Название | Die Geschichte von KISS |
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Автор произведения | Gene Simmons |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454441 |
In England nahm eine musikalische Revolution langsam Form an. Angeführt von David Bowie, Slade, T. Rex sowie Mott the Hoople explodierte ein neues Genre namens Glam Rock, ein wahres Pulverfass von unverblümter Symbolik, androgyner Sexualität und futuristischem Songwriting. In den Staaten hingegen war eine rotzige Proto-Punk-Bewegung in vollem Schwange. Bands wie die New York Dolls, MC5 und Iggy & the Stooges führten diese Angriffswelle an, warfen musikalische Granaten und nahmen ihre Hörerschaft mit einem Arsenal an rüpelhafter Anarchie, roher Rebellion und genüsslichem Exzess unter Sperrfeuer. Alice Cooper machte Anleihen bei der reichen Tradition des Pariser Grand-Guignol-Theaters und fand so seine eigene Nische im Rock-’n’-Roll-Kosmos – und trieb dabei die konservative Mittelschicht gekonnt vor sich her. Seine Musik war wie geschaffen für Außenseiter, ein Überlebensmittel für eine im Brachland jugendlicher Einöde gestrandeter, entwurzelter Teenager, das geschickt Horror-Spektakel mit pulsierenden Hymnen über Rebellion, Frustration und Entfremdung kombinierte.
Inmitten dieser hochgradig schizophrenen Musiklandschaft probte sich eine unlängst gegründete Band namens KISS in einem schäbigen Loft in Downtown Manhattan sieben Tage die Woche den Arsch ab. Angetrieben von unbeirrbarer Hingabe und dem Glauben an sich selbst hatten sie große Erwartungen und noch größere Träume. Verbissen versuchten sie, ihre Vision, eines Tages ihre Gesichter neben Allzeitgrößen wie den Beatles, den Rolling Stones und The Who in den Granit des Mount Rushmore des Rock ’n’ Roll eingemeißelt zu sehen, Wirklichkeit werden zu lassen.
Aber lasst uns noch ein paar Jahre weiter zurückreisen, in ihre Frühzeit, lange bevor sie den Thron der Rock-Unsterblichkeit bestiegen.
1: Schicksalhafte Begegnung
Wir schreiben das Jahr 1970. Nachdem sie ihre Bands aufgelöst hatten, sinnierten der achtzehnjährige Stanley Eisen (später bekannt als Paul Stanley) und der einundzwanzigjährige Gene Klein (der spätere Gene Simmons) über ihre nächsten musikalischen Unternehmungen nach. In der Wohnung von Stephen Coronel in Washington Heights, einem Viertel von Manhattan, griff das Schicksal ein und ließ die beiden einander zum ersten Mal über den Weg laufen.
GENE SIMMONS: Stephen Coronel war mein bester Freund. Wir gingen zusammen zur Schule und spielten gemeinsam in ein paar Bands wie Long Island Sounds, Love Bag und Cathedral.
STEVE CORONEL (FREUND UND EHEM. BANDKOLLEGE VON PAUL UND GENE): 1970 traf ich mich mit Gene in Brooke Ostranders Apartment in New Jersey und besprach mit ihm, eine Band zusammenzustellen. Wir brauchten einen Leadsänger: einen Typen, der singen und spielen könnte. Ich versuchte, mir jemanden einfallen zu lassen, auf den dies zuträfe.
PAUL STANLEY: Ich war mit Stephen in einer Band namens Tree gewesen. Das waren ich, Stephen als Leadgitarrist, Marty Cohen am Bass und Stan Singer an den Drums.
GENE SIMMONS: Ich sah sie in einem Underground-Club in der Nähe von Harlem, und der Rhythmusgitarrist, ein Typ namens Stanley Eisen, hatte es mir angetan. Er sang „Whole Lotta Love“ und „All Right Now“; es klang sehr überzeugend. Er hatte die richtige Haltung auf der Bühne, sah gut aus und sang mit einer hohen Stimme wie Robert Plant.
STEVE CORONEL: Mir fiel Stan ein, als ich überlegte, wer für diese neue Band infrage kam. Ich sagte zu Gene: „Ich mach dich mal mit diesem Typen namens Stan bekannt.“ Ich rief ihn an und sagte: „Gene und ich wollen uns mit dir treffen.“ Das war im Spätsommer 1970 – im August, glaube ich –, und ich arrangierte ein abendliches Treffen in meiner Wohnung in Washington Heights, in meinem Wohnzimmer. Alle Wände hatte ich mit glänzend schwarzer Farbe ausgemalt. Für 1970 sah das ziemlich funky aus.
NEAL TEEMAN (PAUL STANLEYS FREUND UND BANDKOLLEGE BEI UNCLE JOE): Stellt Euch Ozzy Osbourne in voller Blüte vor. So sah Gene aus. Er kam echt heftig rüber und trug einen schwarzen Mantel, den er nie auszog.
GENE SIMMONS: Ich wohnte in South Fallsburg [New York]. Ich war groß und kräftig gebaut. Damals hatte ich einen Bart, trug Overalls und wog um die zwei Zentner. Ich war nicht unbedingt fett, nur einfach ziemlich groß.
STEVE CORONEL: Ich erinnere mich noch daran, wie Gene und ich eines Tages auf Stan Eisen warteten. Mit beiden hatte ich schon in Bands gespielt, wusste aber nicht, wie sie miteinander auskommen würden. Als ich die Tür öffnete, stand Stan da und wartete darauf, hereingebeten zu werden. Er sagte „Hi!“ und sah an mir vorbei in Richtung Gene, der gegen einen Heizkörper gelehnt am Fenster stand. Ich hatte meine rote ’64er Gibson ES 330 hervorgeholt. Gene lehnte sich dann gegen das Bett, das sich etwa einen Dreiviertelmeter über dem Boden befand, weil ich es auf zwei Marshall-Boxen gestellt hatte. Stan war sehr höflich. Er kam ins Zimmer und ging ums Bett herum, um Gene kennenzulernen.
GENE SIMMONS: Stephen sagte: „Gene, das ist Stanley Eisen; er schreibt auch Songs.“ Ich hatte gedacht, ich wäre der Einzige auf der Welt, der Songs schrieb. Ich war so von mir überzeugt, weil ich mir selbst Gitarre und Bass beigebracht hatte und sogar eigene Songs schrieb, dass ich dachte, ich wäre der erste Mensch, der dies jemals vollbracht hätte.
STEVE CORONEL: Sie lächelten, gaben sich die Hand und begannen sich darüber zu unterhalten, dass sie einander schon bei Auftritten ihrer jeweiligen Bands gesehen hatten. Ich stand dabei, blickte von einem zum anderen und moderierte quasi, um die Sache voranzutreiben. Stan mochte The Move und Gene die Beatles. Ich wartete ab, wie der von mir empfohlene Stanley auf Gene wirkte.
GENE SIMMONS: Ich sagte zu ihm: „Zeig mir, was du drauf hast.“ Ich glaube, das hat ihm nicht gefallen. Er hielt mich wohl für arrogant.
STEVE CORONEL: Stan schnappte sich eine Gitarre und spielte ein paar seiner Songs und einen von The Move, den wir überhaupt nicht kannten. Einer seiner eigenen Songs, „Sunday Driver“, war sehr von The Move beeinflusst. Der klang ziemlich gut.
GENE SIMMONS: Ich mochte „Sunday Driver“ und war hingerissen, wie gut er konstruiert und wie toll die Melodie war. Der Text klang auf seine Art irgendwie britisch, wie „Eight Days a Week“ oder „A Hard Day’s Night“. Außerdem gefiel mir seine Stimme.
STEVE CORONEL: Stans Songs waren vollständig ausgearbeitet, und er sang sie mit Selbstvertrauen, genau so wie Gene ein paar Jahre vorher, als er Seth Dogramajian einen seiner Songs präsentierte. Ich erinnere mich, wie ich zu Gene rübersah; er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und hörte zu, den Kopf zur Seite geneigt. Ich fand Stans Lieder ziemlich gut. Genes Songs waren sehr an Pop und Fantasy orientiert. Seine Melodien waren alle in Dur und irgendwie eklektisch. Gene dachte dabei nicht an bluesigen Hardrock-Gesang. Die meisten Bluesrock-Leadsänger gingen anders an ihre Musik heran als Gene damals, und so war Stanley Eisen für Gene und mich eine ziemliche Offenbarung.
NEAL TEEMAN: Dann spielte Gene ein paar Songs. Als er sang, schrie er so laut, als wollte er, dass das ganze Haus ihn hören konnte [lacht].
PAUL STANLEY: Er spielte einen seiner Songs und, ganz ehrlich, ich war nicht sehr beeindruckt. Gene hatte eine sanfte, melodische Stimme, die sich im Laufe der Jahre veränderte. Anfangs war sie viel näher an Paul McCartney, und der wäre er auch gern gewesen. Paul war sein Idol.
STEVE CORONEL: Gene spielte „Stanley the Parrot“ und was er sonst noch so hatte, aber das war alles nicht so toll.
GENE SIMMONS: Paul war nicht gerade beeindruckt von meinen Songs. Sie waren völlig chaotisch.
STEVE CORONEL: Ich hielt Stanleys Zeug für viel besser. Das galt auch für den Gesang. Als Stanley aufhörte zu spielen, sagte Gene ganz nonchalant: „Yeah, das war ganz gut.“ Er war so angepisst, dass es ihm schwerfiel, sich zusammenzureißen. Er bewunderte ihn zähneknirschend, denn Stan war wirklich gut. Ab da begann ihm Genes Benehmen zu missfallen. Gene kann ein bisschen streitlustig werden, wenn er jemanden ausquetscht.
PAUL STANLEY: Der Eindruck, den ich von Gene hatte, gründete vor allem auf seiner Persönlichkeit,