Please Kill Me. Gillian McCain

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Название Please Kill Me
Автор произведения Gillian McCain
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454236



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dass wir zum Publikum auch nur ein Wort gesagt haben, kein „Dankeschön“, kein „Schön, dass ihr gekommen seid“ oder „Heute Abend machen wir mal richtig einen drauf“.

      Wir sind einfach auf die Bühne gegangen, haben uns einen Schuss gesetzt, Gewichte gestemmt, haben sie mit Blitzlichtgeräten geblendet, Peitschen vor ihren Gesichtern knallen lassen und auf der Bühne so getan, als würden wir uns gegenseitig ficken, und im Hintergrund liefen Andys Filme, und die Velvets spielten mit dem Rücken zum Publikum.

      Gerard Malanga: Nach unserem Auftritt in der Cinemathèque haben wir die Show als seriöses Gesamtkonzept angesehen – der Peitschentanz und „Venus In Furs“ waren wirklich eine gelungene Kombination. Deshalb habe ich angefan­gen, für einige der anderen Songs Tableaus zu entwickeln, weil ich einfach keine Lust hatte, auf der Bühne zu jedem Song meine Peitsche zu schwingen, weil das ziemlich bescheuert ausgesehen hätte.

      Paul Morrissey: Gerard machte es großen Spaß, mit uns zu tanzen. Er stand einfach nur auf der Bühne und ließ neben ihnen die Hüfte kreisen. Und dann holte er eine Peitsche hervor, und dann stand plötzlich Mary Woronov da, und ziemlich ausgefallene Frauen kamen auf die Bühne, so eine Art Go­go­Girls.

      Die waren für unsere Show eine enorme Bereicherung. Gerard war groß­artig. Es war wirklich eine enorme Bereicherung, die Leute auf diese Art tanzen zu sehen. Und man muss es den Velvets wirklich hoch anrechnen, dass sie sich auf der Bühne nicht bewegt haben. Das war eine Art Huldigung. Und dann betrat natürlich Nico die Bühne, mit ihrem faszinierenden Gesicht und dieser wunderbaren Stimme, und stand vollkommen regungslos auf der Bühne. Sie strahlte eine unglaubliche Noblesse und Würde aus.

      Jetzt musste ich mir also für diese Show einen Namen ausdenken, für die Lichteffekte und die Tänzer, die Velvet Underground und Nico begleitet haben, und deshalb schaute ich mir dieses dämliche Dylan­Album an, das mich irgend­wie auch ein wenig faszinierte, ich weiß nicht mehr genau, welches es war, aber ich glaube mich zu erinnern, dass auf der Rückseite des Covers ein Foto von Barbara Rubin abgebildet war. Also las ich mir das Gestammel auf dem Cover durch und sagte: „Hier, hört mal, nehmt das Wort ‚explodierend‘, ein bisschen ‚Plastik‘ und ‚unvermeidlich‘, was auch immer das heißen mag.“

      Andy Warhol: Uns war allen klar, dass hier etwas Revolutionäres passierte. Wir spürten das einfach. Es war einfach undenkbar, dass etwas derart Merkwürdi­ges und Innovatives geschah, ohne dass irgendwelche Grenzen niedergerissen wurden. „Das ist wie das sich teilende Rote Meeeeer“, sagte Nico zu mir, als sie eines Abends neben mir auf dem Balkon des Dom stand und das Szenario von

      oben betrachtete.

      Paul Morrissey: Wir sind etwa einen Monat lang im Dom am St. Mark’s Place aufgetreten, und dann sind wir nach L. A. gegangen und haben dort unsere Show in einem Nachtclub namens Trip am Sunset Boulevard abgezogen, falls man sich darunter etwas vorstellen kann. Pathetische Hippiescheiße. Dem Dom haben wir den Rücken gekehrt, weil es dort keine Klimaanlage gab und der Sommer vor der Tür stand, und es wollten sowieso alle nach L. A. Das hörte sich nach ’ner Menge Spaß an.

      Dann kam Bill Graham aus San Francisco und flehte mich an, ich solle Vel­vet Underground für seine runtergekommene Spelunke, das Fillmore, dieses Saufaus­Kotzorium, buchen. Mein Gott, war der Mann eine Nervensäge! Und alle sprechen immer von ihm, als wäre er ein Heiliger. Zum Kotzen! Einfach vollkommen daneben. Ein richtiges Monster. Er kam nach L. A. und heulte fast. Er versuchte mich mit dem Argument zu überzeugen, dass dann ein verlän­gertes Feiertagswochenende wäre und „wissen Sie, ich muss so hart dafür kämp­fen, dass ich mich mit meinem Laden über Wasser halten kann, und ich stehe kurz vor dem Bankrott, und die Polizei will mir meinen Laden dichtmachen, und sie flicken mir dies am Zeug und das am Zeug, und ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich überleben soll, und Ihre Show ist so berühmt, und es würde meinen Laden retten, wenn Sie nach San Francisco kämen …“

      Mary Woronov: Wir hatten überhaupt keine Lust, nach San Francisco zu gehen. Dieses Kalifornien war wirklich merkwürdig. Wir waren vollkommen anders als die Leute dort. Sie hassten uns, weil wir schwarze Lederklamotten trugen, wäh­rend man dort in den wildesten Farben herumlief und alles super fand: „Oh, super, ein Happening!“ Wir hingegen lasen Jean Genet. Wir waren für Sadomaso und sie für die freie Liebe. Wir standen wirklich auf Schwule, aber an der West­küste herrschte ein total homophobes Klima. Deshalb dachten sie von uns, wir wären das Übel, und wir dachten von ihnen, dass sie ziemlich bescheuert wären. Außerdem kam hinzu, dass wir alle ziemliche Nervenbündel waren, weil wir alle … nun, ich war auf Speed. Und als wir das Fillmore betraten, spulten die Mothers of Invention nicht einfach ihr Programm runter, wie man das von ihnen gewohnt war, sondern es tanzten Leute im Vordergrund, genauso, wie Gerard und ich es bei den Velvets gemacht hatten. Darüber waren wir natürlich stock ­sauer, und Lou hätte sie am liebsten alle erwürgt; nach ihrem Auftritt haben die Mothers ihre Instrumente einfach an den Verstärker gelehnt, wodurch es eine Rückkopplung gab, und sind dann einfach von der Bühne marschiert.

      Und San Francisco hat noch nicht einmal gemerkt, dass der Set gelaufen war.

      Maureen Tucker: Ich konnte diese Love­und­Peace­Scheiße auf den Tod nicht ausstehen.

      Gerard Malanga: Einmal kam auch Jim Morrison ins Trip. Er war damals Film­student in L. A. und kupferte, so erzählt man es sich jedenfalls, meinen Look ab, die schwarze Lederhose, nachdem er mich damit auf der Bühne tanzen sehen hatte.

      Paul Morrissey: Während unseres Aufenthalts in L. A. sind wir in ein Tonstu­dio gegangen und haben unser erstes Album aufgenommen. Dieses Album war in zwei Nächten fertig und hat ungefähr dreitausend Dollar gekostet, was damals eine Menge Geld war. Andy hatte noch nie für etwas so viel Geld aus­gegeben. Die Warhol­Filme haben alle nur ein paar hundert Dollar das Stück gekostet. Andy dermaßen viel Geld aus dem Kreuz zu leiern war für mich …

      Andy Warhol: Während der ganzen Zeit, als das Album aufgenommen wurde, schien niemand mit dem Ergebnis so richtig glücklich zu sein, vor allem Nico nicht.„Ich will, dass es wie Bawwwhhhb Deee­lahhhn klingt“, jammerte sie und war völlig verzweifelt, weil es nicht klappen wollte.

      Lou Reed: Andy versuchte immer wieder sicherzugehen, dass die Sprache auf unserem ersten Album authentisch blieb. Ich glaube, dass es Andy vor allem darum ging, die Leute zu verblüffen und zu schocken und zu verhindern, dass wir uns bequatschen ließen und Kompromisse eingingen. Er sagte: „Ihr müsst unbedingt darauf bestehen, dass die schmutzigen Wörter drinbleiben.“ In dem Punkt war er völlig unnachgiebig. Er wollte nicht, dass irgendwelche schmut­zigen Wörter rausgeschnitten wurden, und weil er ständig dabei war, passierte das auch nicht. Und als Konsequenz daraus wussten wir sehr schnell, was es bedeutet, sich nicht beirren zu lassen.

      Iggy Pop: Zum ersten Mal habe ich die Platte von Velvet Underground und Nico auf einer Party auf dem Campus der University of Michigan gehört und habe den Sound auf Anhieb gehasst und mir gedacht: „WIE IST ES BLOSS MÖGLICH, DASS JEMAND EINE PLATTE MACHT, DIE SICH WIE EIN RIESENGROSSES STÜCK SCHEISSE ANHÖRT? MANN, IST DAS EKEL­HAFT! ALL DIESE LEUTE MACHEN MICH VERDAMMT KRANK! DIESES VERDAMMTE HIPPIE­GESOCKS! VERDAMMTE BEATNIKS! DENEN WÜRDE ICH AM LIEBSTEN ALLEN DEN HALS UMDREHEN! DAS KLINGT JA WIE DER ALLERLETZTE SCHROTT!“

      Und dann, sechs Monate später, bin ich total drauf abgefahren. „O mein Gott! WOW! Das ist einfach eine verdammt gute Platte!“ Die Platte wurde für mich zum Schlüsselerlebnis, nicht wegen dem, was sie aussagte, und weil sie großartig war, sondern weil ich andere Leute hörte, die ebenfalls gute Musik machen konnten – ohne dass sie herausragende Musiker waren. Das gab mir Hoffnung. Das war dasselbe wie damals, als ich Mick Jagger zum ersten Mal singen hörte. Er kann nur eine Note singen, es hat überhaupt keinen Klang, und er singt einfach nur „Hey, well baby, baby, I can be oeweowww …“ Jeder Song ist gleich monoton, und es ist einfach nur dieses Kindergeschwätz. Bei den Velvets war es genauso. Der Sound war ziemlich billig und trotzdem ziem­lich gut.

      Paul Morrissey: Bei Verve/MGM wusste man nicht, was sie mit dem Album Velvet Underground and Nico anfangen sollten, weil es einfach sehr merkwür­dig war. Sie haben es auch nach einem Jahr noch nicht veröffentlicht, und ich glaube, dass sich in dieser Zeit in Lous Kopf der Gedanke manifestiert