Papakind. Isolde Kakoschky

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Название Papakind
Автор произведения Isolde Kakoschky
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967525496



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Schule ab und zu Unterricht gehabt. Es reichte ihr, schon wieder neue Mitschüler zu haben. Da war sie froh, wenigstens die Lehrerin ein wenig zu kennen. Und schließlich war auch Frau Schulz hier neu, geteiltes Leid erschien ihr sprichwörtlich als halbes Leid.

      Heiner brachte Franzi bis vor ihren Klassenraum, schließlich kannte er sich hier aus. Franzi blieb noch einen Moment stehen und atmete tief durch, da kam Susanne die Treppe hoch.

      »Na dann stürzen wir uns mal ins Vergnügen!« Susanne war in mancher Hinsicht das ganze Gegenteil von Franziska. Sie war groß, kräftig, hatte kurze dunkle Haare, und sie war eine echte Frohnatur. Die beiden traten ein und sahen sich im Klassenraum um. Etwa die Hälfte der Plätze war bereits besetzt. Franzi erkannte die Mitschülerinnen aus ihrer vorigen Parallelklasse, und sogar Ronny, mit dem sie einstmals zusammen eingeschult wurde, war nun wieder in ihrer Klasse. Sie ließ sich neben Susanne auf einem Stuhl nieder.

      Mit dem Klingelzeichen füllte sich der Raum und auch Frau Schulz trat ein.

      »Guten Morgen und herzlich willkommen, Jugendfreunde!«, begrüßte sie ihre zukünftigen Schüler. »Ich bin Frau Schulz und werde die nächsten vier Jahre Ihre Klassenlehrerin sein. Wenn alles gut geht, was wir doch hoffen wollen, legen Sie dann das Abitur ab. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ich denke, dass wir uns gut verstehen wer-

      den, und wir werden sicher nicht nur Arbeit, sondern auch ein wenig Spaß haben in der Zeit hier an der Schule!«

      Franzi kam sich komisch vor. Die ungewohnte Anrede erklärte sie nun zwar auch in der Schule formell zu Erwachsenen, aber in ihrer Hilflosigkeit fühlte sie sich doch noch wie ein Kind.

      Nacheinander stellten sich jetzt die Mitschüler vor. Abgesehen von Susanne, Ronny und den Mädchen aus der alten Parallelklasse kamen alle anderen aus den umliegenden Dörfern. Ein paar waren die Woche über im Internat untergebracht, weil es in ihre Heimatorte keine gute Busverbindung gab oder sie einfach zu abgelegen wohnten, wie der Sohn vom Förster. Allen gemeinsam war, dass sie die Besten ihrer Klassen gewesen waren. Nun war die Konkurrenz um ein Vielfaches größer.

      In der Pause traf Franzi wieder auf Heiner. Hier schien es nichts Ungewöhnliches zu sein, wenn Jungs und Mädchen Hand in Hand beieinander standen. Zumindest gab es keine dummen Kommentare.

      Zu Hause wurde Heiner inzwischen als Franzis Freund akzeptiert. Die letzten Ferientage hatten sie meistens bei Franzi verbracht, hatten im Garten auf einer Decke gelegen, Musik aus dem Kofferradio gehört und sich auf die gemeinsame Schulzeit gefreut.

      Was Franzi gar nicht verstand war, dass sie nie zu Heiner durfte. Seine Eltern schienen sie nicht zu mögen, und das, obwohl sie Franzi doch gar nicht kannten. Heiner hatte ihr erzählt, dass er mal ein Gespräch seiner Eltern gehört hatte, in dem es um Franzis Familie gegangen war, so dachte er wenigstens. Seine Eltern hatten gesagt, dass etwas da nicht stimmen würde. Aber Franzi konnte sich das nicht erklären und meinte schließlich, Heiner müsse sich verhört haben.

      »Nächste Woche ist Schulfest«, verkündete Heiner die neueste Neuigkeit. »Das ist so eine Art Kennenlern Fete, ein bisschen wie Kindergarten, die Großen zeigen den Kleinen, wo es lang geht.« Franziska grinste. »Da habe ich aber Glück, dass ich meinen persönlichen Betreuer habe!«

      »Habt ihr schon einen Test geschrieben?« Heiner kannte den Ablauf des Schuljahres.

      »Ja, haben wir, in Mathe und Englisch.« Franzi blickte unzufrieden.

      »Und, wie war´s?«, drängte Heiner sie zu einer Antwort.

      »Es ging so, gerade noch ‚gut’ in beiden Fächern.« Franzi war wirklich nicht zufrieden mit sich.

      »Hast du geglaubt, die Einsen fliegen dir weiter so zu?« Heiner sprach aus Erfahrung. »Hier liegt die Latte höher, hier wird mehr verlangt, aber man gewöhnt sich dran.«

      Die festlich geschmückte Aula empfing die Schüler schon von Weitem mit den Klängen einer Tanzkapelle. Bowle und Cocktails wurden ausgeschenkt und an einem Büffet gab es belegte Brötchen.

      »Wollen wir tanzen?« Franzi hatte immer Spaß daran, sich zu Musik zu bewegen. Sie brauchte keinen Tanzkurs dafür, sie spürte den Rhythmus und ließ ihn einfach in die Beine übergehen.

      »Ich habe keine Lust auf das Gehopse.« Heiner drehte sich wieder zu einem Freund um, mit dem er gerade erzählt hatte. Franzi war enttäuscht. Nun waren sie zum ersten Mal gemeinsam zum Schulfest und nicht einmal tanzen wollte Heiner. Sie holte sich noch eine Erdbeerbowle und knabberte an einem Käsebrötchen. Sie beobachtete Heiner aus den Augenwinkeln und wurde immer wütender.

      »Kommst du jetzt mit tanzen oder nicht?«, stellte sie ihn vor die Wahl. Heiner war genervt. »Lass mich in Ruhe, ich will das nicht!«

      »Dann suche ich mir einen anderen Tänzer!« Franzi wollte ihn unter Druck setzen.

      »Na und, mach doch, dann gehe ich eben!« Mit diesen Worten drehte sich Heiner um und ging in Richtung Tür. Franzi sah ihm nach. Er ging, er ging wirklich, sie konnte es nicht fassen. Eine Träne rann über ihre Wange.

      Ein paar Minuten stand sie so, dann lief sie ihm hinterher. Draußen vor der Tür sah sie nach rechts und links, doch nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. »Heiner!«, flüsterte sie leise. Er hatte sie einfach verlassen.

      »Franziska, was ist los?« Ronny hatte sie raus rennen sehen und wartete nun im Treppenhaus auf sie. Sie kannten sich seit der Sandkiste. Ronny strich Franzi über die Wangen und wischte die Tränen weg. Er erwartete keine Antwort.

      »Komm, wir tanzen!«, forderte er sie auf. Franzi ließ sich von Ronny auf die Tanzfläche ziehen und gab sich den Klängen der Musik hin. Doch wirklich genießen konnte sie es nicht.

      »Danke Ronny, das war nett von dir«, sah sie den Mitschüler an. »Aber ich werde lieber heim gehen, ich bin wohl nicht mehr die beste Gesellschaft heute Abend.«

      Franziska ließ sich den Herbstwind um die Nase wehen. Er trug noch ein paar Klänge der Tanzkapelle zu ihr hin: »Morgen früh, da lachst du schon wieder…«

      »Alles Gute zum Geburtstag!« Heiner stand mit einem in Geschenkpapier eingewickelten Päckchen vor der Schule. Bestimmt was Süßes, mutmaßte Franziska. Der Streit vom Abend beim Schulfest war von Heiner danach mit keiner Silbe mehr erwähnte worden. Und auch Franzi wollte nicht ständig darüber grübeln.

      »Mensch, wenn es der nicht ist, kommt irgendwann ein anderer«, hatte Susanne ihr versucht, ins Gewissen zu reden. »Wir sind 15, nicht 50. Wir haben doch noch so viel Zeit.«

      Heute jedenfalls wurde gefeiert. Die Mutter hatte eine Torte gebacken und erlaubte den jungen Leuten ein Glas Sekt mit Fruchtsaft. Heiner saß mit Alex auf dem Sofa, während die jungen Mädchen zu Schallplattenmusik tanzten. Die Platte war ein Geburtstagsgeschenk vom Vati gewesen. Bisher gab es nur Platten mit klassischer Musik bei Franzi zu Hause. Nun klang Schlagermusik durch das Haus.

      »Bei euch geht es ja heiß her!« Der Vater steckte den Kopf zur Tür herein.

      »Komm rein, Vati! Die Platte ist super!« Franzi zog ihren Vater ins Zimmer.

      »Darf ich denn auch mal mit meiner Tochter tanzen?« Er sah zu Franzi und breitete die Arme aus. Sie lächelte, ging auf ihren Vati zu und schmiegte sich eng an seine Brust. So wollte sie tanzen, so wollte sie leben, geliebt von einem Mann, ohne wenn und aber. Sie war seine Seele, sie war sein Fleisch und sein Blut, sie war sein geliebtes Papakind!

      Der erste Schnee war gefallen. Heiner wartete auf Franziska vor der Schule. »Franzi, ich muss dir was sagen.« Franzi sah ihn an. War das jetzt gut oder schlecht? Heiner sprach weiter. »Ich werde einen Tanzkurs machen.« Gut oder schlecht? Das war nicht gut.

      »Mit wem denn?« Fassungslos sah Franzi ihren Freund an. Konnte er nicht warten, bis sie im nächsten Jahr auch am Tanzkurs teilnahm?

      »Mit einer Klassenkameradin, du kennst sie nicht.«

      Franziskas Mine verfinsterte sich. »Das kannst du doch nicht machen!« Sie spürte, dass sie wütend wurde, wütend und hilflos zugleich. So fühlte sich Eifersucht