Название | Der Serienmörder von Paris |
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Автор произведения | David King |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454366 |
Ein deutscher Tagedieb namens Eugen Weidmann hatte Touristen in seine kleine Villa im Westen von Paris, nahe St. Cloud, gelockt, wo er sechs Menschen ermordete, ausraubte und sie danach im Keller vergrub. Weidmann wurde schließlich aber doch gefasst, zum Tod durch die Guillotine verurteilt und im Juni 1939 hingerichtet. Die riesige pöbelnde und krakeelende Menschenmenge, die sich an dem Tag vor dem Gefängnis St. Pierre in Versailles versammelte, veranlasste den französischen Präsidenten Lebrun neun Tage später dazu, öffentliche Hinrichtungen abzuschaffen.
Nun, fast fünf Jahre nach dem Fall Weidmann, sorgte in Paris ein weiterer Serienmörder für Schrecken und Entsetzen, doch diesmal handelte es sich augenscheinlich um einen weitaus „geschäftigeren“ und bedrohlicheren Mann.
Mit dem Befehl der deutschen Behörden in der Hand machte sich Massu unverzüglich daran, einen Haftbefehl zur Ergreifung von Marcel Petiot und seiner Frau Georgette auszustellen. Seine Gattin beschrieb man wie folgt: „Ungefähr 40 Jahre alt, zierlicher Körperbau, blasser Teint und schmales Gesicht.“ Dr. Petiot, nun 47, war „ungefähr 1,80 Meter groß, eher korpulent, hatte einen stark ausgeprägten Kiefer mit einem leichten Doppelkinn, dunkles, kastanienbraunes Haar, das er zurückkämmte, und Geheimratsecken, er war stets frisch rasiert und trug für gewöhnlich einen leichten Übermantel“. Massu beschrieb Petiot im Text als „gefährlich“.
„Die Schritte bei einer Ermittlung folgen stets den gleichen Mustern“, erklärte Massu. „Erfassen von Aussagen, Zeugenbefragungen, die Suche nach Hinweisen und Fingerabdrücken am Tatort oder überall, wo es notwendig erscheint.“ Die Ergebnisse mussten danach auf der Suche nach „dem, was zur Erlangung der Wahrheit dienlich sein kann, verglichen und wissenschaftlich unter die Lupe genommen“ werden. Massu war guter Dinge und sich sicher, den Verdächtigen zu verhaften. Egal, wie schlau ein Mörder auch gewesen war, wie perfekt er den Plan ausgeklügelt und wie vorausschauend er sich bei der Ausführung verhalten hatte, an irgendeinem Punkt verhielt er sich laut Massu immer „wie ein Idiot“. Letztendlich würde er einen Fehler machen, und der Kommissar könnte zuschlagen.
Der Ermittlungsbeamte Marius Battut und einige Detektive der Mordkommission machten sich also auf den Weg zu Petiots Appartement in der Rue Caumartin, das nicht weit von den Métro-Stationen Caumartin und Saint-Lazare entfernt lag. Es befand sich mitten im sogenannten Opern-Viertel. Am zentralen Boulevard Haussmann stieß man auf Hotels, Restaurants, Cafés, Theater, Nachtclubs, Bordelle und weitere kommerzielle Etablissements.
Die Beamten fanden schnell das fünfstöckige Gebäude Nummer 66. Im Erdgeschoss waren zwei Geschäfte: der Friseursalon Gaston Coiffure und das Bistro La Chope du Printemps. Im Keller hatte man einen Luftschutzbunker eingerichtet. Rechts neben der Eingangstür hing eine schwarze Marmortafel mit einem eingravierten goldenen Schriftzug, der auf die Praxis und die Öffnungszeiten von Dr. Petiot hinwies, Absolvent der Pariser Universität.
Das Bistro, der Friseur und auch die Praxis hatten allesamt geschlossen. Die Concierge Raymonde Denis hielt sich bei Ankunft der Polizei nicht in ihrer kleinen Wohnung auf. Die zwölfjährige Tochter berichtete den Beamten, Dr. Petiot und seine Frau um ungefähr 21.30 Uhr zuletzt gesehen zu haben, als sie zu Fuß nach Hause zurückkehrten. Sie glaubte, dass sich die beiden immer noch in ihrem Appartement aufhielten.
Die Beamten gingen zwei Treppen nach oben und klopften an die Tür. Schnell erkannten sie, dass die Wohnung unverschlossen war. Wie sie später erfuhren, verschloss Dr. Petiot niemals eine Eingangstür, denn seiner Meinung nach konnte sich ein geschickter Einbrecher überall Zugang verschaffen, was mit erheblichen Reparaturkosten einherging, die sich der Arzt ersparen wollte. Dennoch betrat die Polizei die Wohnung nicht.
Sie verfügten zwar über einen Haftbefehl für das Pärchen und eine Durchsuchungserlaubnis für die Rue Le Sueur, hatten allerdings kein Dokument, das ihnen den legalen Eintritt in das Appartement genehmigte. Die Deutschen mochten zwar das französische Recht missachten und mit Füßen treten, doch Battut zeigte sich fest entschlossen, exakt dem vorgegebenen Prozedere zu folgen. Auf dem Rückweg zur Zentrale, wo sie sich die notwendigen Papiere ausstellen lassen wollten, trafen sie Petiots Concierge.
„Gestern Abend“, erklärte die 39-jährige Raymonde Denis, „sah ich Dr. Petiot zum letzten Mal um 19 Uhr. Er verließ das Appartement und fuhr mit dem Fahrrad fort.“ Um ungefähr 20 Uhr klingelte Georgette an der Wohnungstür der Concierge, um Plätzchen für ihre Tochter abzugeben. Da sie sich schon zur Ruhe gelegt hatte, konnte sie zum weiteren Verlauf des Abends keine Angaben machen. Sie wusste aber, dass Marcel und Georgette nach Angaben der Tochter um 21.30 Uhr zurückkehrten.
Als die Ermittler am folgenden Morgen erneut in der Rue Caumartin eintrafen, hielt sich niemand in der Wohnung auf. Im Gegensatz zum Chaos in der Rue Le Sueur waren die Zimmer hier ordentlich, sauber und aufgeräumt. Auffälligerweise ließen sich weder Dokumente noch persönliche Habseligkeiten und andere Wertgegenstände finden. Die Beamten entdeckten jedoch größere Mengen an Kaffee, Zucker, Schokolade und hochprozentigen Alkoholika – alles Mangelware in Paris während des Kriegs. Massu bemerkte dazu ironisch, dass solche Mengen nur in der Vorkriegszeit im Lagerraum eines noblen Cafés zu finden gewesen wären. In der Wohnung stießen die Beamten zudem auf verschreibungspflichtige Medikamente und Narkotika, darunter sogar Peyote, eine halluzinogene Droge, beliebt in Pariser Nachtclubs, und sage und schreibe 504 Ampullen Morphium, die beim Verkauf auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen eingebracht hätten.
Sogar für einen Arzt, der Berichten nach Drogenabhängige in seiner Praxis behandelte, war das eine überaus große Menge an Violen. War Petiot vielleicht selbst süchtig? Handelte er womöglich insgeheim mit Drogen? Ersten Gerüchten zufolge belieferte er Patienten aus allen Bevölkerungsschichten, nicht zu vergessen die Tatsache, dass die Praxis in einem berüchtigten Stadtviertel lag, bekannt für den hohen Drogenkonsum. Die Ermittler wussten, dass Ärzte im besetzten Paris zu den am schnellsten verfügbaren Quellen illegaler Drogen zählten.
Den Beamten fielen zudem eine Sammlung bizarrer Kunstgegenstände und Masken auf, die sie als „diabolisch und teuflisch grinsend“ beschrieben. Auf einem Sockel im Behandlungszimmer des Arztes, in einer Ecke zwischen dem Schrank und der Wand, stand eine hölzerne Statue. Das Tier, der Teufel oder eventuell auch eine Pan-ähnliche Figur, hatte einen grotesk großen Phallus. Wie die Polizei später herausfand, war sie von Dr. Petiot selbst geschnitzt worden.
DIE HERRSCHAFT DER TIERE HAT BEGONNEN.
(Albert Camus, Tagebuch, 7. September 1939)
Marcel Petiot hatte tatsächlich Drogen verkauft. Im März 1944 nahmen nicht weniger als 95 registrierte Drogenabhängige an seinem „Entgiftungsprogramm“ in der Rue Caumartin teil, angeblich, um durch eine graduell abnehmende Dosierung des toxischen Stoffs Heilung zu erfahren. Petiot hatte sich aufgrund der Behandlungsmethoden einen guten Ruf erworben und galt als sympathischer, mitfühlender Arzt, der auf seine Patienten einging. Das Wartezimmer war ständig überfüllt. Georgette, für die Buchhaltung der Praxis zuständig, hatte niemals zuvor so viel arbeiten müssen.
Wie Massu nun erfuhr, hatte die Brigade Mondaine, eine Spezialeinheit der Kriminalpolizei, die sich neben anderen Delikten mit Prostitution, Beschaffungskriminalität, Pornographie und Drogenmissbrauch auseinandersetzte, eine stattliche Akte über den Arzt angelegt. Zu Beginn des Jahres 1942 hatte man bei einem weiteren Versuch, gegen den blühenden Drogenhandel in dem Pariser Viertel vorzugehen, mehrere vermeintliche Drogensüchtige verhaftet. Unter den in Gewahrsam genommenen Personen war auch ein Patient Petiots. Das an die Verhaftung anschließende Verhör warf einige Fragen zum Verhalten des behandelnden Arztes