Название | Rhythmen des Lebens - Die erste Genesis-Autobiografie |
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Автор произведения | Mike Rutherford |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454588 |
Ich kam am 13. Oktober 1986 in Großbritannien an und eilte kurz nach Hause, um die Kinder zu sehen. Dann fuhr ich mit Angie zur Beerdigung in Aldershot. Noch am Abend zuvor stand ich vor Tausenden auf einer Bühne, und nun saß ich in einem Wagen auf dem Weg zu einer englischen Kirche, um meinem Vater ein letztes Lebewohl zu sagen. Danach plante ich, direkt nach LA zurückzufliegen.
Ich brauchte dringend Beistand, und so fragte ich Angie, ob sie mich für nur eine Nacht begleite. Während wir in der Kirche trauerten, machte sich deshalb irgendjemand auf den Weg zu unserem Haus, um ihren Pass zu holen. Danach ging es direkt nach Heathrow, wo wir uns zum ersten Reiseabschnitt in die Concorde setzen. Angie trug noch immer ihre Trauerkleidung und führte nur eine Handtasche mit sich.
Nach der Ankunft in New York wartete auf uns ein Wagen auf dem Rollfeld, der uns zu einem Privatjet brachte, mit dem wir nach LA fliegen sollten. Ich glaube, dass mir in diesem Moment das ganze Ausmaß der Geschehnisse bewusst wurde. Wir flogen mit der Sonne Richtung Westen, und der Tag zog sich endlos in die Länge. Während sich die Maschine LA näherte, rückte die Kirche in Aldershot immer weiter in den Hintergrund. Nur wir und einige Mitglieder der Crew hielten sich im Flieger auf. Es war sehr, sehr ruhig, und die Sonne ging einfach nicht unter. Mich beschlich das Gefühl, den Orientierungspunkt im Leben verloren zu haben.
Später fand ich heraus, dass sich Elton John und sein Promoter Gary Farrow unter das Publikum in LA gemischt hatten. Die beiden wussten, was geschehen war, und verbrachten die Zeit vor der Show mit Spekulationen, ob ich es rechtzeitig zum Auftritt schaffen würde. Die Band versuchte sich schon auf Songs zu einigen, die sie ohne mich spielen konnte. Auch eine Absage des Konzerts stand zur Diskussion. Dank einer Polizeieskorte, die mich vom Flughafen zum Auftrittsort geleitete, kam ich jedoch 20 Minuten vor der Show an.
Die Behauptung, dass ich das Konzert meinem Vater gewidmet hätte, mag vielleicht ein wenig übertrieben klingen, aber als ich die beklemmenden Akkorde von „Mama“ hörte, diesen ursprünglichen, simplen Beat, empfand ich es so. Vater lehrte mir, dass man seine Verpflichtungen erfüllt – eine einfache, unumstößliche Regel. An dem Abend brachte ich exakt diese Grundhaltung in das Konzert ein. Ich schätze, er hätte das mit Wohlwollen honoriert.
Ich ging mit Angie zu Bett, und als sie schließlich eingeschlafen war, drehten sich meine Gedanken im Kreis. Wie bizarr war das doch alles. Ich hatte meinen Vater am Morgen beerdigt, flog in der Zeit rückwärts und war gerade noch rechtzeitig für den Gig angekommen. Auch mein Vater befand sich auf einer Reise, und ich war mir nicht sicher, wie ich das alles einordnen sollte.
Nach dem Ableben von Mum 1992, also sechs Jahre später, war ich erneut mit dem Tod Dads konfrontiert. Nicky hatte das Haus ausgeräumt und mir drei abgenutzte, mit Leder bezogene Schrankkoffer Dads geschickt. Einer davon hatte Großvater gehört.
Mutters Tod belastete mich damals gerade sehr, genauso wie die Tatsache, dass wir das erste und einzige Zuhause meiner Eltern in Farnham verkaufen mussten. Es war das Ende eines Lebensabschnitts, und ich fühlte mich noch nicht bereit, in die Koffer zu schauen, da dadurch vielleicht Gefühle ausgelöst würden, denen ich mich noch nicht stellen konnte. Ich gehörte schon immer zu den Menschen, die ihre Emotionen gut verstecken. So landeten die Koffer auf dem Dachboden über meinem Studio, wo sie einige Jahre unberührt lagerten.
Ich weiß nicht, wann ein Zeitpunkt ideal ist, um sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es war denn auch nicht beabsichtigt, aber eines Tages – ich litt an einer Schreibblockade – dachte ich plötzlich an die Koffer. Kurze Zeit später stand ich auf dem Speicher. Welchen sollte ich zuerst öffnen? Ich entschied mich dafür, gleichzeitig einen Koffer von Dad und den von Opa zu inspizieren. Als ich die Deckel geöffnet hatte, verblüffte mich am meisten die militärische Präzision, mit der alles penibel und sauber verstaut worden war. Großvaters Papiere und Akten waren mit elastischen Bändern zusammengeschnürt, während Dads Unterlagen sorgfältig in Plastikordnern steckten. Letzteres schockierte und verblüffte mich, da ich mich selbst mit solchen Ordnern umgab – und ich bin niemals beim Militär gewesen.
Ich fand dort Papiere, Geschichtsbücher zur Marine aus Dartmouth, Memorabilia aus dem Krieg, die Medaillen, den Orden „Commander of the order of the British Empire“, Auszeichnungen für besondere Leistungen und seine Krankenakte. Sogar sein Schwert lag in der Truhe. In Großvaters Koffer befanden sich ähnliche Unterlagen, aber ich fand auch zwei Bücher, die er geschrieben hatte: Soldiering with a Stethoscope und Memoirs of an Army Doctor. Unter den Papieren fand ich ausgezeichnete Kritiken zu den Büchern, in denen Colonel Rutherford in höchsten Tönen gelobt wurde. Der Koffer von Dad enthielt ein Manuskript seiner Memoiren sowie einen unterstützenden und wohlwollenden Brief von David Niven, dessen Meinung er offensichtlich eingeholt hatte. (Vater war ein Fan von Nivens Vielleicht ist der Mond nur ein bunter Luftballon gewesen.) Dennoch fiel mir die Absage eines Verlegers in die Hände, der meinte: „Heutzutage werden Lebensläufe von Angehörigen des Militärs nicht sonderlich nachgefragt. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir den Titel nicht akzeptieren können.“
Ich konnte in diesem Moment Dads Enttäuschung förmlich spüren.
Letztes Jahr schnappten sich meine Söhne Vaters Manuskript und ließen daraus ein in Leder eingeschlagenes Buch binden. Sie schenkten es mir zu Weihnachten, was mich vollkommen überwältigte. Generell vermag ich meine Gefühle, wie gesagt, sehr gut zu verbergen, doch an diesem Tag fiel es mir schwer. Ich setzte mich hin, las das Buch von vorne bis hinten und begann das Leben meines Vaters wie ein Puzzle zusammenzusetzen. Nicht nur seine Laufbahn in der Marine erfüllte mich mit Stolz, sondern auch das Erbe, das er mir hinterlassen hatte …
Ich erblickte im Mai 1906 in einer Londoner Entbindungsklinik das Licht der Welt. Mein Vater war damals als Stabsarzt in den Chelsea Barracks stationiert. Er führte zuerst eine Privatpraxis, trat dann dem Royal Army Medical Corps bei und wurde zum Krieg in Südafrika abberufen, nach dessen Ende er meine Mutter ehelichte. Sie gehörte zu den Cloetes, einer der alten Familien am Kap, die 1652 nach Südafrika übergesiedelt waren und keine Zeit verloren hatten, die Anzahl der Familienmitglieder drastisch zu erhöhen.
Mein Vater wurde im Zeitalter des Empire geboren, einer Ära, charakterisiert durch Erzherzöge, Kaiser und eine vielversprechende Karte der Welt. Die Marine von Edward VII beherrschte die Meere. Sie hatte seit der Schlacht von Trafalgar keinen Gegner mehr gesehen, der ihr die Stirn bieten konnte. Haushalte wie der meines Vaters wurden meist von Kindermädchen mit Unerbittlichkeit und eiserner Faust regiert.
Die Reisen von Dad begannen im Alter von zehn Jahren, als Opa nach Südafrika zurückkehrte – mit der Nanny im Schlepptau, obwohl ich an ihrer Freude an dem Umzug zweifle.
Wir erreichten Durban. Nachdem wir von Bord gegangen waren, konnte ich mich an der ersten Fahrt in einer Rikscha erfreuen, einem zweirädrigen Gefährt, von einem Zulu gezogen, der zwischen den beiden Holzholmen lief. Der eher spärlich bekleidete Mann trug dekorative Kleidung und einen Kopfschmuck aus Hörnern. Von Zeit zu Zeit hüpfte er mit einem das Blut gefrieren lassenden Schrei in die Luft, wobei die Fahrgäste beinahe aus den Sitzen fielen. Ich konnte mich köstlich über Nanny amüsieren, eine Anhängerin der damals allgemein verbreiteten Ansicht, dass schon in Calais das Land der schwarzen Rasse begann. Diese Erlebnisse raubten ihr den Atem und ließen sie verstummen.
Drei Jahrzehnte später hielt sich Vater erneut in Durban auf, wo er meiner Mutter Anne begegnete. Zu der Zeit absolvierte er seinen Dienst als stellvertretender Captain des schweren Kreuzers „Suffolk“, der dort für eine Überholung vor Anker gegangen war. Er traf Mum bei einer Wohltätigkeits-Tanzveranstaltung, und die beiden heirateten nur sechs Wochen später. Trotz des eher impulsiven Charakters meiner Mutter erscheint mir das dennoch als sehr schnell. Egal, das glückliche Brautpaar genoss sechstätige „Flitterwochen“, wonach Dad wieder in See stach, diesmal nach Trincomalee in Sri Lanka. Die beiden sahen sich erst nach einer Trennungszeit von zehn Monaten wieder.
Meine Eltern fielen sich in England am VE-Day erneut in die Arme, an dem die Alliierten den Sieg in Europa feierten. Mum war mit einem Truppentransporter