Название | Der Teufel |
---|---|
Автор произведения | Ute Leimgruber |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783766641243 |
Dieser Mythos wurde jedoch in außerkanonischen jüdischen Schriften niedergeschrieben (zum Beispiel Henochbuch 6,1 – 7; 10,4 – 6), d. h. in Texten, die nicht in den Kanon der Bibel Eingang gefunden haben. Diese Schriften waren häufig dennoch von großem Einfluss auf das Denken ihrer Zeit. Auch wenn der Engelssturz nicht direkt Eingang in die Bibel gefunden hat, so spielen Texte sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments darauf an.
Eine andere Stelle im Alten Testament, wo der Satan eine wichtige Rolle spielt, ist das Buch Ijob. Dort erscheint der Satan unter den „Söhnen Gottes“, er ist der „Widersacher“ (so auch die Bedeutung des hebräischen Wortes Satan), der mit Gott beinahe auf Augenhöhe kommuniziert. Es gelingt ihm sogar, Gott zu einer Wette zu überreden – dazu gleich noch mehr. In anderen Fällen im ersten Teil der Bibel ist nicht so klar wie bei Ijob, ob etwas von Gott oder von Satan ausgeht. So wird zum Beispiel die Anstachelung Davids zu einer Volkszählung das eine Mal dem Gott Jahwe zugeschrieben (2 Samuel 24,1), das andere Mal aber dem Satan (1 Chronik 21,1).
Wer ist also dieser Satan und wie sind die verschiedenen Überlieferungen vom „Bösen“ im Alten Testament zu verstehen?
Die Vorstellung vom „Bösen“ wurde nicht unverändert durch die Zeiten hinweg tradiert. So wie sich das Gottesbild gewandelt und entfaltet hat, veränderte sich auch die Interpretation der Welt und des Kosmos. Das Alte Testament entstand über einen langen Zeitraum, von ca. 1000 v. Chr. bis fast 100 v. Chr.; die meisten Bücher stammen aus der Zeit des sogenannten Babylonischen Exils (586 – 538 v. Chr.). Der alttestamentliche Gott steht in engem Zusammenhang mit dem Ergehen seines Volkes, das im Verlauf der Geschichte gute und schlechte Erfahrungen mit seinem Gottesglauben zu vereinbaren hatte. Der Kern des alttestamentlichen Jahweglaubens ist die Aussage über Gottes Einmaligkeit, Einzigkeit und Heiligkeit:
„Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig“ (Deuteronomium 6,4).
Gott hatte die Welt erschaffen und er hatte gesehen, „dass es gut war“ (Genesis 1). Und genau dies unterscheidet die jüdische Genesis von den anderen Kosmologien ihrer Zeit: Sie vereint Ordnung und Chaos, sie harmonisiert Licht und Finsternis. Und so stößt man auch wiederholt auf die Aussage, Gott selbst veranlasse das Böse. In zahllosen Textstellen versetzt Jahwe den Menschen durch Katastrophen, Hungersnöte oder Krankheiten in Furcht und Schrecken. Für Israel galt der Glaube, Gott verhänge Prüfungen oder Gericht über sein Volk:
„Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel,
ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil.
Ich bin der Herr, der das alles vollbringt“ (Jesaja 45,7).
Der alttestamentliche Gott ist alleine zuständig für die Geschicke auf der Erde; genau darin bleibt er ambivalent: Er ist machtvoll gütig, er hat aber auch eine Schattenseite – und diese Schattenseite ist die Hintergrundfolie für den hebräischen Satan. Denn der Glauben an einen ambivalenten Gott machte im Laufe der Zeit dem Bekenntnis Platz, dass Gott vollkommen gut sei. Nun stand man aber vor dem Dilemma des Bösen in seiner schärfsten Form: Die Existenz des Bösen musste mit der Existenz eines allmächtigen, erhabenen und ausschließlich guten Gottes in Einklang gebracht werden. Jahwe war heilig und transzendent – wie sollte er da Urheber des Bösen sein? An dieser Stelle trat eine neue Figur auf: Satan. Er ist nun der Urheber feindselig empfundenen Verhaltens, er ist der Widersacher Israels. Satan handelt als Anstifter zur Sünde – allerdings ohne eigene Machtbefugnis, sondern in Abhängigkeit von Gott. Wenn nun also christlich geprägte Leserinnen und Leser beim alttestamentlichen Satan gleich an den volkstümlichen Teufel denken, so hält dies einer kritischen Lektüre nicht wirklich stand. Der Satan ist der Widersacher – und als solcher erfüllt er lediglich seine Aufgabe. Im Hofstaat Gottes übt er die Funktion eines Anklägers aus, der diejenigen, die die Ordnung Gottes stören, vor dessen Gericht zerrt.
Am deutlichsten wird dies in der Ijobgeschichte: Hier ist er als eine Art Staatsanwalt unterwegs. Er behauptet, es sei ja klar, dass Ijob Gott unentwegt lobe, schließlich sei dieser vom Herrn mit wunderbaren Kindern, einer großen Menge Vieh und mit Reichtum gesegnet worden. Erst im Unglück werde sich Ijobs Gottesliebe erweisen, der Herr solle den Ijob doch auf die Probe stellen. Und Gott lässt sich darauf ein, indem er dem Ijob alles nimmt: seinen Reichtum und alle seine Kinder. Als das nicht fruchtet und Ijob noch immer ein Loblied singt, geht es an Ijobs Gesundheit. Gott überzieht ihn mit einem fürchterlichen Ausschlag – und die Freunde Ijobs schütteln unverständig den Kopf über seinen gottesfürchtigen Starrsinn, denn noch immer singt er das Lob Gottes. Erst da gibt sich der Satan geschlagen – und Gott gibt dem Ijob seine Kinder, seine Gesundheit und seinen Reichtum zurück. Dem Satan ist es sichtlich unangenehm, Ijob nicht überführen zu können und die Wette zu verlieren.
Wichtig im Blick auf die Entwicklung des Teufelsglaubens ist, dass Satan nicht aus eigener Machtfülle handelt, sondern weil Gott sich seiner bedient. Satan ist quasi das ausführende Organ. Das wahrhaft Unerklärliche, Schicksalhafte, das den Menschen trifft, fällt auf Gott zurück. Und doch ist Satan schon eine eigenständige Person – schließlich ist er es, der den Herrn zu dieser unheilvollen und grausamen Wette überredet –, er tut zwar nichts ohne Gottes Zustimmung, aber es kündigt sich bereits eine Gegnerschaft zwischen dem Satan und dem Herrn an.
2. Die Apokalyptik der Zeitenwende
Im Laufe der Zeit bekam Satan und mit ihm das Böse einen immer größeren Raum und immer mehr Eigenständigkeit zugestanden, sodass er irgendwann zum Inbegriff des Bösen wurde. Spätestens zur Zeit des Neuen Testaments sah die Überlieferung Satan als Prinzip des Bösen, als Verführer zum Bösen. Doch wie kam es dazu? Hierzu bedarf es eines Einblicks in jüdische apokalyptische Traditionen der Zeitenwende.
Seit Palästina in das Reich Alexanders d. Gr. eingegliedert worden war (331 v. Chr.), sah man sich direkt mit der hellenistischen Weltanschauung konfrontiert, mit griechischer Sprache, mit griechischer Religion, mit griechischer Kunst usw. Zunächst führte man die Auseinandersetzung mit der fremden Kultur mit geistigen Waffen, doch unter dem Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes (175 – 164 v. Chr.) kam es zu einer blutigen Religionsverfolgung. Nicht wenige Juden fielen vom Glauben ab und unterwarfen sich dem Befehl des Epiphanes. Gegen diese Verfallserscheinungen des jüdischen Glaubens formierte sich eine Bewegung, die sich „Gemeinde der Frommen“ (hebräisch Chassidim) nannte (1 Makkabäer 2,42). Die Treue zum mosaischen Gesetz war der einzige wirklich wichtige Gesichtspunkt der neuen Bewegung. Man teilte die Welt auf in „Gerechte“ und „Frevler“, in Gesetzestreue und Gesetzesverächter. Und im Laufe der Zeit steigerte sich diese Polarisierung.
In die zeitgenössische Theologie kam so ein stark dualistischer Zug, der sich vor allem in neuartigen Vorstellungen vom Jenseits ausprägte. Spekulationen über Gottes Eingreifen und die göttliche Wende der Not griffen um sich. Es war die Zeit der Apokalypsen. Zahlreiche konkrete Daten waren im Umlauf, wann die irdische Welt zerfallen würde und die Gerechten ihren verdienten Lohn, die Bösen aber ihre gerechte Strafe erhalten würden.
In diesen politisch unruhigen Zeiten, während des sogenannten Makkabäeraufstands (um 163 v. Chr.), wurde das Buch Daniel, der jüngste Text der hebräischen Bibel, geschrieben. Auch hier wird eine Apokalypse verkündet – und die wiederum ist nicht denkbar ohne Mächte der Finsternis, die in einem Endkampf von den Mächten des Lichts niedergerungen werden.
Die Mächte der Finsternis waren in der apokalyptischen Vorstellung dieser wirren und aufrührerischen Zeiten, auch beeinflusst durch zahlreiche Sekten, in größere Unabhängigkeit von Gott getreten. Der böse Engel, der Satan, der zerstörerische Geist wurde von Gottes Untergebenem zu einem Widersacher des Guten, zum Gegenspieler Gottes.7
In einem der nichtbiblischen Bücher, dem Jubiläenbuch, das dennoch großen Einfluss auf die jüdischen und auch frühchristlichen Denkrichtungen hatte, taucht Mastema auf: ein böser Geist, der praktisch von Gott unabhängig ist. Er führt in Versuchung, er klagt an, er zerstört und bestraft die Menschen, kurz: Er übernimmt all die bösen Merkmale, die einmal Gott zugeschrieben wurden. Das Böse wurde also von Gott