Der Mann mit den 999 Gesichtern. Группа авторов

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Название Der Mann mit den 999 Gesichtern
Автор произведения Группа авторов
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783941895935



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Kohärenz von Jazz und Lyrik amüsiert, muß Diederichsen fremdwortüberfrachtete Essays hervorquetschen, in denen er für HipHop die legitime Nachfolge des Rock ’n’ Roll postuliert und in selben »Grundbedingungen neuen linken Denkens« ausmacht. Das ist dann die politische Korrektheit, der wir die Existenz von Gesinnungsmusikanten wie Ice-T oder Rage Against The Machine zu verdanken haben. Bruckmaier zählt hingegen genüßlich seine Feindbilder auf. Und da gehe ich voll mit: »Videos mit obdachlosen und hungernden Kindern […] Senatsbeauftragte für Rockmusik […] Winselnde Weltanschauungswachteln […] ABM-Rocker […] Classic Rock […] Gewaltvideoverbieter […] Jazzmessen […]«. Will man Popkritik auch als Zeitdokument begreifen, sollte man beide Bücher haben. Und lesen.

      Auch voll zum Mitgehen ist das schon etwas betagte Bändchen von Horst Tomayer, Hirnverbranntes und Feinziseliertes (Hamburg 1990), mit einer Sammlung seiner Arbeiten für das altultralinke, aber sympathische Magazin konkret. Tomayer kennen wir zudem als Kleindarsteller in Otto-Filmen, als begnadeten Kleinschriftsteller, als Rennradler, der mühelos 200 km/d abbürstelt, und einen, der sich aufs Remittieren von altbackenen Hostien und aufs Pilzezubereiten versteht wie keiner sonst (na gut, außer Wiglaf Droste und mir). Illustriert ist der ganze Spaß auch noch von Ernst Kahl, und das ist schon Grund allein.

      Konkret ist übrigens das Heftchen, welches ostdeutschen Versifexen gelegentlich die Kommata nachzählt. Diese revanchieren sich dann, indem sie den Namen des Herausgebers Gremliza permanent falsch (mit tz) schreiben. So was kann auch unterhaltsam sein. In etwa so unterhaltsam wie die Variante, die mir neulich Harry Rowohlt anbot, um sich für sein Falschschreiben der Ortsnamen Schleiz und Greiz (beides ebenfalls mit tz) zu rehabilitieren. Und dem lasse ich alles durch. Verraten wird hier aber nix von.

       Brocken/Kickelhuhn/Pulverturm 11/1993

      DER HALBKURZE

       Michael Rudolf

      Hans, auch der Halbkurze geheißen, ist zweiundfünfzig. Man ginge nicht fehl zu behaupten, sein Ringen um Erkenntnis verlöre sich im Detail. Ihm ist es nicht vergönnt, gegen seine unglaubliche Transpiration auch nur Teilerfolge zu erringen; ebenso niederschmetternd sind die Ergebnisse seiner täglichen Rasuren. Und eine etwas zu kurz geratene Anatomie verwehrt ihm weitestgehend die Lautbildung, wie wir sie üblicherweise kennen, die wir die Sprache zur Verständigung nutzen. Schon frühzeitig hatte er eine Abneigung gegen die Welt, so wie sie sich ihm darbot, gefaßt und fiel daher zuweilen über sich selbst her. In summa: Er hat schwer einen an der Klatsche.

      Hans siedelt um die Ecke im Kellergelaß einer zur Seniorenresidenz umgewidmeten ehemaligen Fabrikantenvilla. Hans hat sich rundum Milchglasscheiben eingebaut, die er ständig mit lauwarmer Milch nacharbeitet, damit ihm keiner auf den Tisch gucken kann. Hans vertritt aber auch die Ansicht, wenn er die Heizung hochdreht und Fenster und Türen aufreißt, den kleinen Grundstückstümpel den gesamten Winter über am Einfrieren hindern zu können. Hans kann auch große und kleine Beträge Geldes nicht auseinanderhalten, denn es gebricht ihm am Wissen um Buchstabe und Zahl. Seine mit der Lötlampe heimlich gegrillten Kleinnager hingegen genießen bei den Heiminsassen den Ruf einer Spezialität.

      Gestern lud mich der mildtätige Hans »auf einen Schluck« Selbstgebrannten in sein kryptisches Gemach. Allerhand Wichtiges habe er mir zu eröffnen. Hans bekundete alle möglichen Arten von Ausgelassenheit, schenkte fleißig nach und zitierte einfallsreich aus seinem Einfallsreich. Hans will seinem Leben eine abschließende Wendung geben. Gutes wolle er der Welt antun, denn sie sei im Grunde schlecht, darum habe er auch geheimnisvolle Kräuter in das Destillat getan. Meine ausgesucht höflich vorgetragenen Einwände schmetterte er im Wildwestidiom ab, keine Ahnung hätte ich. Dafür begann mir sein Fusel Ungelegenheiten zu bereiten und mich auf sein Lager zu werfen.

      Von einer namhaften Eisenbahnbrücke der Region wolle er »für den guten Zweck« springen und beschrieb mir schon in eindrucksvollen Bildern die vor Staunen offenen, triefenden Mäuler der spendenbereiten Menge. Die wichtigsten Probleme der Menschheit habe er sich bereits auf das Bettlaken gemalt, worin gewandet er den großen finalen Sprung ins Werk setzen wolle. Sprach’s und verschwand. Ihn davon abhalten? So abgebrannt, wie ich gerade zwischen den Heizungsrohren dahinsiechte?

      Verzweiflung kam mich an und ein nicht geringer Schrecken. Mit rasselndem Atem keuchte ich, so gut es ging, Hans dem Halbkurzen hinterher und rief und rief …

      Ein besorgter Schutzmann war es, der mich weckte und auf meine vom Tau benäßten Schürfwunden und Schründe wies. Ob ich über die um mich verteilte Blechinstallation, die ad exemplum ein Fahrrad oder auch Teile eines Gartenzaunes vorstellen könne, das Eigentumsrecht ausübte – und ob ich schon die ganze Nacht so liege und schrie. Er heiße übrigens Hans. Und bei der Gelegenheit: Welches besoffene Aas sich denn bitte da hinten in bunt bekritzeltem Linnen wälze.

       taz, 6. September 1995

      BIERSELIG

       Edo Reents

      In diesen unübersichtlichen Zeiten war es gut zu wissen, daß es da jemanden gab, der herzhaft dagegenhielt: gegen die lächerlich vielen neuen Biersorten, die viel zu fruchtig schmecken und zu wenig Alkohol haben. Michael Rudolf machte das Beste aus seiner Zeit als Schichtleiter einer ostdeutschen Brauerei und aus vielen Bierbildungsreisen; er vertrat einen absolut schnörkellosen, unbestechlichen Purismus, der mit manchem Mißverständnis aufräumte und den er gern, witzig und kompetent zum besten gab – Motto: Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Braugesetzgebung gelten kann.

      Ewig unentbehrlich wird dem ernst- und gewissenhaften Trinker Rudolfs Bieratlas sein, der eine herb-kulturpessimistische Note über den allgemeinen Niedergang seines Leibgetränks nicht unterschlägt. Der auch im Titanic-Umfeld Wohlgelittene schrieb den autobiographischen, hochkomischen Roman Morgenbillich über einen gewissen Holger Sudau und dessen rätselhaftes Verschwinden – leider prophetisch: Jetzt, nach langer Suche, hat man Michael Rudolf in seiner thüringischen Heimat tot aufgefunden. Der Fünfundvierzigjährige beging offenbar Selbstmord.

       FAZ, 11. Juli 2007

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