh verewigt hat. In Mesopotamien fand eine Brücke über den Euphrat Bewunderung, die wahrscheinlich unter Nebukadnezar II. (605– 562 v. Chr.) entstand. Sie war 126 Meter lang, bis zu 15 Meter breit und stand auf acht Pfeilern in der Form eines Schiffsrumpfes. Und auch die frühen Griechen können mit einigen beachtlichen Brücken aufwarten. Aus mykenischer Zeit, das heißt also aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr., sind zahlreiche Brücken bekannt, die überwiegend in der sogenannten Kragsteintechnik konstruiert wurden: Die Steine wurden versetzt angelegt, so dass ein Steinblock jeweils etwas über den direkt darunter befindlichen herausragte. Diese Technik stellte einen gewissen Fortschritt gegenüber der Balkentechnik dar, die man als die historisch früheste Form ansehen kann. Dabei diente ein waagerecht verlegter Balken aus Holz oder Stein als Stützmaterial.

       Ein selbstbewusster Herrscher

      Einige der spektakulärsten Brücken der Antike wurden allerdings nicht für den dauerhaften Gebrauch gebaut. Sie dienten dem Zweck der einmaligen Überquerung eines Wasserweges. Meist war dies bei militärischen Unternehmungen der Fall, wenn es galt, ein großes Heer überzusetzen. Maßstäbe hat hier der persische Großkönig Dareios I. gesetzt. 522 v. Chr. wurde der Spross der ruhmreichen Familie der Achämeniden Herrscher über das große Perserreich. Wer heute in den Iran reist, kann sich in der Nähe des antiken Ekbatana, bei dem Berg Bisutun, vom Selbstverständnis dieses Monarchen überzeugen. Dort hat der König in eine 60 Meter hohe Felswand eine monumentale Inschrift samt Reliefs hauen lassen, die ihn als den über seine internen und externen Widersacher siegreichen Herrscher porträtieren. Die Inschrift wiederum dokumentiert in stolzen Worten die Einzigartigkeit des Dareios, seine Gerechtigkeit und seine Fähigkeiten als Krieger.

       Dareios und der Bosporus

      All diese Qualitäten waren wohl nicht fehl am Platz, als Dareios im Jahre 513 v. Chr. einen Feldzug gegen die Skythen startete, ein Nomadenvolk im südrussischen Raum. Das natürliche Hindernis, das sich ihm und seiner Armee entgegenstellte, war der Bosporus, jene schmale Meerenge zwischen dem Schwarzem Meer und dem Marmarameer. An seiner schmalsten Stelle ist der Bosporus (ein Name, den die Griechen als »Rinderfurt« deuteten) etwa 550 Meter breit. Das ist auf der Höhe der Festung Rumeli Hisar, die die Türken kurz vor der Eroberung von Konstantinopel 1453 errichteten, um die Kontrolle über die Meerenge zu gewinnen. An dieser Stelle wollte Dareios seine Armee auf das europäische Ufer übersetzen. Eine feste Brücke zu bauen, war aus einsichtigen Gründen nicht ratsam. Also entschloss sich der Perser, eine Schiffsbrücke anzulegen. Zu diesem Zweck wurden eine Anzahl von Schiffen nebeneinander verankert und eine Fahrbahn darüber gelegt. Auf diese Weise konnte das Heer des Dareios bequem über die Meerenge spazieren.

       Ein genialer Ingenieur

      Eine solche Pontonbrücke zu errichten, bedurfte großen technischen Sachverstands. Dareios hatte das Glück, in seinen Diensten den aus Samos stammenden griechischen Ingenieur Mandrokles zu haben. Ihm gebührt der eigentliche Ruhm bei der Konstruktion der legendär gewordenen Schiffsbrücke über den Bosporus. Jedoch trat, wie so häufig in der Geschichte, das Verdienst des Architekten hinter dem des Auftraggebers zurück. Dennoch kam Mandrokles nicht zu kurz. Dareios war, wie der griechische Historiker Herodot berichtet, »mit der Brücke sehr zufrieden« und stattete Mandrokles reich mit Geschenken aus. Und der patente Samier tat ein Übriges, um seinen Anteil am Gelingen des Unternehmens der Menschheit vor Augen zu führen. Von dem größten Teil der Gaben des Dareios ließ er ein Gemälde anfertigen, das den Marsch der Perser über die Brücke zeigte, wohlwollend beobachtet von einem am Ufer thronenden Dareios. Das Kunstwerk stiftete Mandrokles dem Heiligtum der Hera in seiner Heimat Samos. Dazu ließ er eine Inschrift anbringen, die in bilderreicher Sprache den Vorgang dokumentierte: »Mandrokles band den fischreichen Bosporus mit einer Brücke, zur Erinnerung an den Bau weihte er der Hera dieses Bild. Für sich selbst gewann er den Kranz, für die Samier Nachruhm, weil ihm das Werk nach dem Sinn des Königs Dareios gelang.«

       Die Schiffsbrücke des Xerxes

      Vom Heratempel auf Samos ist heute so gut wie nichts mehr erhalten. Demzufolge gibt es auch keine Spur mehr von dem Gemälde des Mandrokles. Einen sehr anschaulichen Eindruck von der technischen Vorgehensweise der Perser beim Bau einer Schiffsbrücke vermittelt aber ein Bericht Herodots über ein vergleichbares Unternehmen, das Dareios’ Nachfolger Xerxes im Jahre 480 v. Chr. in Angriff nahm. An der Spitze eines riesigen Invasionsheeres, mit dem er Griechenland in seine Gewalt bringen wollte, erreichte der Perserkönig, von Kleinasien kommend, die Dardanellen, die die Griechen Hellespont nannten. Für den Übergang wählte er die schmalste Stelle der Meerenge aus, bei der Stadt Abydos, wo der Hellespont aber immerhin auch noch etwa 1200 Meter breit ist. Zunächst stand das Unternehmen unter keinem guten Stern. Eine mühsam aufgebaute Schiffsbrücke wurde von einem Sturm zerstört. Xerxes soll dies nach griechischen Berichten als eine persönliche Beleidigung angesehen haben, und er ließ das an dem Desaster eigentlich unschuldige Meer mit 300 Peitschenhieben bestrafen. Da er auch menschliches Versagen nicht ausschließen wollte, wurden, um bei der Fehlersuche ganz sicher zu gehen, die verantwortlichen Ingenieure geköpft.

      Im zweiten Anlauf gelang das Unternehmen, wohl auch deswegen, weil die jetzt beauftragten Architekten, das Schicksal ihrer unglücklichen Vorgänger vor Augen, sich besonders anstrengten. Herodot war von dem Meisterwerk so angetan, dass er eine detaillierte Beschreibung geliefert hat. Zusammengestellt wurden demnach Fünfzigruderer und Dreiruderer, zum Schwarzen Meer hin 360 an der Zahl, in die andere Richtung 314. Die ersteren wurden schräg positioniert, die letzteren in Richtung der Strömung des Hellespont, um die Spannung der Tragseile zu gewährleisten. Gewaltige Anker sorgten für die Haltbarkeit der Konstruktion, wobei besondere Rücksicht auf die Windverhältnisse genommen wurde. Um mit den Dimensionen der Schiffsbrücke nicht den gesamten Verkehr im Hellespont lahmzulegen, ließ man zwischen den Fünfzigruderern und den Dreiruderern genügend Platz zum Passieren für kleinere Schiffe. Mit Hilfe hölzerner Winden wurden die Taue nun von Land aus straff gespannt. Schließlich musste eine Plattform für den Übergang des Heeres über die Schiffe hergestellt werden. Dazu wurden Baumstämme zersägt, über die Seile gelegt und miteinander verbunden. Darüber setzte man Holzbretter. Perfektioniert wurde der Weg über die Schiffsbrücke durch festgestampfte Erde. Und da man wirklich an alles dachte, legte man noch an beiden Seiten Geländer an – nicht, weil man fürchtete, die Soldaten würden ins Wasser fallen, sondern um zu verhindern, dass das mitgeführte Zugvieh und die Pferde beim Anblick des Meeres scheuen würden.

       Brückeneinweihung als Spektakel

      Über ein solch technisches Kunstwerk ging man nicht einfach nur hinüber. Ein Herrscher wie Xerxes machte daraus eine Inszenierung. Bei Sonnenaufgang veranstaltete er einige Opferhandlungen und betete schließlich zur Sonne mit dem frommen Wunsch, nichts möge ihn an der Eroberung Europas hindern. Der Hellespont selbst blieb diesmal von Peitschenhieben verschont, stattdessen empfing er als Opfergaben eine goldene Schale, einen goldenen Mischkrug und ein persisches Schwert. Der sich anschließende Marsch über die Brücke vollzog sich streng nach Protokoll: Fußsoldaten und Reiter nahmen den Weg über jenen Teil der Brücke, die dem Schwarzen Meer zugewandt war, Tross und Dienerschaft spazierten über die zur Ägäis ausgerichtete Seite. Sieben Tage und sieben Nächte dauerte