Charlys Sommer. Anett Theisen

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Название Charlys Sommer
Автор произведения Anett Theisen
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783960148241



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gar nichts mehr’, dachte er.

      Sie seufzte und holte tief Luft. „Ich will im Augenblick niemanden, der mich bindet.“ Sie beugte sich vor und sah ihm eindringlich in die Augen. Die Wirkung verpuffte durch den gleichzeitigen tiefen Ausblick in ihr Dekolleté.

      „Dich nicht. Und Gereon nicht. – Auch sonst niemanden“, fügte sie mit wegwerfender Handbewegung an. „Ich bin für – fast – alles zu haben. – Wenn du damit klarkommst. Sonst lassen wir es lieber“, setzte sie nach einem Augenblick der Überlegung hinzu, lehnte sich wieder zurück und widmete sich ihrem Kaffee.

      Er musterte sie aus schmalen Augen. ‚Plausibel so weit. Die vorletzten beiden Sätze wiederum lassen eine Menge offen. Teilen kann ich, mit Gereon allemal. Und vielleicht …’ Er würgte den aufkeimenden Gedanken ab. ‚Das hier ist Sex. Sehr schöner Sex. Mehr, als ich die letzten Jahre hatte. Warum irgendetwas überstürzen?’, fragte er sich. ‚Ich will es. Sie will es. Das reicht.’

      Sie wartete geduldig auf seine Antwort.

      ‚Nein’, korrigierte er sich. ‚Nicht geduldig, auch wenn sie es gut verbirgt.’ – „Nachvollziehbar.“ Er löste seine angespannte Haltung und griff nach seinem Kaffee. „Prinzipiell habe ich damit kein Problem“, hörte er sich sagen. „Motorradfahren mit Bettoption ohne sonstige Verpflichtung bekommt man nicht jeden Tag angeboten“, grinste er frech, „und das ‚ – fast – alles’ interessiert mich.“

      Sie verschluckte sich an ihrem Kaffee und hustete. Ihre Wangen färbten sich rot und sie mied seinen Blick. Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Der Kaffee war überraschend stark. Ein weiterer Pluspunkt für sie.

      Nach seinen deutlichen Worten breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus und etwas unbehaglich standen sie sich gegenüber, als im Flur Charlys Handy klingelte.

      She’s Got Nothing On (But the Radio) – Roxette

      Charly war aus der Küche geflitzt, kurz darauf ertönte ein atemloses “Hi Dad”, und sie kehrte mit dem Handy am Ohr zurück. “Weder noch”, sagte sie gerade, “Hab doch Urlaub.” Sie machte eine betretene Miene. “Alles ok, Dad. Hab’s vergessen. Tut mir leid. Ich weiß ja, dass du dich sorgst.”

      “Sachsenring? Immer doch! Was hast du für mich? Und wann überhaupt?”

      „Dienstag geht, dann nehme ich noch zwei Tage Urlaub. Kein Akt.“ Sie lauschte konzentriert, streifte ihn mit einem nachdenklichen Blick. „Kann noch jemand mitkommen?“

      „Ok, geht klar. Bis später. Bye, Dad.“

      ‚Vergiss es, Rennstrecken sind nicht mein Ding’, dachte er. ‚Falls du überhaupt an mich gedacht hast bei dieser Frage.’

      Sie legte auf. Zog ein Blatt Papier und einen Stift aus einer der Schubladen und schrieb einige Stichpunkte auf. Gerade, als sie sich ihm zuwandte, klingelte das Handy noch einmal. „Melli, was gibt’s?“, meldete sie sich kurz angebunden. „Klettern darf ich noch nicht, sichern kann ich dich, wann und wo?“

      „Ja, see you. – Moment, Melli? Bist du noch dran? Kommenden Dienstag, Sachsenring, wie immer?“

      „Ok, see you.“ Sie ergänzte ihre Liste um einen Punkt.

      Das Handy klingelte wieder.

      „Was ist denn heute los?“, wunderte sie sich, schaute aufs Display, vermied es, ihn anzusehen und zögerte einen Augenblick, bevor sie das Gespräch annahm. „Hi.“

      Aus der Antwort erkannte er die Stimme seines Freundes, auch wenn er keine Wörter ausmachen konnte.

      Charly lachte. „Dafür müssen Sie früher anrufen.“

      ‚Interessant. Sie siezt sich mit Gereon’, dachte er. Ihm fiel dessen Zettel ein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der selber darauf kam, wer sie war. Hoffentlich verstrickte sie sich nicht zu sehr in ihr Versteckspiel. Auch wenn Gereon so was liebte. ‚Nun, immerhin weiß ich, dass sie mir gegenüber mit offenen Karten spielt. Das ist viel wert.’

      „Ja, danke der Nachfrage, ich bin gut nach Hause gekommen“, sagte sie mit einem Seitenblick auf ihn.

      Ihr war es sichtlich unangenehm, dass er sie bei diesem Gespräch beobachtete und mithörte. Er konnte sich ein diabolisches Lächeln nicht verkneifen.

      „Ich weiß nicht“, sagte sie eben und zuckte unschlüssig die Schultern.

      Ihr Handy gab eine Reihe von Pieptönen von sich, sie entschuldigte sich und sah einige Nachrichten an, bat Gereon dann, ob er sie später noch einmal anrufen würde und legte mit einem kurzen Gruß auf. Rief jemanden an; dem Gesprächsverlauf nach hatte ihr Vater einen Auftrag für sie. Sie verhandelte ein paar Minuten mit ihm und legte das Handy weg. „Alle verrückt geworden. – Wären wir bei Plan C“, kommentierte sie ihre Änderung auf ihrer Liste.

      „Plan C?“, fragte er amüsiert.

      Sie deutete an ihm vorbei auf eine Holztafel, die in geschwungenen Buchstaben verhieß: „If Plan A doesn’t work, the Alphabet has 25 more letters.“

      „Sieht nach einem durchgeplanten Vorgehen aus.“

      „Im Grunde ist es ganz einfach.“ Sie sah ihn an und lachte übermütig. „Plan A geht sowieso immer schief, deshalb ist Plan B: ‚Es gibt keinen Plan und irgendwie wird’s trotzdem’.“

      Er schmunzelte. „Damit kann man sich die restlichen 24 Buchstaben gleich ganz sparen.“

      „Oder man belegt sie schon mit verschiedenen Plänen, damit man hinterher genau sagen kann, was nicht funktioniert hat und welche Optionen offen bleiben.“

      „Meine Optionen sind im Moment jedenfalls recht eingeschränkt, und für die meisten brauche ich mein Hemd“, gab er zu bedenken.

      Das Handy klingelte wieder. Für einen Moment sah sie so aus, als wolle sie es aus dem Fenster werfen, nahm dann aber ab. Sie lauschte einem aufgeregten Wortschwall, zog dabei einen neuen Zettel aus der Schublade und füllte ihn in kurzer Zeit mit Daten und Ortsnamen.

      „Ich gleiche es mit meinen Plänen ab und melde mich dann. Vermutlich nicht vor morgen Abend. Ach, und alles zum üblichen Stundensatz sowie Auslagen für Anreise und Übernachtung und 75 Euro, wenn ich dir die Übernachtungskosten einspare, in Frankfurt zum Beispiel.“ Während sie der Antwort lauschte, verdrehte Charly die Augen. „Tja, Profis kosten nun mal Geld“, lachte sie dann. „Was das betrifft, bin ich ein sehr kostengünstiger Profi, das weißt du selber. Bye, Mam!“

      Sie hatte kaum aufgelegt, da klingelte es schon wieder. Es war Gereon. So, wie sie sich wand, schien er auf ein Wiedersehen zu drängen und sie wollte ihm nichts von sich preisgeben. Schließlich gab sie insofern nach, dass sie ihm erzählte, abends in Magdeburg zu sein. Dann beendete sie das Gespräch recht schnell und stützte sich nachdenklich auf die Arbeitsplatte. „Alle verrückt geworden. Sagte ich das schon?“ Sie blickte auf, ihre Augen fokussierten auf ihn und sie stutzte. „Du wolltest dein Hemd wiederhaben. Sorry.“

      Sie ließ es von den Schultern gleiten und reichte es ihm. Stand vor ihm. Nackt.

      Sein Herzschlag überschlug sich. Wie in Trance, den Blick unverwandt auf ihren schlanken Körper gerichtet, nahm er ihr sein Hemd aus der Hand. Sie trat an ihm vorbei über den Flur ins Bad und schnappte sich dort eine Jeans vom Boden, wobei sie ihm eine äußerst verführerische Rückansicht präsentierte. Zog die Jeans an ohne sich um Unterwäsche zu bekümmern. Mit einem gewissen Bedauern sah er zu, wie sie den Reißverschluss hochzog. Dann verschwand sie hinter der Tür, und als sie in sein Blickfeld zurückkehrte, trug sie bereits einen BH und hatte sich ein Hemd übergeworfen, an dem sie eine Handvoll Knöpfe schloss, die Zipfel nachlässig in den Bund der Jeans stopfte und ein mehr als großzügiges Dekolleté zur Schau stellte. Sie warf einen Blick in sein Gesicht und schloss noch einen Knopf mehr.

      Er fasste nach ihrem Handgelenk, zog sie an sich und küsste sie, fordernd. „Schade“, flüsterte er an ihrem Ohr. „Ich wollte noch die Erinnerungen der Nacht auffrischen.“ Seine Hände waren