Handbuch Anti-Aging und Prävention. Rüdiger Schmitt-Homm

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Название Handbuch Anti-Aging und Prävention
Автор произведения Rüdiger Schmitt-Homm
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783954842841



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      1. Die Forderung, erst dann konkret etwas zu unternehmen, wenn auch die letzten Geheimnisse aufgedeckt sind, gibt es merkwürdigerweise nur im Bereich der Alterung. Niemand würde auf die Idee kommen, Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Allergien nicht zu behandeln – für keine dieser Krankheiten sind alle Fakten, geschweige denn die wirklichen Ursachen bekannt. Wichtig ist schließlich vor allem, dass Erfolg versprechende Maßnahmen existieren, die zum Nutzen der Menschen eingesetzt werden können.

      2. Altern ist multifaktoriell, das heißt, an diesem Prozess sind mehrere Mechanismen beteiligt. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass letztlich nur eine Theorie des Alterns übrig bleibt, die sämtliche verschiedenen Teilvorgänge abdeckt. Noch unwahrscheinlicher ist, dass eines Tages eine einzige Pille alle Alternsprozesse verhindern kann.

      3. Der letzte und wichtigste Punkt: Es existieren schon heute effektive und gut untersuchte Möglichkeiten, Alterungsprozesse zu beeinflussen und den Alterserscheinungen vorzubeugen.

      Warum es bei der Alternsprävention weder absolutes Wissen noch absolute Sicherheit geben kann

      Sind die heute vorliegenden wissenschaftlichen Fakten für konkrete Alternsbekämpfung „ausreichend”? Nehmen wir das Beispiel Melatonin (vgl. II.9). Schon Mitte der 90er-Jahre hielten führende Wissenschaftler angesichts des damaligen Erkenntnisstandes die Substitution beim Menschen für gesundheitlich sinnvoll. Andere lehnten den praktischen Einsatz ab. „Unzureichende Daten“, so das Argument.

      Im vergangenen Jahrzehnt „explodierte“ das Wissen über diesen Naturstoff. Heute liegen mehr als 20 000 (!) wissenschaftliche Arbeiten vor, gerade auch über die praktische Anwendung. Das sind mehr Daten, als zu den meisten der herkömmlichen Arzneimittel jemals existieren werden. Unzählige Tierversuche bestätigen ein hohes Sicherheitspotenzial. Mehrere Millionen Menschen weltweit nehmen Melatonin seit mehr als 15 Jahren täglich ein.

      Sind das nun „ausreichende” Daten? Die Mehrheit der Melatoninexperten sagt „ja“. Die zuständigen Behörden sind dennoch gegen die praktische Nutzung: Die lebenslange Einnahme sei noch „nicht ausreichend” untersucht. Das ist streng genommen korrekt. Zwar sprechen lebenslange Tests mit Tieren und Langzeitstudien bei Menschen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gegen jegliches Gefährdungspotenzial, selbst bei Einnahme über 50 oder mehr Jahre. Unanfechtbare Beweise wären aber erst in einem halben Jahrhundert oder später möglich.

      60 Jahre zu warten, das wäre vielleicht eine denkbare Strategie für einen heute Zehnjährigen. Was aber, wenn ein Erwachsener ein solches Mittel nutzen möchte, um bestimmte Alternsprozesse, sein Krebsrisiko oder auch nur seinen Schlaf zu verbessern? Bis sich alle Langzeitaspekte zu Melatonin lückenlos klären ließen, wäre diese Person lange tot. Wie man sieht, ist die Nutzen-Risiko-Relation bei Mitteln gegen das Altern nicht nur schwer einzustufen, sie kann auch je nach Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen. Und es kommt noch etwas Entscheidendes hinzu:

      Um absolut exakt zu bestimmen, wie effektiv ein einzelnes Mittel gegen das Altern beim Menschen ist, wären Langzeitstudien in extremen zeitlichen und finanziellen Dimensionen notwendig. Und selbst wenn man 50 Jahre Zeit hätte: Kein wissenschaftliches Institut und keine Firma der Welt könnte ein solches Projekt finanzieren – schon gar nicht bei natürlichen, nicht patentierbaren Substanzen wie Melatonin oder den vielen Antioxidantien. Zumindest darüber sind sich alle einig.

      „Die Nation ist fortgeschritten in der Erkenntnis. Die Bürokratie ist nicht einmal in der Theorie nachgekommen, geschweige in der Praxis.”

      FRIEDRICH LIST [deutscher Nationalökonom, 1789–1846]

      Alternsintervention in Deutschland

      Bei jedem Mittel gegen das Altern, das in den vergangenen 20 Jahren in die Schlagzeilen gelangte, lief die Diskussion immer nach dem gleichen Schema ab: Mögliche Wirkungen gegen Alterungsprozesse und der gesundheitliche Nutzen wurden jeweils ausführlich beschrieben und nicht selten wurden große Hoffnungen geschürt. So weit die Theorie. Sobald es aber um die praktische Umsetzung und vor allem um die konkrete Verfügbarkeit für die Bürger ging, mündeten alle Empfehlungen in Aussagen wie: „Noch immer sind nicht alle Fragen geklärt.“ Und: „Von einer konkreten Anwendung ist abzuraten, bis ausreichende Forschungsergebnisse vorliegen.“ Kommt Ihnen das bekannt vor?

      Nun ist es ja durchaus redlich, ausreichende Erkenntnisse abwarten zu wollen. Der Begriff „ausreichend“ ist jedoch subjektiv und lässt Spielraum nach beiden Seiten. Allgegenwärtig sind die berechtigten Warnungen vor unseriösen vorschnellen Empfehlungen. Doch es gibt auch das andere Extrem, nämlich grundsätzlich jeden Wissensstand beim Thema aktive Prävention als „nicht ausreichend“ zu bezeichnen.

      Neue Herausforderungen verlangen nach neuen Antworten

      Die besondere Situation beim Thema Alterung machte eines sehr bald deutlich: Anders als bei der Zulassung von Medikamenten gegen Krankheiten können Behörden auf dem Gebiet der persönlichen Prävention nicht die Rolle des Vormunds für jeden Einzelnen einnehmen. Aus diesem Grund wurde in den USA und anderen Ländern den Bürgern die Nutzung von Mitteln wie hoch dosierten Vitaminen, Melatonin, DHEA oder Antioxidantien in Eigenverantwortung ermöglicht; und das geschah nicht etwa, weil die Behörden dort weniger sicherheitsorientiert wären als bei uns.

      Der wichtigste Punkt: Die Beweislast wurde umgekehrt. Um jetzt erwachsenen Personen die Nutzung eines Wirkstoffs oder einer bestimmten Therapie für die persönliche Prävention zu verbieten, müssen Medizinbehörden ihrerseits eindeutige Belege für eine relevante gesundheitliche Gefährdung vorlegen. Der über Jahrzehnte alles blockierende Verweis auf angeblich nicht ausreichende Wirksamkeits- und Sicherheitsbeweise ist damit nicht mehr möglich beziehungsweise nun auf das reduziert, was er sein soll: ein Warnhinweis. Das hat die gesamte Situation grundlegend verändert.

      In Deutschland hingegen versucht man immer noch, das Thema Alterungsprophylaxe in die Paragrafen althergebrachter Verordnungen des Gesundheits- und Medikamentensystems zu pressen. Ein Zustand, der nicht nur die praktische Umsetzung präventiver Strategien erschwert, sondern bereits vom Ansatz her den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen dieses immer wichtiger werdenden Bereichs nicht gerecht wird.

      Bleibt abzuwarten, wie lange man in Deutschland auf diesem Gebiet den Entwicklungen in anderen Ländern hinterherhinkt. Letztlich wird allein der Druck aus der Bevölkerung die Lage verändern können. Dieses Buch soll deshalb dazu beitragen, nicht nur das Wissen, sondern auch die praktischen Möglichkeiten für aktive Alternsintervention zu verbessern. Die Zeit ist reif!

      „Ich brauche Informationen. Eine Meinung bilde ich mir selbst.”

      CHARLES DICKENS [englischer Novellist, 1812–1870]

      Ein Tummelplatz für Schwindler

      Kaum ein Gebiet der Wissenschaft ist so von unterschiedlichen Interpretationen, gegensätzlichen Meinungen und persönlichen Auffassungen geprägt wie die experimentelle Gerontologie, die sich mit konkreten Maßnahmen zur Beeinflussung des Alterns beschäftigt. Das gilt ganz besonders für die praktische Alternsbeeinflussung beim Menschen.

      Bereits in seinem Bestseller von 1798 (Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern) stöhnte der berühmte Arzt Wilhelm C. Hufeland genau über diese spezielle Problematik. Dabei war die Unterscheidung zwischen seriösen und unseriösen Empfehlungen zum Thema Lebensverlängerung bis in die Neuzeit vergleichsweise einfach. Aufgrund des geringen Wissens um die Ursachen der Alterung waren die meisten feilgebotenen Jungbrunnen eher Strohhalme der Hoffnung als Ergebnis wissenschaftlicher Forschung.

      „Dieses Problem war schon immer ein bevorzugtes für die klügsten Köpfe, ein Spielfeld für Tagträumer, und die größte Verlockung für Scharlatane und Schwindler.”

      WILHELM CHRISTOPH HUFELAND [deutscher Arzt und Begründer der Makrobiotik, 1762–1836]

      Für viele immer noch ein Tabuthema

      Als