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es für mich ganz natürlich, den Ton und den Rhythmus ein wenig zu verschärfen. ›Bewegt euren Hintern ein wenig und kommt tanzen.‹ Das ist mein Stil, ob es jemandem gefällt oder nicht. Meinen Fans gefällt es. Es wäre viel einfacher gewesen, die normale Show zu absolvieren: Guten Abend, meine Damen und Herren; Danke für den Applaus; Auf Wiedersehen im nächsten Sommer. Meine Aufgabe ist es, zu unterhalten, ich hätte es gerne, dass alle tanzen. In einem Hotel, neben einem Pool, mit Leuten, die vielleicht Rock nicht mögen oder nichts davon verstehen, ist dazu etwas mehr nötig als in einem Stadion oder einer Veranstaltungshalle. Ich arbeite mit Sarkasmus, mit Ironie: Ich bin nicht einer für den Nachtclub, bin kein Schnulzensänger, kein Schlagersänger, ich habe ein sanguinisches Temperament.«

      Daran lässt sich nicht rütteln!

      Wie immer polarisiert Zucchero Sugar Fornaciari. Wer ihn vorher bereits hasste, dem hat er einen weiteren Grund geliefert, das zu tun. (»Er hat über 180 000 Euro bekommen und ergeht sich dann in Beleidigungen?«, ist noch die zärtlichste Abrechnung mit ihm, die man in den Blogs lesen kann); wer in ihm jedoch eine Persönlichkeit mit Blues in der Seele, der Einstellung eines Rockers und dem Sound eines Popmusikers sah, hat mit viel Vergnügen beobachtet, wie er in die Rolle des Rächers schlüpfte und Sachen sagte, die viele hätten sagen wollen (»Wer von uns hat sich noch nie gewünscht, jene unerträglichen Reichen, die sich in Selbstdarstellung ergehen und für gottgleich halten, ein ›Leck mich am A …‹ entgegenzuschleudern?«, war dann etwa zu lesen).

      Alles wie gehabt, wie auch immer man es sehen möchte. Auf jeden Fall immer gegen den Strom – manchmal auch gegen den gesunden Menschenverstand. Oder, um den Titel eines wunderschönen und unterschätzten Films von Stefano Leali zu zitieren: Im Segelboot gegen den Wind.

      Massimo Cotto

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      Zum »Haus der Musik« gehören ein riesiger Kamin, eine Bühne, wo man für die Freunde und mit ihnen Musik machen kann, eine granatrote Vespa, Flipper und Kicker. Das Leuchtschild »In Blues We Trust« verrät das herrschende Glaubensbekenntnis. Die Musikbox mit ihrer Musik von einst ist unübersehbar: Elvis, Equipe, die Stones, Camaleonti, Nomadi, die Byrds, Ray Charles und der Léo Ferré von »La solitudine«, jener von Unruhe und inneren Stürmen heimgesuchte Ferré. Die Wendeltreppe führt in den zweiten Stock, in das Zimmer der Sünde und des Sex. Als ich das letzte Mal hier war, lag auf dem Nachttisch eine pornographische Zeitschrift aus dem ehemaligen Jugoslawien: »Erotica«. Anno 1989.

      Das »Haus des Felsens« ist ein steinernes Wunder mit einem Holzofen, der sich mit leckeren Speisen füllt, wenn es an der Zeit ist. Es sind neun Häuser, wenn mein Gedächtnis mich nicht im Stich lässt. Nichts ist, wie es zu sein scheint, in diesem Winkel der Toskana. Es gibt auch einen Bus, der zu einem kleinen Apartment ausgebaut ist, und einige Ställe. Das Herrenhaus ist eine alte Mühle, die vorsichtig abgerissen und mit Bedacht wieder aufgebaut wurde; eine antike Glocke thront auf dem Dach. Alte Backtröge, antike Grammophone finden sich. Gegenstände des bäuerlichen Lebens, keinerlei traurige neureiche Prahlerei. An der Wand Knoblauchzöpfe (»aber nicht, um den Teufel fernzuhalten, der ist hier immer willkommen«). Unter dem Fenster eine kleine Videothek mit wenigen Neuheiten, aber vielen Klassikern: Apocalypse Now, Profumo di donna, Cotton Club, TuttoBenigni – und dann Scorsese, Polanski und La Monella von Tinto Brass. Man hört das Rauschen des Wassers, das von der Mühle emporgeschaufelt wird.

      Von der Veranda aus sieht man einen der drei Seen, die von Forellen, Aalen und Katzenfischen bevölkert werden. Eine Holzbrücke führt zu einem steinernen Pfad, der sich zu weiteren Gebäuden hin öffnet, wie dem Pili Pili, der originalgetreu nachgebauten Holzhütte, deren Namen von den kenianischen Pavillons stammt, wo vorab die Songs angehört werden und viel Lachen zu hören ist, zwischen erheiternden Imitationen des »Großmoguls« und Anekdoten aus einem reichen Leben.

      Von hier aus, mein Herr, wird das Tal beherrscht. Zuccheros Tal. Hier, zwischen Louisiana und Lunigiana, zeigt sich in seiner ganzen Herrlichkeit das bäuerliche Reich von Adelmo Fornaciari. Lunisiana Soul, Provinz Pontremoli, Region Toskana, Freistaat der Black Music. Fünfzehn Hektar Olivenhaine, Obstbäume, Schafe, Hühner, Gerste, Hafer, Roggen, Kühe, Esel und Bauern. Wurzeln und Lieder.

      Hier entsteht die Idee für ein Buch, das von Zuccheros Blues, der in der Tiefe seiner Augen zu sehen ist, erzählt – während Marianna Focaccia und Kastanienkuchen zubereitet (denn hier wird nur das verzehrt, was innerhalb der Grenzen der Lunisiana produziert wurde: Öl, Käse, Butter, Brot, Salami und, natürlich, Wein), während Blu zum millionsten Male Der König der Löwen anschaut, das englische Kindermädchen Beth dies mit eigenen Augen überwacht, Marina Testori die Fotos für die Journalisten auswählt und Zucchero die Rückkehr seiner Francesca erwartet. Ein Buch, das zugleich Bericht und Zusammenfassung unserer Begegnungen über fast zwanzig Jahre hinweg sein soll. Das Ziel ist keine Biografie, sondern die Verwirklichung des Wunsches, all jene Worte, die in Schubladen verborgen liegen oder sie selten für einen Morgenspaziergang verlassen haben, Luft schnappen zu lassen. Ein Buch ohne vermittelnde Eingriffe, die über den Umfang einer Frage hinausgehen, keine Rekonstruktion wie für eine Heiligenlegende, sondern vergleichbar der Figur eines Dorfpfarrers, der seine zahlreichen Paradoxien und Widersprüche nicht auf dem Altar des Erfolges geopfert hat.

      Die Stärke des Adelmo Zucchero Fornaciari, tüchtiger Pfarrer der Kirche des emilianischen Blues, liegt im Erzählen von Parabeln, bei denen – ähnlich dem plötzlichen Auftauchen der Sonne – der Rhythmus des Blues der Melodie Platz macht; sie liegt darin, dass er seine tausend Ideen auch dann tauft, wenn niemand an sie glaubt, und darin, wie er das Publikum mit dem Schweiß der Bühne anstatt mit Weihwasser segnet.

      Auf diese Weise wird es ihm, der immer erklärt hat, wenig davon zu besitzen, mit geradezu biblischer Geduld gelingen, sein selbstgestecktes Ziel zu erreichen: auf dem ausländischen Markt zu triumphieren und ihn mit großen Schritten zu erobern. Er ist auf dem besten Wege. Gemeint sind damit nicht nur die lateinamerikanischen Länder, sondern vor allem auch die angloamerikanische Achse. »Ich möchte versuchen, meinen bäuerlichen Blues an die Afro-Amerikaner heranzutragen. Ich weiß, ich bin stur. Aber ich bin sicher, dass ich es schaffen werde. Es wird seine Zeit brauchen. Ich habe Jahre dafür gebraucht, in Italien Erfolg zu haben, ganz zu schweigen von Amerika. Aber ich warte. Und wenn ich es geschafft habe, werde ich zufrieden nach Hause zurückkehren, mich an den kleinen See setzen und über die nächste Wette, die es zu gewinnen gilt, nachdenken. Im vergangenen Jahr habe ich es zum zweiten Mal in Amerika in die Hitlisten geschafft, zum ersten Mal alleine, denn davor war es zusammen mit Paul Young, mit ›Senza una donna‹. Klar, dass ich es dieses Mal mehr genossen habe. Ich würde es gerne auch mit einem Titel in italienischer Sprache schaffen. Die Leute der Plattenfirmen sagten mir immer, dass ich keine Chance hätte, wenn ich nicht englisch singe. Unsinn. Durch Bearbeitungen und Übersetzungen verliert man immer etwas an Originalität, Schönheit und Poesie. Um verstanden und geschätzt zu werden, muss ich darauf achten, Worte zu wählen, die auch Klang sind. Und Traum.«

      Während ich seine Worte transkribiere, denke ich an die Begegnungen mit ihm zurück. Die erste fand in Modena statt, in den alten Studios von Umbi Maggi. Es war 1987, das Jahr von Blue’s, das eher eine Sammlung der größten Hits ist als ein normales Album, weil jedes Lied ein sensationeller Erfolg war: »Con le mani«, »Pippo«, »Senza una donna«, »Non ti sopporto più«, »Dune mosse«, »Hai scelto me«, »Solo una sana e consapevole libidine …«, »Bambino io bambino tu«, »Hey man«. Zwei Jahre darauf sollte Oro incenso & birra folgen, ein weiteres Meisterwerk, eine weitere Anthologie von Evergreens: »Overdose (d’amore)«, »Madre dolcissima«, »Iruben me«, »Il mare impetuoso al tramonto«, »Diavolo in me«, »Diamante«, »A wonderful world«, »Libera l’amore«. Einzigartige Jahre, die Jahre vor der Großen Depression und der Flucht ins gelobte Land des Blues. Nicht, dass der Zucchero nach Miserere weniger intensiv wäre. Er ist nur anders, ein Auf und Ab von Launen und Größe, Experimenten und Klassizität.

      Mit Zucchero bin ich durch einen Teil Europas gereist. Ich war mit ihm in London und wurde Zeuge des Triumphs in der Royal Albert Hall, wo jeder Künstler ihm Zuneigung entgegebrachte und nicht nur professionellen Einsatz. In Rotterdam, auf einem Festival, wo alle auf