Название | Eiserner Wille |
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Автор произведения | Mike Tyson |
Жанр | Языкознание |
Серия | Sport |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456292 |
Meine Mutter war nicht gerade begeistert davon, dass ich nach Catskill ging. Sie stimmte zu, weil ich da unbedingt hinwollte, aber ich sah, dass sie es nicht gerade toll fand. Meine Schwester fragte mich: „Warum gehst du zu diesen weißen Leuten?“, und ich antworte: „Weil ich Boxweltmeister werde.“ Als meine Entlassung bevorstand, mussten wir Cus’ Vormundschaft über mich in die Wege leiten. Meine Mama fühlte sich schlecht, weil ich so weit weg ins Umland ziehen wollte, unterschrieb aber trotzdem die Papiere. Vielleicht dachte sie, sie hätte als Mutter versagt.
Eine wunderbare Sozialarbeiterin namens Ernestine Coleman half mir. Sie war eine kräftige schwarze Lady aus Hudson, New York, nur ein paar Meilen von Catskill entfernt. Sie scheute keine Mühen, um mir den Umzug zu erleichtern. Sie zeigte mir gegenüber sehr viel Einfühlungsvermögen, und ich wusste mir diese Tatsache zunutze zu machen. Der Umgang mit ihr war einfacher als mit Bobby Stewart, dennoch war sie kein Schwächling. Ich glaube, Cus bemerkte sofort, dass ich wenig Selbstbewusstsein hatte und dass mich all die Jahre des Herumgeschubstwerdens und der Übergriffe eingeschüchtert hatten. Er begann bereits bei meinem ersten Besuch in Catskill, mein Ego aufzubauen.
„Du musst an dich glauben“, sagte er mir in der Sporthalle. „Sag dir das jeden Tag. Schau in den Spiegel und erkenne, wie gut du aussiehst. Schau dir deine schönen Hände an.“ Zuerst dachte ich, er wäre schwul. Da, wo ich herkomme, sagen dir ältere Kerle nur so einen Scheiß, wenn sie deinen Schwanz lutschen wollen. Jeder, der mir sagt, ich sähe gut aus, löst in meinem Kopf sofort diese Vorstellung aus. Ich fand mich nicht gut aussehend. Ich war mein Leben lang aufs Übelste behandelt worden und fühlte mich derart hässlich, dass ich mich selbst nicht einmal im Spiegel betrachten konnte. Aber da war er, jeden Tag. „Hör zu, du bist ein gut aussehender Junge.“ Wenn ich dann protestierte und sagte: „Verschwinde, raus hier!“, kam er wieder. „Nein, schau in den Spiegel und sag dir selbst, wie gut aussehend du bist. Übe Schattenboxen und sage dabei: ‚Schau, wie gut ich aussehe!‘ Du wirst jeden Tag hübscher – vielleicht wirst du am Ende noch Schauspieler!“ Er sagte das nicht aus einer Verliebtheit heraus. Es war ihm todernst. Es ging alles um eine Mission – die Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Er behandelte mich nicht wie ein Kind. Er gab mir das Gefühl, etwas wert zu sein, das Gefühl, dass wir zusammen eine Mission zu erfüllen hatten.
Bobby Stuart sagte immer, ich sei der geborene Mitläufer, und das stimmt. Damals in Brooklyn folgte ich Barkim in ein kriminelles Dasein. Barkim wohnte bei mir im Haus und lehrte mich stehlen und rauben, dennoch musste ich auf der Hut sein. Wenn es ihm schlecht ging und ich Geld hatte, konnte er auch auf mich losgehen. Aber Cus war ein ganz anderer Mentor. Barkim legte keine Regeln fest, wie Cus es tat. Für Cus stand unwiderruflich fest, dass es unsere Bestimmung war, die Spitze zu erreichen, und dass am Ende des Weges etwas Gutes auf uns wartete. Wenn ich in den Ring stieg, um zu kämpfen, musste ich kämpfen, bis ich nicht mehr konnte. Du kannst nicht aufgeben, du musst kämpfen bis zum Tod. Cus versprach mir, dass mich niemand je wieder tyrannisieren würde. Er erzählte mir von früheren Boxern, denen das Leben übel mitgespielt hatte und die fähig gewesen waren, ihre Gefühle zu bewältigen. Als ich älter wurde, war mir klar, worauf Cus’ Psychologie hinauslief. Er machte die Schwachen stark. Gib einem schwachen Mann ein wenig Macht, und er wird süchtig danach. Cus wollte keine Jungen, die ausgeglichen waren – er wollte mit Außenseitern arbeiten. Er wollte den Abschaum der Gesellschaft aus den schlimmsten Vierteln. Er war so glücklich, als ich ihm erzählte, dass ich aus Brownsville stammte. „Oh Mann, eine Menge guter Boxer kamen von dort. Al ‚Bummy‘ Davis und Floyd Patterson wuchsen in der Nähe auf.“ Cus sagte mir, dass die besten Boxer seiner Meinung nach diejenigen waren, die am meisten durchgemacht haben.
José Torres erzählte mir später, dass sich Cus sicher war, ich würde Champion werden, als er hörte, dass ich in öffentliche Busse stieg, wartete, bis die Fahrgäste vor Taschendieben gewarnt wurden, um dann loszuziehen und ihnen die Taschen zu leeren. Er sah, dass ich eine angeborene Intelligenz besaß und dass ich meine kriminelle Energie in den Ring transferieren konnte. Cus hörte mir immer zu, wenn ich von meinen Straßeneskapaden erzählte. Dann sah er mich emotionslos an, kalt wie Stahl und sagte: „‚Nein‘ wird ein Fremdwort für dich werden.“ Cus war von dem, was er erreichen konnte, vollkommen eingenommen. „Hör zu, was ich dir sage, Junge. Leute königlicher Abstammung werden deinen Namen kennen. Die ganze Welt wird wissen, wer du bist. Deinen Familiennamen werden die Leute mit Achtung aussprechen, sie werden deine Mutter und deine Kinder respektieren. Verstehst du, was ich sage? Willst du alles dafür tun?“
Können Sie sich einen dreizehnjährigen Jungen vorstellen, der so etwas zu hören bekommt?
Wir sprachen oft über Cus’ Kindheit. Costantino D’Amato wurde am 17. Januar 1908 geboren. Sein Vater, Damiano D’Amato, war 1899 von Italien nach New York ausgewandert. Sechs Wochen darauf kam seine Frau Elisabetta mit Rocco, Cus’ ältestem Bruder, nach. Die Familie ließ sich in Manhatten nieder, wo Damiano einen Lieferservice für Kohlen und Eis eröffnete. Cus erinnerte sich kaum an seine Mutter – sie starb, als er fünf Jahre alt war. Cus hatte drei ältere Brüder – Rocco, Gerry und Tony – sowie einen jüngeren Bruder namens Nick. Cus schien locker mit dem Tod seiner Mutter umzugehen. „Ich hatte Glück“, sagte er einem Reporter, „meine Mutter starb, als ich fünf Jahre alt war, deshalb musste ich schon sehr früh lernen, selbstständig zu denken und zu handeln.“
Cus erzählte, dass er nach seiner Großmutter mütterlicherseits, Costanza, benannt worden war. Weil sein Vater sich aber nicht besonders gut mit ihr verstand, erzählte er Cus, dass er nach dem ersten christlichen Kaiser, Konstantin, benannt worden sei. Das war vermutlich das erste Mal, dass Cus sich als etwas Besonderes fühlte. Die Geschichte, dass die Familie in der mütterlichen Linie irgendwie mit Napoleon verwandt sei, bestärkte nur Cus’ Gefühl der Einzigartigkeit. Als Cus sechs war, zog die Familie in den Teil der Bronx, der unter dem Namen Frog Hollow berüchtigt wurde. Das Leben dort war hart, und bald hatte das Viertel den Ruf einer Brutstätte für Gangster wie Dutch Schultz. Obwohl Damiano kein Englisch konnte, wurde er Vorsteher der italienischen Einwanderer-Gemeinde, viele suchten seinen Rat, wenn sie geschäftliche Probleme hatten. Er war für seine Ehrlichkeit bekannt, eine Eigenschaft, die er all seinen Kindern vererbte. Damiano war auch sehr großzügig; obwohl die Familie nie viel Geld hatte, half er seinen Nachbarn, wenn sie in Not waren. Cus erzählte mir, dass sein Vater ein sehr versierter Ringer im griechisch-römischen Stil und ein großer Boxfan war. Er hatte auch eine großartige Stimme. Nach getaner Arbeit zündete er sich eine Pfeife an, spielte Mandoline und sang alte italienische Volkslieder dazu.
Damiano war auch „farbenblind“, wie Cus augenzwinkernd erklärte. Einmal, nachdem er sich eine neue Frau aus Italien mitgebracht hatte, lud er einen schwarzen Freund, einen Bergmann aus einer Kohlenzeche, zum Abendessen ein. Cus’ Stiefmutter meinte: „Vielleicht möchte dein Freund ins Badezimmer gehen und sich waschen?“ Sie hatte zuvor noch nie einen schwarzen Menschen gesehen und dachte, er sei schmutzig vom Kohlenstaub. Damianos Einstellung anderen Rassen gegenüber hatte großen Einfluss auf Cus. Er lehnte niemanden wegen seiner Hautfarbe ab. Cus freundete sich auch mit seinen jüdischen Nachbarn an. Wenn er krank war, brachten sie Hühnersuppe für ihn. Cus revanchierte sich, indem er samstags für seine jüdisch-orthodoxen Nachbarn das Licht anschaltete.