Bob Marley - Catch a Fire. Timothy White

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Название Bob Marley - Catch a Fire
Автор произведения Timothy White
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия Rockgeschichte
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454656



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Voraussage, die er angeblich zuerst in seinen Reden vor Jamaikas Ärmsten der Armen formuliert hat (die Mulattenbevölkerung der Mittel- und Oberklassen hatte ihn schon abgewiesen), war die kühne Behauptung: »Seht nach Afrika, auf die Krönung eines schwarzen Königs; Er wird der Erlöser sein.«

      Als 1930 Ras Tafari Makonnen, Urenkel von König Saheka Selassie von Shoa, zum Kaiser von Äthiopien gemacht und zum Negus Negesti (König der Könige) proklamiert wurde, sahen Jamaikas Slumbewohner und die Armen vom Lande, für die Garvey so etwas wie ein heldenhaftes Orakel gewesen war, dieses Ereignis als die Erfüllung einer Prophezeiung, in der die Erlösung versprochen war. Tatsächlich hatte schon seit 1784, als der amerikanische Baptistenprediger George Liele die Ethiopian Baptist Church auf der Insel gründete, Äthiopien für die von Sklaven abstammenden Jamaikaner ganz Afrika symbolisiert. Die ›Garveyites‹ reagierten überwältigt auf Zeitungs- und Wochenschauberichte über den Pomp bei Selassies Krönung in Addis Abeba und registrierten die Symbolik in der Wahl seines formellen Titels, denn ›Haile Selassie‹ hat die ehrende Bedeutung ›Macht der heiligen Dreieinigkeit‹. Selassie, das wussten sie, sagte von sich, er stamme in direkter Linie von König Salomon ab, und deswegen kamen sie zu der Überzeugung, er müsse der langerwartete Erretter der auf dem Planeten verstreuten afrikanischen Völker sein.

      Garveys Aufforderung (»Seht nach Afrika …«) wird gewöhnlich als jener Funke zitiert, der die Garveyites dazu brachte, jene Sekte zu gründen, die später als Rastafarianusmus (so genannt, weil Selassie so hieß) bekannt werden sollte. In dem Buch Reggae Bloodlines sagt Stephen Davis kurz und bündig: »Rasta beginnt mit Marcus Garvey.« Nach den Ergebnissen neuer Forschungen von Historikern wie Robert A. Hill von der University of California in Los Angeles gibt es keinen Beweis dafür, dass Garvey je in seinem Leben eine solche Voraussage über einen göttlichen schwarzafrikanischen König gemacht hat. Hätte er es jedoch getan, wäre es eine höchst ungewöhnliche Abwendung von seiner streng politischen Haltung, denn obgleich er sich manchmal in seinen Reden kirchlicher Rhetorik bediente, gab er sich weder als Prediger noch als Prophet.

      Überdies nahm er eine höchst kritische Haltung gegenüber Selassie ein und betrachtete die erfolgreiche Eroberung Äthiopiens durch Mussolini Mitte der dreißiger Jahre als den Tiefpunkt der kaiserlichen Unfähigkeit des Königs der Könige. Obwohl es Garveys UNIA-Anhängern gestattet worden war, bei einer inzwischen berühmten Straßenparade am Sonntag, dem 4. Januar 1931, zusammen mit Mitgliedern der Black Jews, Plakate von Garvey und Selassie mitzuführen, sollte Garvey selbst später zu einem offenen Widersacher derjenigen werden, die Selassies Göttlichkeit propagierten. Anfang 1933 weigerte er sich unerbittlich, dem Rasta-Führer Leonard Percival Howell die Erlaubnis zu geben, Bilder des Kaisers in Garveys Hauptquartier in Edelweiss Park in Kingston zu verteilen. Und in seinen Begrüßungsworten bei einer Sitzung während des UNIA-Kongresses 1934 »wies Mr. Garvey auch auf den Ras Tafari-Kult hin« – so die Ausgabe der Jamaica Times vom 25. August – »und sprach von ihm mit Verachtung«.

      Es hat den Anschein, als sei die aufrüttelnde Mahnung, »nach Afrika zu blicken«, stattdessen von dem Rev. James Morris Webb ausgesprochen worden, einem Geistlichen/Mystiker aus Chicago, der Mitstreiter Garveys war und Autor eines Buchs, das 1919 im Mittleren Westen der USA erschien und den Titel trug: A Black Man Will Be the Coming Universal King, Proven by Biblical History. Webb sprach die schicksalshaften Worte bei einem UNIA-Kongress im September 1924. Und wenn Garvey, wie unbeabsichtigt auch immer, in der Vorstellung der meisten Gläubigen zum Vater des Rastafarianismus wurde, so war er im Grunde nur der Erbe einer Tradition messianischen schwarzen Mystizismus, der schon seit geraumer Zeit auf Jamaika und anderswo blühte.

      Der spirituelle Pionier der Zurück-nach-Afrika-Bewegung war Alexander Bedward, ein jamaikanischer Wunderheiler und Kräutersammler, von dem man sagt, er habe in den ersten Jahren nach 1900 in Voraussicht auf den Tag, an dem der schwarze Mann zum Vorherrscher werde, in Spanish Town Wunder vollbracht. Wie so viele seiner umstrittenen Kollegen endete auch er in einer Heilanstalt für Geisteskranke, wo er 1921 eingeliefert wurde und 1933 starb.

      Begründet ist der Rastafarianismus jedoch auf der Holy Piby, der ›Bibel des schwarzen Mannes‹, die von einem gewissen Robert Athlyi Rogers aus Anguilla zwischen 1913 und 1917 zusammengestellt wurde. Es war kein Zufall, dass sie im selben Jahr – 1924 – veröffentlicht wurde, als Rev. Webb seine Erklärung abgab. Ein Geistlicher aus Barbados mit Namen Rev. Charles F. Goodridge war in Colon, Panama, auf die geheime Bibel gestoßen. Zur gleichen Zeit wurden jedoch große Mengen des Buches in Newark, New Jersey, von anderen Gläubigen gedruckt, und von dort aus wurden Exemplare der Piby nach Kimberly in Südafrika verschifft, wo Missionare, die die schwarze Vorherrschaft predigten, für die Arbeiter aus den Diamantenfeldern eine Kirche mit dem Namen Afro-Athlican Constructive Church (AACC) gründeten. Bei seinen Bekehrungsbemühungen tat sich Goodridge mit einer Frau namens Grace Jenkins Garrison zusammen, und gemeinsam brachten sie die Doktrin der Holy Piby 1925 nach Jamaika, wo sie unter dem Namen Hamatic Church einen Ableger der AACC ins Leben riefen.

      Da sie augenblicklich auf starken Widerstand der Fundamentalisten, der Revivalisten und konventioneller christlicher Kirchenführer stießen, weil sie Anhänger der okkulten Bibel waren, flohen Goodridge und Garrison vor der Verfolgung in das Buschgebiet der Gemeinde von St. Thomas im östlichen Jamaika, und dort wurde die junge Saat des Rastafarianismus gepflegt. Frühe Rasta-Führer wie Leonard P. Howell fanden ihren Weg in die verbotenen Lager, um die Holy Piby zu lesen – angeblich der ersten Bibel am nächsten kommend, von der man sagte, sie sei auf Amharisch geschrieben (jahrhundertelang die offizielle Sprache von Äthiopien, und, wie behauptet wird, die ursprüngliche Sprache der Menschheit). Goodridge und Garrison behaupteten, dass weiße Kirchengelehrte unter den ersten Päpsten die amharische Bibel durch Übersetzung und Bearbeitung entstellten, um Gott und seine Propheten zu Weißen statt Schwarzen zu machen. In der Piby gab es ein Kapitel unter der Überschrift ›Die Lebenskarte des schwarzen Mannes‹, in dem sein schwieriges, aber schließlich glorreiches Schicksal von der Schöpfung bis zum Harmageddon und darüber hinaus dargestellt wurde.

      Die frühen Rasta-Songs und Gesänge einschließlich des traditionellen ›Rasta Man Chant‹, den Bob Marley Mitte der siebziger Jahre aufnehmen sollte, waren der Piby entnommen, wo sie in ›glossolalia‹, einer kaum verständlichen ›Engelssprache‹, aufgezeichnet waren, die sich als dem ritualistischen Jargon sehr ähnlich erwies, der in den dreißiger und vierziger Jahren von dem selbsternannten englischen Magier Aleister Crowley, dem sogenannten ›Great Beast‹, in seinen okkulten Golden Dawn-Zeremonien verwendet wurde.

      Unter denjenigen, die in St. Thomas die Piby studierten, befand sich der Rev. Fitz Balintine Pettersburgh, der 1926 ein gleichermaßen geheiligtes Dokument bei der geheimen Bruderschaft der Piby einführte. Es handelte sich um die Royal Parchment Scroll of Black Supremacy, welche Pettersburgh als das ›oberste Buch der königlichen Gesetze für das äthiopische Zentrum im Westen‹ bezeichnete. In dieses Buch nahm Pettersburgh die Prophezeiung des Rev. James Webb auf, in der die Entstehung eines neuen äthiopischen Kaiserreichs unter der Herrschaft eines schwarzen Gottkönigs beschrieben wurde. Besonderen Anklang fand die Royal Parchment Scroll (Königliche Schriftrolle aus Pergament) bei den panafrikanischen ›Ethiopianist‹-Organisationen wie der Ethiopian Guild und der Brotherhood Mission, die auf Jamaika aufblühten. Das letzte Teil in dem theologischen Puzzle-Spiel war der Promised Key, auch die Rasta-Bibel genannt, wobei es sich um ein Plagiat der Royal Parchment Scroll durch Leonard P. Howell handelte. Scharlatan, der er bestimmt auch war, machte Howell neue Anhänger glauben, es handele sich bei dem Buch um ein uraltes Werk, das in Akkra, der Goldküste, entstanden war, aber tatsächlich hatte er selbst es 1935 auf Jamaika herausgebracht.

      Während all dies auf Jamaika geschah, hatte Marcus Garvey, der herausragendste Exponent panafrikanischer Hoffnungen und Sehnsüchte, in den Vereinigten Staaten seine Schwierigkeiten mit der Mission von einer Repatriierung der schwarzen Masse. 1922 wurden er und drei Funktionäre der UNIA wegen Betrugs festgenommen. 1923 wurde Garvey wegen Betrugs und Einkommensteuerhinterziehung vor Gericht gestellt und verurteilt (er behauptete, man habe ihm eine Falle gestellt), und nachdem seine Berufungen abgeschmettert worden waren, saß er im Bundesgefängnis in Atlanta ein, bis Präsident Calvin Coolidge 1927 seine Strafe aussetzte. Im Dezember desselben Jahres wurde er über Panama nach Jamaika deportiert, und fast hätte man ihm die Einreise in sein Heimatland verweigert.