Название | Emanuel Schaffer |
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Автор произведения | Lorenz Peiffer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783730705698 |
Der Pakt mit Stalin hatte es Hitler ermöglicht, ohne Angst vor einer zweiten Front die Beneluxstaaten zu überfallen und zu besetzen sowie in Frankreich und in Teilen Skandinaviens einzumarschieren. Die Sowjetunion erweiterte ihr Einflussgebiet durch die Eroberung und Besetzung des Baltikums, Bessarabiens und der Nord-Bukowina. Hitler war der Überzeugung, dass sich der Kampf um die Hegemonie über Europa jedoch nicht im Krieg gegen die Westmächte entscheiden würde, sondern im „Krieg um den Lebensraum“ gegen die Sowjetunion. Am 18. Dezember 1940 wies er in seiner „Weisung 21“ die deutsche Militärführung an: „Die deutsche Wehrmacht muss darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa)“.36 Der geplante Krieg gegen die Sowjetunion war für Hitler von Beginn an ein rassenideologisch motivierter „Vernichtungskrieg“, wie er in einer Geheimrede am 30. März 1941 den 250 anwesenden Generälen, die die rund drei Millionen Soldaten des Ostheeres befehligen sollten, deutlich machte. Unmittelbar vor dem Angriff auf die Sowjetunion wurden die Soldaten mit einem „Kommissarsbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht“ auf die Kriegsführung im Osten ideologisch eingestimmt. Danach verlange der Kampf gegen den Bolschewismus „als Todfeind des nationalsozialistischen Volkes“ ein „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen“ und die „restlose Beseitigung jedes aktiven und passiven Widerstandes“. Da im NS-Sprachgebrauch „Bolschewist“ und „Jude“ auswechselbar waren, bezogen sich diese Verhaltensrichtlinien quasi automatisch auch auf den „Kampf“ gegen Juden.37
Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht „mit 153 Divisionen in drei Heeresgruppen, das waren drei Millionen Mann mit 600.000 Kraftfahrzeugen, 500.000 Pferden, 3.350 gepanzerten Fahrzeugen und 7.200 Geschützen“ die Sowjetunion.38 Wie in anderen Ortschaften Ostpolens und in den baltischen Staaten, die seit 1939 von den Sowjets besetzt waren, stachelten die neuen Besatzer auch in Drohobycz die Bevölkerung an, an Juden als Kollaborateuren der Sowjetunion „Rache“ zu nehmen. Dies war vor dem Hintergrund des in diesen Regionen verbreiteten Antisemitismus eine zynische, aber erfolgversprechende Taktik.39
Am 30. Juni wurde Drohobycz von der deutschen Wehrmacht erobert. Innerhalb von drei Tagen wurden über 400 jüdische Einwohner der Stadt von Ukrainern und Polen unter tatkräftiger Hilfe deutscher Soldaten ermordet. Diesem ersten Pogrom folgten Ausgangsbeschränkungen für die jüdische Bevölkerung und weitere Restriktionen. Vom 20. September 1941 an mussten sie am rechten Arm sichtbar weiße Armbänder mit dem blauen Davidstern tragen. Es folgten die Ermordung von 300 Juden am 30. November, Hungertod und Seuchen, bis es im März 1942 zur Vernichtung von 2.000 Drohobyczer Juden im kurz zuvor errichteten Vernichtungslager Belzec kam.40
In verschiedenen Befehlen hatte die Wehrmachtsführung ihren Soldaten zu verstehen gegeben, dass auch Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung von der deutschen Militärgerichtsbarkeit nicht verfolgt werden würden.41 Bekannt geworden ist zum Beispiel ein Fall im benachbarten Lemberg. Dort hatten die Sowjets vor dem Rückzug aus der Stadt mehrere im Gefängnis Inhaftierte umgebracht. Die neue deutsche Besatzung beschuldigte nun „die Juden“, für dieses Verbrechen verantwortlich zu sein; daraufhin fand unter Teilnahme der Wehrmacht im Lemberger Ghetto ein Pogrom statt, bei dem Hunderte von Juden ermordet wurden. Dort wurden übrigens einige Monate später auch zwei berühmte jüdische Fußballspieler, die früher der polnischen Nationalmannschaft angehört hatten, Leon Sperling und Zygmunt Steuermann, ermordet.42
Flucht nach Alma Ata
Emanuel Schaffer „war in der Schule, als die Nachricht“ vom Einmarsch der deutschen Truppen kam. In einem späteren Interview beschrieb er seine damalige Reaktion folgendermaßen: „Die Russen sind weggelaufen, also bin ich einfach mitgelaufen“.43 Gezeichnet von Krankheiten, erreichte er Baku in Aserbaidschan. Genaueres über diese mehr als 2.000 Kilometer lange Flucht Richtung Osten, die ganz sicher entbehrungsreich und kräftezehrend war, ist nicht überliefert. In Baku arbeitete Schaffer die folgenden zwei Jahre in einer Schuhfabrik, die für die sowjetische Armee produzierte. Von dort floh er weiter nach Alma Ata in Kasachstan, wieder mehr als 2.000 Kilometer weiter östlich. Dort landete er in einem vom NKWD (Geheimpolizei der UdSSR) kontrollierten Flüchtlings- bzw. Arbeitslager. Emanuel Schaffer wurde Mitglied der Lager-Fußballmannschaft, die, vom Kommandanten organisiert, Spiele gegen andere Lager- oder Lokalmannschaften austrug. Nach seinen eigenen Angaben spielte er in der Fußballmannschaft der Schuhfabrik des Lagers. In einem anderen Interview erzählte er, dass „die Russen“ ihn zuerst nach Nowosibirsk deportierten, er dort zwei Jahre lang Bäume fällte, bevor er erst im Jahr 1943 nach Alma Ata verlegt wurde, wo er zuerst für Spartak Alma Ata, dann für Dynamo Alma Ata spielte.44 Im Interview mit der israelischen Zeitung „Haaretz“ sprach er davon, dass er in der russischen Oberliga gespielt habe.45 Bei den Spielen ging es nicht nur um den sportlichen Erfolg. Die zusätzlichen Lebensmittel, die die Spieler erhielten, waren überlebenswichtig.46 In dieser Zeit erfuhr er von seiner Tante Luisa, dass seine Eltern und seine drei Schwestern von den Deutschen ermordet worden waren.47
Emanuel Schaffer wurde zu seinem Fluchtweg und zu seinen Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs bei verschiedenen Gelegenheiten und mit teils erheblichem zeitlichen Abstand befragt. Die daraus überlieferten Erinnerungen stimmen in manchen Details nicht überein, und etwaige Differenzen aufzuklären, scheint inzwischen unmöglich. Dennoch sind die Konturen seiner Fluchtgeschichte klar.
Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ostpolen war die Familie Schaffer in das Ghetto Stanisławów bei Drohobycz deportiert worden. Zu diesem Zeitpunkt lebten dort ca. 40.000 Juden. Wenige Monate später fand eine erste Massenerschießung statt, geleitet von einem SS-Offizier namens Krüger. Am Morgen des 12. Oktober 1941 „mussten sich etwa 20.000 Juden an den verschiedenen Plätzen sammeln“ und wurden von „Polizisten und ukrainischen Hilfspolizisten zum jüdischen Friedhof“ getrieben. „An zwei vorbereiteten Gruben mussten sich die Juden in Kolonnen von 200 aufstellen und wurden nach und nach von SS-Männern, darunter Krüger selbst, erschossen. Mit Einbruch der Dunkelheit brach Krüger die ‚Aktion‘ ab. Etwa 10.000 Juden waren tot.“ 48
Nach der Aussage eines Nachbarn der Schaffers überlebten sie dieses Massaker. „Etwa Mitte April 1943 wurden sie von Drohobycz in unbekannte Richtung deportiert. Ich habe nie mehr etwas von ihnen gehört“.49 Es ist davon auszugehen, dass die Familie im Zuge einer der „Judenaktionen“ 1943 ermordet wurde. Es könnte aber auch früher gewesen sein, denn „Aktionen“ hatte es, wie oben geschildert, auch zuvor gegeben. Spätere Nachforschungen nach dem Schicksal von Moses, Hela, Cila, Salka und Rosa Schaffer verliefen ergebnislos.
Rückkehr nach Polen
Emanuel Schaffer kehrte nach dem Ende des Krieges nach Polen zurück. Die UdSSR, die den Ostteil Polens annektiert und dem polnischen Staat die deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie angegliedert hatte, „repatriierte“ polnische Juden, die sich während des Krieges in die UdSSR gerettet hatten, in die von Deutschen evakuierten Gebiete. So wurde auch Schaffer nach Schlesien „umgesiedelt“. Er ging nach Langenbielau (heute Bielawa) bei Breslau, wo er bei seiner Tante Luisa Nadel und ihrer Familie wohnte. Seine Verwandten hatten den Holocaust dank der Hilfe der polnischen Frau Makarowa überlebt, die Luisas Familie und ihren Bruder versteckt hatte.50 Ein Bild aus dem Jahr 1950 zeigt Emanuel Schaffer zusammen mit seinen Verwandten und Frau Makarowa.
Niederschlesien war in der Nachkriegszeit ein Zentrum des jüdischen Lebens. In Bielawa lebten über 5.000 Juden.51 Während es in den alten Teilen Polens in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu Judenverfolgungen, sogar zu Pogromen (wie z. B. in Kielce 1946) und anschließenden Massenfluchten, kam, verlief das Leben der Juden im ehemaligen Schlesien weitgehend normal. Sie konnten als Minderheit ihre kulturellen Einrichtungen pflegen, bis zur Wende in der Regierungspolitik im Jahr 1948.
In Bielawa nahm Emanuel Schaffer die Chance wahr, seine Schullaufbahn fortzusetzen. Da er jedoch nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügte, „seine Studien“ fortzusetzen, arbeitete er nebenbei als Verkäufer in einem örtlichen Textilgeschäft.52 Sein Aufenthalt in Bielawa ist