Lorettoberg. Volkmar Braunbehrens

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Название Lorettoberg
Автор произведения Volkmar Braunbehrens
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839241462



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die Laune nicht verderben konnten.

      Elfi und ihre Freundin Monique waren spät dran, die meisten Gäste waren schon da. Am Eingang des in der Dämmerung riesig aussehenden Gebäudes, einer pompösen Hangvilla in einem parkähnlichen Garten, wurden sie von einem schlanken Jüngling im dunklen Anzug mit Krawatte begrüßt, ein energisches, aber nicht unfreundliches Gesicht, die Haare rasiert, vielleicht war es auch eine natürliche Glatze. Er wies sie zur Garderobe und zeigte den Weg in die Halle, den sie anschließend zu nehmen hätten. Der Hausherr werde später die Gäste mit einer kurzen Rede begrüßen. Zwei Garderobenfrauen kümmerten sich um die Mäntel und händigten dafür eine Marke aus, ganz, als wären sie am Eingang eines Theaters.

      Elfi trug zu einer schwarzen, weit geschnittenen Hose eine leichte türkisfarbene Jacke mit einem immer wieder hervorblitzenden Innenfutter in Pink und darunter eine weiße Bluse, durchaus elegant und doch gänzlich unspektakulär. Sie hatte eine natürliche Schönheit, von der sie überzeugt genug war, um nicht besonders auffallen zu müssen. Wenig geschminkt, nur die Lippen und ein kleiner Lidstrich, wirkte sie frisch und unbeschwert und niemand wäre auf die Idee gekommen, sich Gedanken über ihr Alter zu machen. Ihre Freundin Monique hingegen hatte sich in eine Robe gezwängt, die sich wie ein breites Band um ihren Körper schlang und sich erst um die Füße verbreiterte. Sie wirkte dadurch größer und schmaler, als sie war, vor allem aber reichlich damenhaft, weil sie aus dem gleichen bräunlich und gelb gemusterten Stoff einen turbanartigen Kopfputz trug, afrikanisch anmutend, dazu grell und kräftig angemalt. Die nackten Unterarme waren mit einem ganzen Bündel blechern scheppernder schmaler Silberreifen bestückt. Sie blickte erhobenen Kopfes triumphierend in die Runde, als sie nun die Halle betraten, den großen zentralen Raum dieses Gebäudes im Landhausstil.

      Sogleich wurde Monique umringt von einer Schar Frauen unterschiedlichen Alters, die sie kannten, vermutlich Kundinnen ihrer Boutique.

      »Whow!«, hörte Elfi bewundernd und war eigentlich froh, sich bald aus diesem Kreis unauffällig fortstehlen zu können, um sich erst einmal einen kleinen Überblick zu verschaffen. Die Halle mit einer breiten Treppe nach oben war dicht gefüllt, die meisten drängten sich in unterschiedlich großen Gruppierungen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden. Jüngere Leute, oft sehr bunt und fantasievoll angezogen, teilweise aber auch sehr leger, zeigten sich raumgreifend ausgelassen und unbekümmert. Dann gab es aber auch Ältere im dunklen Anzug mit Krawatte, bieder und ein wenig unsicher umherblickend, die Damen im Kostüm, immer eng neben dem Gatten, so steif, als sei dies ein Empfang beim Rektor der Universität. Unter ihnen konnte man einige Honoratioren der Stadt erkennen. Und es gab natürlich die mit dem großen Auftritt, die zu wissen glaubten, was sie dem großen Modezaren schuldig seien: bei genauerem Hinsehen jedoch manchmal mit geradezu erschreckender Geschmacklosigkeit eingekleidet, wenn auch neuen modischen Trends folgend, jedoch völlig unbekümmert, wie die Körper zu ihrer manchmal ziemlich lückenhaften Umhüllung passten. Tiefe Einblicke führten nicht unbedingt zu vorteilhaften Erkenntnissen. Die dazugehörigen Herren wirkten wie in die Jahre gekommene Gigolos mit geföhnter Frisur, manchmal auch mit Pomade im schwarzsträhnigen Haar. Unter ihren Armani-Anzügen konnte man einen täglich trainierten Bizeps vermuten. Aber es gab auch tadellos stilsicher und mit natürlicher Eleganz auftretende Paare, die mit Charme auffielen statt mit zähnefletschendem Grinsen, gewandet in schmiegsame Stoffe von harmonisch abgestimmten Farben, die zur persönlichen Ausstrahlung passten. Ihnen bedeutete Mode weder Verkleidung in fremde Rollen noch einen Blickfang à tout prix, sondern Ausdruck eigener Individualität. Eigenen Geschmack selbstsicher zu zeigen, war ihnen ebenso ausreichendes wie überzeugendes modisches Programm. Kurzum, es war eine sehr bunte Gesellschaft aus unterschiedlichen Bereichen, die nicht gerade in alltäglichem Kontakt miteinander zu stehen schienen.

      Durch dieses Gewühl angeregt plaudernder Menschen bahnten sich jetzt einige junge Männer den Weg, alle im schwarzen Anzug und ähnlich aussehend wie jener am Eingang, glatzköpfig und mit undurchdringlicher Miene, in der Hand ein volles Tablett mit Sektgläsern, die sie ringsherum anboten. Einige der Gäste nahmen achtlos ein Glas, andere ließen sich erst auffordern und dankten höflich, es gab aber auch welche, die geradezu gierig danach griffen und bedenkenlos dabei ihren Nachbarn anrempelten. Elfi hielt sich am Rande und wartete, bis ein schon fast leeres Servierblech an ihr vorbeigetragen wurde, blickte den Kellner dankend an, der zustimmend zurückblinzelte, und ging mit ihrem Glas weiter, an einer größeren Gruppe blutjunger Schönheiten vorbei, in engen Kleidchen oder Hosenkombinationen, alle etwas zu mager, porzellanartig bemalte Köpfe mit üppigem Haar in kunstvollen Frisuren. Sie schauten streng oder gelangweilt aus, jedenfalls unfroh. Die dazugehörigen jungen Kerle teilweise als Macho oder Latino gestylt, obgleich sie bei näherem Hinsehen eher schmächtig waren, mit einer dunklen Brille, die ihnen auch nicht mehr Respekt verschaffen konnte. Offenbar waren dies alles Models, woher auch immer sie kamen, in Freiburg hatte Elfi solche Modeheftfiguren noch nicht gesehen.

      Vom Eingang her drängten noch immer weitere Gäste nach, ein unermüdliches Geschiebe und Gewoge, in dem es bald kaum noch ein Durchkommen gab. Die freundlichen Kellner mühten sich nun nicht mehr, bis in alle Ecken vorzustoßen, sie hielten sich am Rande und wurden dennoch in kürzester Zeit ihre Sektgläser los. Das alles zog sich noch eine Weile hin, doch spürte man eine zunehmende Spannung. Immer wieder sah man einzelne Köpfe, die sich reckten und emporschraubten, um über die bunte Menge hinwegsehen zu können. Sie hielten kurz nach allen Richtungen Ausschau, wobei nicht klar war, was sie eigentlich suchten, und tauchten dann wieder ab und beugten sich ihren Gesprächspartnern zu. Dabei war es für wirkliche Gespräche ohnehin zu laut, es war mehr ein Zuwerfen von kurzen, witzig gemeinten Bemerkungen, ein Spiel um das Punktesammeln auf einer Beliebtheitsskala, belanglos und doch nicht ganz überflüssig, um für diesen Abend eine anerkannte Ausgangsposition zu finden. Männerspiele. Die Frauen beäugten sich kritisch und mit mehrdeutigen Kommentaren, gaben sich wie Freundinnen und vibrierten zugleich innerlich vor Konkurrenz.

      Mit einem Male hörte man aus einer Ecke einen Schlagzeugtusch, mehrfach wiederholt, dazwischen eine lebhafte Saxophongirlande, schließlich einen ansteigenden Wirbel einer kleinen Trommel, der in einem kurzen Beckenschlag endete. Ohne dass es zuvor bemerkt worden war, war ER die Treppe heruntergeschritten, der berühmte und legendenumwobene Karl Legrand. Er befand sich nun auf einer der unteren Stufen, leicht erhöht über der Menge und eingefasst von einer Schar steril grinsender Mannequins, die jetzt wie auf ein Kommando mit ausgestrecktem Arm auf ihn deuteten und damit Aufmerksamkeit erbaten. Er stand im Scheinwerferlicht, braungebrannt, der silbern glänzende Wuschelkopf seiner Haare in wirkungsvoller Unordnung. Ein malvenfarbiger Anzug in weich fallendem Schnitt gab ihm etwas Jungenhaftes, zu dem auch das schneeweiße Hemd mit dem offenen breitgerüschten Schillerkragen passte. Das hatte eine lässige Eleganz, die keiner weiteren auffälligen Accessoires bedurfte, weil Legrand schon durch seine Erscheinung, seinen Blick und seine Gestik sich so zu inszenieren wusste, dass er stets der unangefochtene Zentralpunkt jeden Raumes war, den er betrat. Er strahlte mit offenem Mund und weißen Zähnen in die Menge, wobei er gelegentlich plötzlich den rechten Arm vorschießen ließ und auf einen (oder eine?) der vor ihm Stehenden wies und mit dem Blick eine besondere Begrüßung andeutete. Vermutlich hatte er diese Geste von amerikanischen Präsidenten bei ihrem gelegentlichen Bad in der Menge vor einer ihrer Ansprachen abgeschaut. In der Linken hielt er ein schnurloses Mikrofon, das er ein paarmal zum Mund führte, ohne von ihm Gebrauch zu machen, weil er den Applaus, der zögerlich eingesetzt hatte, dann aber immer mehr anschwoll, erst auskosten wollte.

      Schließlich hob er zu einer launigen Begrüßungsrede an, bei der er den Eindruck vermittelte, als freue er sich über die Anwesenheit jedes Einzelnen ganz besonders, obschon ihm die Mehrzahl der Gäste vermutlich gar nicht bekannt war. Trotz Mikrofonverstärkung war keineswegs alles zu verstehen, aus seinen Handbewegungen war aber zu entnehmen, dass er am Schluss ebenso auf eine untere Etage wie auf ein oberes Stockwerk aufmerksam machen wollte und einlud, vom ganzen Haus Besitz zu nehmen. Gelegentliches Gelächter derer, die sich etwas näher befanden und auch seine Worte verstanden, ließ erkennen, dass er Stimmung zu machen wusste, spätestens am Ende seiner Rede merkte es jeder, als er nämlich der Musik einen Wink gab und mit deren Einsetzen selbst mit einigen sägenden Tanzbewegungen begann, wobei er »Let’s fetz!« ins Mikrofon brüllte. Beifall brandete auf und die Menge geriet in sich kräuselnde Wellen und ein Hin- und Herschwappen wie das Wasser im Hafenbecken.

      Die