Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

Читать онлайн.
Название Unbestreitbare Wahrheit
Автор произведения Mike Tyson
Жанр Зарубежная психология
Серия
Издательство Зарубежная психология
Год выпуска 0
isbn 9783854454427



Скачать книгу

den Akteuren großer Kämpfe trafen. Er setzte mich zum Abendessen mit ihnen an einen Tisch, um mich mit ihnen bekanntzumachen und damit ich mich von keinem Kämpfer einschüchtern ließ.

      Ich war richtig begeistert über den Kampf in Atlantic City, der auch noch auf ESPN übertragen wurde. Mein Gegner, ebenfalls ungeschlagen, hatte eine 7:0-Kampfbilanz mit fünf Knockouts. Eingeführt wurde ich als „Der Baby-Rabauke“, wobei ich von der Rolle als Baby nichts wusste: Ricky Spain ging in der ersten Runde zweimal zu Boden, worauf der Ringrichter den Kampf abbrach.

      Jimmy und Cayton versuchten mir einen regelmäßigen Sendeplatz bei ESPN zu verschaffen, aber Bob Arum, der die Kämpfe förderte, sagte ihnen, dass seine Matchmaker mich nicht für besonders talentiert hielten. Cus war deswegen stinksauer. Er hasste Arums Matchmaker und arbeitete nie wieder mit ihm zusammen.

      Aber diese ganze Politik interessierte mich nicht. Ich konnte meinen nächsten Kampf kaum erwarten. Er fand wiederum in Atlantic City statt, am 11. Juli gegen John Alderson, einen großen rustikalen Typen aus West Virginia, der ebenfalls eine Kampfbilanz von vier Siegen in vier Kämpfen vorzuweisen hatte. Auch dieser Kampf wurde auf ESPN übertragen. Ich schickte Alderson in der zweiten Runde mehrfach zu Boden. Nachdem er in seine Ecke zurückgekehrt war, brach der Ringarzt das Spiel ab.

      Auf 6:0 steigerte ich meine Bilanz im nächsten Kampf gegen Larry Sims, machte Cus dabei aber richtig wütend. Sims war echt gewieft und plump, einer dieser netten Fighter. In der dritten Runde wechselte ich in die Rechtsauslage und schickte ihn mit einem wuchtigen Punch zu Boden. Im Umkleideraum stellte mich Cus zur Rede.

      „Wer hat dir diesen Linkshänderscheiß beigebracht? Jetzt wird’s vielleicht schwierig, Kämpfe für dich zu kriegen“, sagte er. „Gegen Linkshänder treten die Leute ungern an. Du bist dabei, alles zu ruinieren, was ich aufgebaut habe.“ Cus hasste Linkshänder.

      „Tut mir leid, Cus“, entschuldigte ich mich. Aber war es nicht blöd, sich für einen spektakulären Knockout zu entschuldigen?

      Einen Monat später stand ich wieder im Ring, erledigte in einer Runde Lorenzo Canady und trat drei Wochen später in Atlantic City gegen Mike Johnson an. Als wir uns zur Belehrung aufstellten, machte Johnson ein so arrogantes Gesicht, als hasse er mich persönlich. Binnen Sekunden schickte ich ihn mit einem linken Haken in die Nieren zu Boden, und als er wieder aufstand, verpasste ich ihm eine spektakuläre Rechte, die ihn so schwer traf, dass zwei seiner Schneidezähne im Mundschutz steckenblieben. Ich wusste, dass er lange brauchen würde, um wieder hochzukommen. Kevin sprang in den Ring. Lachend klatschten wir uns wie zwei kleine Angeber ab, so nach dem Motto: Ha ha, schau dir den toten Nigga an, Kevin.

      Ich hatte jetzt acht von acht Kämpfen gewonnen, mit acht Knockouts. Jimmy und Cus nutzten alle ihre Kontakte bei der Presse, um mir Anerkennung zu verschaffen. Ich reiste nach New York und aß mit Jimmy und seinen Freunden von den Zeitungen zu Mittag. Wir hofierten die Presse regelrecht. Allmählich tauchte ich auch in den Klatschkolumnen auf, weil ich mich inzwischen in New Yorker Hotspots wie dem Restaurant Columbus an der Upper West Side herumtrieb. Ich freundete mich mit dem Fotografen Brian Hamill an, der mich mit seinem Bruder Pete, einem bekannten Schriftsteller, bei den ganzen Stars einführte. Pete hatte mich in die Bar abgeschleppt, in der wir dann mit Paulie Herman, einem der Inhaber, zusammensaßen. In New York war Paulie damals der gefragteste Mann. Mir kam es vor, als sei er berühmter als all seine prominenten Gäste. Jeder wollte in seiner Nähe sein, mit ihm am Tisch sitzen und ihn um einen Gefallen bitten. Irgendwie kam er mir wie ein Mafiaboss vor.

      Man war nie darauf gefasst, wen man im Columbus kennenlernte. Pete ließ mich manchmal bei Paulie zurück. Irgendwann saßen David Bowie, Mikhail Baryshnikov und Drew Barrymore, damals noch blutjung, mit uns am Tisch. „Das ist heftig“, dachte ich, „verlier jetzt bloß nicht die Nerven.“ Ein anderes Mal schneiten Robert de Niro und Joe Pesci herein und ließen sich nieder. Wir plauderten miteinander, als Paulie irgendwann sagte: „Hey Mike, wir gehen jetzt mal alle weg.“ Und peng, fünf Minuten später saß ich bei Liza Minelli zu Hause und schwatzte mit Raúl Juliá.

      Am Ende lernte ich all diese angesagten Typen der New Yorker Szene kennen. In diesem Kreis bekam ich mit, dass gerade zu der Zeit, als ich in die Szene kam, etwas ganz Besonderes untergegangen war, das man heute noch in der Musik von Elton John, Stevie Wonder oder Freddie Mercury spürt. Man wusste, dass sie in einer ganz besonderen Szene verkehrt hatten, die jetzt nicht mehr da.

      Die Bekanntschaft mit all diesen Superstars war für mich allerdings keine Bestätigung, dass ich es geschafft hatte. Die erhielt ich erst, als ich den Wrestler Bruno Sammartino kennenlernte. Als Junge war ich ein großer Wrestling-Fan gewesen und ganz begeistert von Sammartino, Gorilla Monsoon und Billy Graham. Eines Abends lernte ich jedenfalls auf einer Party Tom Cruise kennen, der damals am Anfang seiner Karriere stand. Und dort sah ich auch Bruno Sammartino. Stars faszinierten mich absolut. Ich starrte ihn einfach an. Jemand stellte uns einander vor. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer ich war, aber ich zählte ihm sämtliche großen Kämpfe auf, die ich von ihm gesehen hatte, zum Beispiel die gegen Killer Kowalski, Nikolai Voltoff oder George „The Animal“ Steele. In meinem kranken, größenwahnsinnigen Hirn dachte ich: „Das ist ein Zeichen meiner Größe. Mein Held ist bei mir. Ich werde so groß wie er und erringe den Weltmeistertitel.“

      Cus war weniger begeistert, dass ich immer mehr Zeit in Manhattan verbrachte. Wenn ich in der Stadt war, pennte ich immer bei Steve Lott auf der Couch, Jimmy Jacobs rechter Hand. Steve war ein Model-Junkie und schleppte mich in den Nautilus Club oder andere Bars, in denen sich hübsche Mädchen herumtrieben. Ich war damals allerdings damit beschäftigt, wie ich zu meinem Gürtel kam, sodass ich noch nicht dauernd darauf aus war, Mädchen ins Bett zu kriegen. Ich versuchte, anständig zu sein, und hielt mich zurück. Meine Schwäche war damals das Essen. Steve war ein großartiger Koch. Wenn ich in die Nachtclubs ausschwärmte und zurückkam, wärmte er mir ein paar Reste chinesischer Snacks auf. Nach ein paar Tagen kehrte ich nach Catskill zurück – und Cus drehte schier durch.

      „Schau deinen Arsch an. Der wird immer fetter“, sagte er kopfschüttelnd.

      Mein nächster Kampf war mein erster richtiger Test. Am 9. Oktober trat ich in Atlantic City gegen Donnie Long an. Long hatte über die volle Distanz gegen James Broad, ein taffes Schwergewicht, und gegen John Tate durchgehalten, den ehemaligen WBA-Weltmeister im Schwergewicht. Mir war klar, dass es in der Boxszene einen guten Eindruck machen würde, wenn ich Long umgehend erledigte. Long ging zuversichtlich in den Kampf und sagte Al Bernstein von ESPN, er könne mich mit Treffern übertrumpfen. Die Nacht wurde für den „Master of Desaster“, den Herrn des Desasters, wie Long genannt wurde, allerdings tatsächlich zum Desaster, kaum dass der Gong ertönt war. Ich ging mit blitzschnellen wilden Schlägen auf ihn los und schlug ihn Sekunden nach Beginn mit einem linken Schwinger nieder. Kurz darauf brachte ich ihn mit einem rechten Aufwärtshaken zum Straucheln und gab ihm mit einer Kombination aus einem rechten Uppercut und einem linken Haken den Rest. Für den Sieg benötigte ich knapp eineinhalb Minuten.

      Nach dem Kampf interviewte mich Al Bernstein.

      „Ich hatte wirklich erwartet, dass Donnie Long für Sie ein ziemlich harter Gegner sein würde. War er aber nicht!“, sagte Al.

      „Na, wie ich Ihnen heute schon sagte: Wenn ich ihn in einer oder zwei Runden k.o. schlage, sehen Sie das immer noch so?“

      „Ich dachte, man müsse davon ausgehen, dass er es ist. War er aber offenbar nicht“, sagte Al.

      „Tja, jetzt war er kein …“, lachte ich.

      „Nein. Er war ein harter Gegner. Ich sage das nur deshalb, weil Sie ihn ja geschlagen haben.“

      Ich wusste als Einziger von Anfang an, dass es kein Schwindel war. Ein Haufen Leute haben sich den Kampf angeschaut. Jesse Ferguson kam, die Fraziers kamen. „Kommt alle her und holt euch euer Fett ab. Hier wartet Mike Tyson. Er wartet auf euch. Holt euch alle euer Fett ab.“

      Ich war damals fast überfokussiert und lebte nicht wirklich in der Realität. In einem Interview für Sports Illustrated sagte ich: „Am meisten stört mich, dass ich von Leuten umgeben bin, die dauernd Spaß haben, Partys feiern und so weiter. Das macht einen weich. Leute, die nur Spaß haben wollen, kriegen nichts