Schwiegermutteralarm. Gisela Sachs

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Название Schwiegermutteralarm
Автор произведения Gisela Sachs
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526127



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ich den Tag rumkriegen soll, Olli« jammert meine Schwiegermutter, die seit ein paar Wochen in Rente ist. Dania ist schon in der Arbeit. Ich bin gerade auf dem Sprung in die Firma.

      Die heiß ersehnte Freiheit ist ihr zur Last geworden. Sie vermisst den täglichen Kontakt mit ihren Kolleginnen, der Kundschaft. Sie braucht das Gefühl, etwas geleistet zu haben, wenn der Tag zu Ende ist, meint sie. Was ich meinerseits sehr gut verstehen kann. Ich möchte auch nicht den lieben langen Tag sinnlos vor mich hindümpeln. Aber ich bin auch nicht für ihre Unterhaltung zuständig, wie ich meine.

      »Dann koch doch, Gisela. Putze. Wasche. Nähe etwas. Wie andere Frauen auch« schlage ich vor.

      »Wenn es Enkelkinderchen gäbe, dann wäre einiges anders« brummt sie missmutig.

      Sie stürzt sie sich in die Hausarbeit, wischt jeden Tag das ganze Haus nass heraus, überzieht jeden zweiten Tag die Betten, backt, kocht Mengen, die für eine ganze Fußballmannschaft reichen würde.

      »Seit sie in Rente ist, sieht es bei uns steriler aus als in einer Klinik. So richtig ungemütlich« beschwere ich mich bei meiner Ehefrau.

      »Du hast es so gewollt, Olli«

      »So nicht, Dani«

      »Dir kann man es nicht Recht machen, Olli«

      »Sprich bitte mit ihr. Mach ihr Vorschläge, Dani, die außer Haus stattfinden, sonst kriege ich den Vogel hier«

      Am nächsten Tag spricht Dania mit ihrer Mutter. Aber wie so oft kommt es anders als man denkt.

      »Die Einsamkeit und das Nichtgebrauchtwerden, das ist kaum auszuhalten, Dani«

      »Und wie wäre es mit einem Kurs an der Volkshochschule, Mami?«

      »Das sind doch nur alte Leute, Dani«

      Dania schlägt ihrer Mutter vor, sich ehrenamtlich zu betätigen, was sie aber strikt ablehnt.

      »Wenn es Enkelkinderchen gäbe, dann …

      Nach langem Zögern meldet Gisela sich doch für diverse Kurse an. Sie lernt backen ohne Mehl, kochen ohne Fleisch, Reifen wechseln, Wasserhähne reparieren. Sie erlernt den orientalischen Tanz, näht PatchworkDecken, töpfert Blumenvasen, erlernt Power-Yoga und absolviert einen Einsteigerkurs in die PC-Welt. Aber keiner der Kurse ist so wirklich ihr Ding.

      »Wenn es Enkelkinderchen gäbe, dann wäre so …

      Ich will mich gerade zu meinem Sonntagnachmittagsnickerchen zurückziehen, da macht Dania den Vorschlag aller Vorschläge. »Nimm die Mama doch mal mit auf den Fußballplatz, Ollischatz«

      Und das war es dann. Meiner Schwiegermutter gefällt es auf dem Sportplatz. Sehr sogar! Sie begleitet mich jetzt jeden Sonntag, während meine Oma mit meiner Ehefrau daheim auf dem Sofa sitzt und strickt. Meine Oma bringt meiner Süßen gerade bei, wie man Zopfmuster strickt. Und das kann dauern, wie meine Oma mir versicherte. Bei ihr hat es auch nicht auf Anhieb geklappt.

       11. Kapitel

      Europameisterqualifikation 2014/15. Heute spielt Deutschland gegen Polen und ich habe meine Fußballkumpels zu mir nach Hause eingeladen: Alex, Domi, Thomas, Adrian, Hebbe, Lutze, Martin, Mike, Bernd, Dennis und Dalibor, unseren Trainer. »Geschickt, dass das Spiel an einem Samstagabend stattfindet. Sehr geschickt sogar« meint meine Schwiegermutter. »Dann mache ich halt zwei, drei Schüsselchen Kartoffelsalat mehr«

      Bei uns gibt es jeden Samstagabend Kartoffelsalat und Würstchen, dazu Besenbrot. Gisela liebt Traditionen. Und Samstagabende sind für sie schon immer besondere Abende gewesen. »Der Abschluss für eine Arbeitswoche. Das Sich-Los-Lösen der Wochenpflicht. Raus aus dem Stress und Erfüllung der Muße. Familie genießen« meint sie.

      Ich hole unsere Festzeltgarnitur aus dem Keller, stelle sie im Wohnzimmer auf. Gisela poliert die Biergläser und Schnapsgläser, legt Deckchen auf den Tisch, verteilt Blümchen, brennt Lavendel-Duft-Teelichter an.

      »Treib‘s mal halb lang, Gisela. Wir sind doch nicht beim Kaffeeklatsch im Altenheim«

      Meine Schwiegermutter lacht laut auf: »Scherzkeks« Sie zündet ein Kerzchen nach dem anderen an.

      »Ich meine das ernst, Gisela. Räume deine albernen Deckchen und Blümchen ab«

      Ich werde laut. »Es ist mein Besuch. Männerbesuch«

      Ich reiße die Fenster auf: »Hier riecht es wie in einer Leichenhalle«

      »Lavendelduft beruhigt die Nerven, lässt die Seele aufatmen und das Herz frei werden! Aber wenn du lieber Orangenduftoder ApfelduftTeelichter haben willst, Olli? Ich habe auch noch Rosenduft-Teelichter und …

      Mein Hals wird eng und enger. »Deckchen weg, Gisela!« sage ich heiser.

      »Das wird ein Megasieg heute, Bub«

      »Wenn du da nur mal Recht hast« sage ich entnervt.

      »Du zweifelst doch nicht etwa an unserer Mannschaft, Olli?«

      »Die Polen spielen super, wie du weißt«

      »Deutschland hat noch nie gegen Polen verloren, das solltest du eigentlich wissen, Olli«

      Sie hockt den ganzen Abend lang bei uns, trinkt ein Pils nach dem anderen, dazwischen immer wieder ein Schnäpschen. Sie fiebert mit, feuert die Spieler an, schreit während des Spiels lauter als meine Kumpels. Dann springt sie auf, reißt ihren Stuhl mit um, klatscht sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Mein Gott, was war das doch wieder für eine Chancenverschwendung. Das ist doch nicht zu fassen! Ich frage mich nur, für was die lahmen Burschen so viel Geld einstreichen«

      Sie klopft dermaßen wütend mit der Faust auf den Tisch, als der Ball neben das Netz trifft, dass die Schnapsgläser hüpfen, grabscht nach ihrem Glas und kippt den Zwetschgenschnaps in einem Zug runter. Dann schnappt sie nach dem Glas von Hebbe, der neben ihr sitzt.

      »Wie man auch so mit seinen Chancen umgehen kann. Die spielen ja schlechter als die Feuerbacher F-Jugend«

      »Jetzt reg dich doch mal wieder ab«

      »Ist doch auch wahr, Olli«

      Urplötzlich fängt sie zu singen an, fuchtelt dabei wild mit den Armen, reißt sie in erschreckender Geschwindigkeit in die Höhe und lässt sie wieder fallen. »Auf geht‘s Deutschland, schieß ein Tor, schieß ein Tor«

      »Gisela« mahne ich. Die Jungs werfen sich belustigte Blicke zu.

      »Lang lebe König Fußball. Oheo, Oheo!« grölt Gisela. Sie schwebt mit der anmutigen Bewegung einer orientalischen Bauchtänzerin in die Küche, kocht Kaffee, serviert ihren schwäbischen Hefezopf mit Nussfüllung und Mandelsplittern obenauf. »Greift zu, Jungs«

      Und meine Fußballfreunde langen so zu, als hätten sie die ganze Woche über noch kein Krümele in ihre Mägen gebracht.

      »Gut, gell? Der Zopf muss einen Tag durchziehen, dann schmeckt er am besten. Deswegen backe ich ihn ja auch schon freitags. Wenn ihr das Rezept haben wollt? Also ihr nehmt 500 Gramm Mehl, am besten Type

      550. Einen Würfel Hefe, Trockenhefe geht aber auch, da müsst ihr dann aber zwei Päckchen nehmen, sonst wird das nichts und …

      »Gisela« mahne ich.

      »Is was, Olli?«

      Sie tobt. »2:0 für Polen. Das ist doch unglaublich! Ein torloses Spiel! So eine Schande aber auch! Ausgerechnet gegen Polen zu verlieren. Dieser Lewandowski, da war doch mal was mit der Vereinsführung von Borussia Dortmund? Und dieser Szozesny, der hat doch mal …

      »Jetzt gönn« den Polen doch mal einen Sieg gegen Deutschland, Gisela«

      Sie stürmt kopfschüttelnd vorbei an mir. »Gönnen. Gönnen. Wenn ich das Wort schon höre. Ich gönne jedem wirklich alles, aber hier geht es um Fußball, Olli«

      Sie verschwindet in der Küche, klappert mit Geschirr. Laut, wie alles, was sie tut.

      »Es