Название | Das Digital Transformer's Dilemma |
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Автор произведения | Hannah M. Mayer |
Жанр | Маркетинг, PR, реклама |
Серия | |
Издательство | Маркетинг, PR, реклама |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783527835355 |
Aber einfach analoge Prozesse zu digitalisieren erschöpft nicht das ganze Potenzial, das im Kerngeschäft steckt – viel mehr ist möglich. »Über den Kern hinausgehen« oder »Dienstleistung über den Kern hinaus« sind Ausdrücke, die wir recht häufig gehört haben, wenn wir unsere Interviewpartner befragt haben, wie die Digitalisierung ihnen beim Ausbau des Kerngeschäfts helfen konnte. Etablierte Unternehmen können ihre Kernprodukte anreichern (während sie die Kernfunktionalität unverändert lassen), indem sie digitale Produkt- oder Dienstleistungs-Komponenten aufsatteln und so einen Mehrwert für die Kunden schaffen.
Ein weniger herausragender Nebeneffekt der Digitalisierung, zusammenhängend mit der effizienteren Nutzung von Ressourcen, besteht darin, dass sie das Umschalten zu einer anderen Nutzung von Assets erlaubt, weil Unternehmen viel mehr über ihr Equipment wissen als je zuvor. Patrick Koller, CEO des französischen Autozulieferers Faurecia, führt aus, dass Unternehmen Aufgaben wie die Instandhaltung des Equipments viel leichter outsourcen können, weil solche Aufgaben zu einem vorhersehbaren Kostenfaktor werden. Ein weiteres Beispiel für die unterschiedliche Nutzung von Assets wäre es, nur für die effektive Nutzung des Equipments zu zahlen, was den Investitionsaufwand reduziert und zu einem Geschäftsmodell führt, das ohne den Besitz großer Vermögenswerte auskommt.8 Wenn dieselbe Idee bei Produkten angewandt wird, die an Kunden verkauft werden, eröffnet dies vollständig neue Wertschöpfungspotenziale und Arten von Kundenservice. Das hört sich für uns sehr nach einer 2. S-Kurve an.
Chancen, ein neues (digitales) Geschäft und neue Wachstumschancen aufzubauen (2. S-Kurve)
Neben den Chancen, das Kerngeschäft zu verbessern und zu expandieren, sind digitale Technologien ein großartiges Sprungbrett für Unternehmen, von dem aus sie neue Wertschöpfungspotenziale erschließen können. Initiativen aus dieser Kategorie zielen größtenteils darauf ab, innerhalb eines existierenden Geschäftsfeldes neue Geschäftsmodelle zu etablieren, oder insgesamt auf die Revolutionierung der Industrie. Versuche, diese neuen Wachstumsmotoren zu etablieren, erfordern häufig eine Menge Zeit und Ressourcen, während das Ergebnis äußerst unsicher ist. Trotzdem, diese Initiativen können eine gewaltige Auswirkung haben, wenn sie sich als erfolgreich erweisen. Zappos, Alibaba und Netflix sind Beispiele neuer Geschäftsmodelle, die erfolgreich etablierte Industrien revolutioniert haben.9
Der Wunsch von Unternehmen nach neuen Wachstumschancen liegt häufig in einem schrumpfenden Kerngeschäft begründet. Einige etablierte Unternehmen sind zu dem Schluss gekommen, dass eine weitere Innovation ihres Kernproduktes weder möglich noch ökonomisch sinnvoll ist. Aesculap, ein in Deutschland ansässiger Marktführer bei Medizinprodukten, hatte ein Kernprodukt, das vollständig optimiert war, und größere Innovationen waren nicht zu erwarten. Digitalisierung war daher ein Wegbereiter, der vollständig neue Innovationen möglich machte und neues Wachstumspotenzial außerhalb der Kernprodukte entfesselte.10
Ähnlich wie bei erfolgreichen Start-ups gründen die meisten dieser neuen Wachstumsmotoren auf einer Kombination aus Geschäftsmodell-Innovation und neuen Technologien. Es überrascht nicht, dass mehr und mehr Unternehmen mit disruptiven Geschäftsmodellen experimentieren, die neue Technologie-Komponenten, Pay-per-Use-Modelle oder flexibilisierte Massenproduktion, basierend auf fortschrittlichen Analytik-Werkzeugen, beinhalten. Unabhängig davon, welches Geschäftsmodell die Basis Ihrer 2. S-Kurve sein wird, es erfordert kühne Investitionen und eine entschiedene Strategie, um dorthin zu gelangen. Wir werden im 2. Kapitel WAS näher auf dieses Thema eingehen.
Zielsetzung der Innovation und Blick auf Nachhaltigkeit und soziale Innovation
Zusätzlich zu den Gründen, die bislang erörtert wurden, sollten Unternehmen auch an die breitere gesellschaftliche Auswirkung einer digitalen Transformation denken. Folgende Punkte sollten in die Überlegungen einfließen, wenn auch nicht darauf beschränkt bleiben: die Auswirkung auf das Personal eines Unternehmens (wie kann das Unternehmen die rechtzeitige Weiterbildung der Mitarbeiter sicherstellen, um sie auf das digitale Zeitalter vorzubereiten, wie wird der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen?), die Auswirkung auf die Nachhaltigkeit der Initiativen (wie kann das Unternehmen Technologie nutzen, um Verschwendung zu reduzieren, wie können zirkulare Geschäftsmodelle eingeführt und skaliert werden?) und Vertrauen in digitale Arbeitspraktiken (wie geht das Unternehmen mit Privatsphäre, Sicherheit und dem ethischen Gebrauch von Daten um?).11 Klare Antworten sind nicht nur aus Sicht der unternehmerischen Sozialverantwortung wichtig. Sie sind auch wesentlich, um Antworten geben zu können auf Fragen, die von der jüngeren Generation zu diesen Themen gestellt werden, und um attraktiv für neue Talente zu bleiben. Die Zielsetzung von (digitalen) Innovationen und Antworten auf die Frage, was diese für die Gesellschaft bedeuten, werden für Unternehmen, welche weiterhin attraktive Arbeitgeber bleiben wollen, immer mehr an Bedeutung zunehmen.
Zu starkes Augenmerk auf die 1. S-Kurve ist ein verbreitetes Problem
Wir haben festgestellt, dass fast alle Unternehmen an der Digitalisierung ihres Kerngeschäfts arbeiten und dass die meisten auch bereits substanzielle Fortschritte und Ergebnisse erzielt haben. Das ist zwar ein Grund zum Feiern, doch unglücklicherweise glauben viele kleine und mittelständige Unternehmen (KMU) weiterhin, die Digitalisierung ihres Kerngeschäfts sei ausreichend. Dies ist eine falsche Annahme, die für viele KMU ein großes Risiko darstellt. Die meisten großen Unternehmen haben bereits begonnen, an Initiativen zum Aufbau einer 2. S-Kurve zu arbeiten. Unglücklicherweise verfehlten viele von ihnen ihre Wachstumsziele oder den erwünschten finanziellen Effekt in dem neuen Geschäft. Während sich grundsätzlich alle Unternehmen bewusst darüber sind, dass die Digitalisierung ihre Industrie verändern wird und dass sie handeln müssen, wissen sie oft nicht, was genau sich verändern wird und wie sie sich auf diese Veränderungen einstellen sollen. Dies ist der Grund, warum viele ihrer Digitalisierungsinitiativen nah an dem dran sind, was sie bereits in der Vergangenheit getan haben – sie bewegen sich nicht vom Kern weg. Stattdessen arbeiten sie an Initiativen der 1. S-Kurve, errichten aber nicht wirklich eine neue 2. S-Kurve (siehe Abbildung 1.2).
Abbildung 1.2 Ungleichgewicht zwischen 1. und 2. S-Kurve
BEIM TRANSFORMIEREN ZU SCHEITERN, IST IMMER NOCH DIE NORM – DOCH DAS MÜSSTE NICHT SO SEIN
Obwohl klar sein sollte, dass Digitalisierung sich tiefgreifend auf alle Bereiche auswirkt, schafften es bisher nur überraschend wenige Unternehmen, aus einer Position der Stärke heraus zu handeln. Dies wird durch Studien bestätigt, die zeigen, dass nur 20 Prozent der etablierten Unternehmen sich an das digitale Zeitalter angepasst haben.12 Wenn Führungskräfte und Aufsichtsräte rund um die Welt in den letzten beiden Jahrzehnten nicht blind und taub waren, müssten sie eigentlich die Warnungen vernommen haben, dass die Digitalisierung ihre Industrien ernsthaft bedrohen kann.
Überraschenderweise schaffen es viele etablierte Unternehmen trotz dieser Warnungen nicht, rechtzeitig zu handeln. Jan Mrosik, COO von Digital Industries bei Siemens, legte dar: »Es gibt immer eine eher kleine Anzahl von Führungskräften, die entschieden die Entwicklung