Название | Eiserner Wille |
---|---|
Автор произведения | Mike Tyson |
Жанр | Языкознание |
Серия | Sport |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854456292 |
Ich hatte Angst davor, zusammengeschlagen zu werden, ich hatte Angst davor, Menschen im Stich zu lassen, aber im Grunde lief alles darauf hinaus, dass ich nicht gedemütigt werden wollte. Und dann dachte ich an das Buch „In This Corner …!“ und erinnerte mich daran, dass all die Größen ebenfalls Angst gehabt hatten. Cus’ Unterrichtseinheiten über Disziplin kamen mir wieder in den Sinn. Ich riss mich zusammen und ging zurück in die Sporthalle.
Ich stieg in den Ring mit einem hochgewachsenen Puerto-Ricaner, der einen riesigen Afro hatte. Er war achtzehn, vier Jahre älter als ich. In den ersten beiden Runden gingen wir beide ganz schön zur Sache, doch in der dritten schlug ich ihn in die Seile und setzte einen Aufwärtshaken hinterher, woraufhin sein Mundstück bis in die sechste Zuschauerreihe flog. Er war bewusstlos. Von meinen Emotionen überwältigt, stieg ich, während er bewusstlos war, mit einem Fuß auf ihn und streckte meine Arme in die Luft. Wenn du heute Nelson darauf ansprichst, wird er dir sagen, dass ich nur auf den Kerl drauf gestiegen bin, weil ich ihn in meiner Ecke k. o. geschlagen hatte und über ihn steigen musste, um in eine neutrale Ecke zu gelangen. Das ist absoluter Blödsinn! Ich bin absichtlich auf ihn drauf gestiegen. Die Menge fing an zu buhen. Um einen Krawall zu vermeiden, erklärte Nelson den Kampf für unentschieden.
Cus hatte Nelson darum gebeten, ihm über meinen Kampf Bericht zu erstatten, deshalb rief er ihn an und sagte: „Es tut mir leid. Mike hat seinen Gegner zwar k. o. geschlagen, aber danach tat er etwas, das den Leuten nicht gefiel, und deshalb musste ich den Kampf für unentschieden erklären.“ Er erzählte Cus, was geschehen war, aber den ließ das völlig kalt. Cus hatte meinen Enthusiasmus immer schon geliebt.
Ich hab mich in Nelsons Ring immer gut angestellt. Ich verlor keinen Kampf, die meisten endeten in spektakulären Knock-outs. Nach einigen Kämpfen wurde es schwierig, Gegner für mich zu finden, deshalb verfolgte ich manchmal nur die verrückten Vorgänge dort. Nelson musste oftmals die Wertung ändern, deshalb gewannen unsere Jungs nicht alle Kämpfe. Es passierte gar nicht selten, dass ein Typ im tollen Dress ankam, professionell aussah und deshalb stark favorisiert wurde, aber als ihm in der ersten Runde in den Arsch getreten wurde, änderten sie mitten im Kampf die Quoten! Eines Tages geriet Teddy in einen großen Streit, weil ihm die Art nicht gefiel, wie die Punkte vergeben wurden. Nelson zertrümmerte einen Pokal auf dem Kopf des Typen, der gegen Teddy kämpfte, und zückte anschließend seine Pistole. Es war wie im Wilden Westen.
Ich reiste im ganzen Land herum und kämpfte bei diesen nicht autorisierten „Smokers“. Die Kämpfe fanden manchmal in einer Scheune bei irgendjemandem im Hinterhof statt. Cus sagte mir immer: „Du musst Selbstvertrauen haben. Du kannst mit einem Kerl in seinem Wohnzimmer boxen, mit seiner Familie als Ringrichter, und du wirst trotzdem gewinnen.“ Wir kämpften an jedem Ort, an dem man kämpfen konnte. Meistens kam Cus nicht mit, aber egal, ob er mich nach Massachusetts, Rhode Island oder Ohio schickte – bevor ich ging, setzte er sich mit mir hin und bellte in einem sehr flachen, abgehackten Ton: „Hör zu, einige meiner Freunde werden dich heute Abend sehen. Sie werden mich nach dem Kampf anrufen, und ich erwarte, dass sie deinetwegen ausrasten.“ Das heizte mich noch richtig an. Ich saß drei Stunden in irgendeinem Flugzeug und kam nicht eine Minute zur Ruhe, weil mir das Herz bis zum Hals schlug. Ich konnte es kaum erwarten, in den Ring zu steigen und wie wild auf diese Wichser einzuschlagen, genau das zu tun, was Cus mir beigebracht hatte. Vielleicht war ich ein Arschloch der ersten Liga, aber ich habe diese Scheiße gelebt. Er verkaufte sie mir und ich nahm sie ihm ab.
Nun bekam ich die Chance, Cus’ Theorien über die Angst auszuprobieren. Ich hatte diese Erfahrung im Ring noch nie gemacht, außer beim Sparring mit Bobby Stewart. Das Sparring mit neuen Leuten war beängstigend für mich. Cus turnte es jedesmal an, wenn ich ihm sagte, dass ich Angst hätte und mich selbst für einen Feigling hielt. Er liebte das. Er wusste, dass das meiner ängstlichen Grundeinstellung entsprach, und diese Angst war die Basis seiner Arbeit. Cus wollte, dass du wie ein Roboter reagiertest, sodass du auf Kommando das tatest, was er dir sagte. Cus zeigte mir den Unterschied zwischen Furcht und Einschüchterung. Die Einschüchterung hält dich von den Höchstleistungen ab, zu denen du fähig bist. Angst kann jedoch bewirken, dass du in große Höhen aufsteigst. „Fürchte deinen Gegner, aber fürchte dich nicht davor, ihn zu verletzen“, sagte er mir. Die Leute begreifen einfach nicht, dass dich kontrollierte Angst auf ein Level der Euphorie heben kann, auf dem du dich für unbesiegbar hältst. Nur sehr wenige Leute kommen auf dieses Level. Aber wenn du es schaffst, wirst du durch eine seltsame Laune der Natur glauben, unbesiegbar zu sein.
Wenn ich in den Ring stieg, nahm ich irgendwie Rache an all den Menschen, die mich als Kind fertiggemacht hatten. Wenn du tyrannisiert wurdest, wird dich das dein Leben lang begleiten. Niemand würde mir je wieder ein Haar krümmen. Wann immer ich in den Ring stieg, stellte ich mir vor, dass ich gegen die Leute kämpfte, die mich herumgeschubst hatten, als ich jünger war. Ich meinte es todernst. Ich tat das nicht, um mich zu motivieren. Ich war hungrig nach Macht und Ruhm.
Nachdem Cus die Berichte über meine emotionale Reaktion auf meinen ersten Sieg bei den Smokers gehört hatte, begann er eine neue Technik anzuwenden, damit ich lockerer wurde und konzentrierter meine Ziele verfolgen konnte. Er hatte mir schon von Hypnose erzählt, als ich anfing, mit ihm zu trainieren, und jetzt war es an der Zeit für mich, diese Erfahrung zu machen. Ich war aufgeregt, weil ich Angst davor hatte, meine Nervosität und Unsicherheit nicht in den Griff zu bekommen. Cus quetschte mich und ein paar andere Boxer in seinen alten, schäbigen Kombi und fuhr mit uns nach Manhattan zu John Halpin. Halpin war Sozialarbeiter beim NYC Department of Welfare. Er hatte Vorbereitungskurse für ein Medizinstudium belegt, diese aber abgebrochen, als der Zweite Weltkrieg begann. Nach dem Krieg schwenkte er auf Hypnose um und eröffnete eine Praxis in Central Park West. Dort arbeitete er mit Diätpatienten, Rauchern, Trinkern und Drogenabhängigen.
Cus hatte über einen befreundeten Chiropraktiker von Halpin gehört. Die beiden Männer verstanden sich sofort. Sie hatten beide großen Respekt vor dem Unterbewusstsein und kannten sich damit aus. Nachdem wir in Halpins Praxis angekommen waren, sollten wir uns erst einmal auf den Teppich legen. Dann versetzte er uns in Hypnose. Als wir hypnotisiert waren, überließ er es Cus, uns zu konditionieren. Cus sprach jeden einzelnen von uns an und ging die Bereiche durch, die wir verbessern mussten. Ihm war wichtig, dass er es war, der mit mir sprach, während ich unter Hypnose stand, damit ich seine Stimme verinnerlichte.
Cus sagte: „Du bist eine Kampfmaschine, Mike. Du bist der beste Kämpfer, den Gott je erschaffen hat. Die Welt hat noch nie einen Kämpfer wie dich gesehen, und wenn du deine Schläge kombinierst, kannst du grausam sein. Du arbeitest darauf hin, so viele Schmerzen wie möglich zu verursachen.“
Cus redete eine Stunde lang auf mich ein. Es war, als verließ ich meinen Körper. Ich sah ihn auf dem Stuhl und mich auf dem Boden. Dann holte mich Halpin aus meiner Trance und wir fuhren zurück in den Norden. Nach dieser Erfahrung fühlte ich mich nicht anders, aber ich zeigte bessere Leistungen als zuvor, ebenso wie die anderen Jungs, die hypnotisiert worden waren. Am Tag darauf hörtest du in der Sporthalle: „Heiliger Strohsack, was für ein Unterschied. Dieser Typ ist wirklich viel entspannter im Ring.“ Und das verschwand auch nicht nach ein paar Tagen. Für manche war es tatsächlich ein Durchbruch.
Natürlich half die Hypnose nicht jedem. Einmal fuhren wir mit Matthew und Alex Hilton, zwei lebenslustigen, verrückten Kanadiern, zu Halpin. Alex war die Nacht davor unterwegs gewesen und schlief beim Hypnotisieren sofort ein. Er schlief tief und fest und schnarchte, aber weil Cus schwerhörig war, bemerkte er nicht, was los war. „Schau, schau, er ist unter Hypnose“, sagte er ganz aufgeregt.
Cus fing an, mich sogar im Haus, vor dem Training oder vor einem Kampf unter Hypnose zu setzen. Ich musste mich auf den Fußboden im Wohnzimmer legen oder in einen großen, bequemen Stuhl setzen, und dann begann er mit der Entspannungstechnik – der Kopf, die Augen, die Arme, die Beine, mein ganzer Körper wurde schwer. Wenn ich dann total entspannt war, fing er wieder mit seiner Leier an: Ich sei der grausamste und unberechenbarste