Название | Der Teufel |
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Автор произведения | Ute Leimgruber |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783766641243 |
Das Böse ist nicht irgendein abstraktes Konzept, sondern es ist greifbar, es ist real. Und gerade diese realen Erfahrungen sind es, die die Menschen dazu bewegt haben, die Frage nach dem Woher des Bösen zu stellen, die Frage nach dem Warum. In all den als schlimm, leidvoll, unterdrückend, zerstörerisch – kurz: als böse wahrgenommenen Erfahrungen taucht irgendwann die Frage nach dem Sinn auf. Die Sinnfrage ist aufs Engste mit den Vorstellungen vom Bösen verbunden. Denn sie zeigt den Verständnishorizont auf, innerhalb dessen sich unterschiedliche Gesellschaften mit der menschlichen Kontingenz, mit der Unheimlichkeit des Bösen auseinandergesetzt haben.
Das Böse hat eine bedrängende Wirklichkeit, und diese Wirklichkeit will thematisiert werden. Die Frage nach Gott und nach seiner Verantwortung für das Böse sind beinahe zwangsläufig gestellte Fragen angesichts der menschlichen Wirklichkeit. Die christliche Tradition überliefert uns hier die Vorstellungen um den Teufel. Der Teufel und die Geheimnishaftigkeit des Bösen gehören untrennbar zum innersten Kern der Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn der gemachten Erfahrungen. Die existenzielle Angefochtenheit des Menschen durch das erfahrene Böse ist das Bindeglied zu den vielfältigen Überlieferungen, in deren Mittelpunkt die Figur des Teufels steht. Die Rede vom Teufel hat eine lange Tradition, und sie hat eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen. Neben dem Christentum – das hier im Buch im Mittelpunkt stehen wird – finden sich Teufelsvorstellungen nur in wenigen religiösen Vorstellungen. Wenn auch viele Religionen Dämonen zu ihrem Personal zählen und fast alle Weltanschauungen das Thema des Bösen problematisieren, so gehört der personalisierte Teufel neben dem Christentum nur im Zoroastrismus (oder Mazdaismus), in der antiken hebräischen Religion (nicht im modernen Judentum) und im Islam1 zu den Inhalten religiöser Überlieferung.
Der Begriff Teufel stammt wie auch der englische devil und der spanische diablo vom griechischen diabolos ab. Diabolos bedeutet ursprünglich Verleumder, Meineidiger oder Gegner vor Gericht. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (2./3. Jh. v. Chr.) wurde der Begriff diabolos zum ersten Mal verwendet, um das hebräische Wort Satan, wörtlich: Gegner, Hindernis oder Widersacher, zu bezeichnen. Hier ist also Der Böse zum ersten Mal als diabolos benannt. Später bekam er noch viele weitere Namen und Bezeichnungen, die häufigsten sind Satan, Luzifer oder Beelzebub – je nach Zeit und jeweiliger religiöser Überlieferung. Die großen monotheistischen Religionen haben also die Vorstellung einer Figur, die für das Böse verantwortlich zeichnet, entwickelt, um die Spannung zwischen erfahrener Wirklichkeit und der Vorstellung des einen Gottes zu bearbeiten.
Das vorliegende Buch behandelt nach einem Blick auf die gegenwärtige Gesellschaft und ihre Teufelsbilder (Kapitel I.) diese jüdisch-christlichen Traditionen im Alten und im Neuen Testament, aber auch in der Kirchengeschichte (Kapitel II.; III.). Doch nicht nur die Bibel, die Kirchenoffiziellen oder die Theologen machten sich Gedanken über das Böse, Teufelsbilder finden sich im Volksglauben ebenso wie in der christlichen Kunst (Kapitel IV.); auch für Martin Luther und die Protestanten war das Thema von großer Wichtigkeit (Kapitel V.).
Einer der zentralen Orte der Rede vom Teufel war (und ist) der Exorzismus, bei dem vermeintlich vom Teufel besessene Menschen von eben jenem befreit werden sollen. Was ist von dieser Tradition zu halten? Ist es nicht vielmehr reiner Aberglaube? Dies untersucht Kapitel VI.
Was sagt die kirchliche Lehre heute über die Lehre vom Bösen und über die Figur des Teufels? Antworten darauf gibt das Kapitel VII. Doch die Lehre und die Rede vom Teufel wurden über Jahrhunderte hinweg skrupellos auch dazu missbraucht, den Gläubigen Angst einzujagen, sie einzuschüchtern und so die Herde gefügig zu halten. Diese Pastoral der Angst und der anschließende Abschied vom Teufel in Teilen der Theologie behandelt das Buch in Kapitel VIII.
Doch die Wirklichkeit des Bösen entzieht sich letztlich jeder eindeutigen Erklärung und Einordnung. Sie ist eine Macht, die bedrängt und existenziell erfahrbar ist, gleichwohl bleibt sie im Grunde geheimnisvoll. Die Macht des Bösen besteht im Grunde in ihrem Geheimnischarakter – man kommt ihr auch begrifflich nicht endgültig bei. Wie nun theologisch verantwortlich vom Bösen gesprochen werden kann und welche Rolle der Teufelsbegriff dabei spielt, davon handelt das Kapitel IX.
Die faktische Erfahrung des Bösen ist Grundlage für die Rede vom Bösen. Und nur eine verantwortete Rede vom Bösen vermag das existenzielle Problem des Bösen aufzufangen – jenseits von Aberglauben und Okkultismus, jenseits von Instrumentalisierung und Drohgebärden, jenseits von fundamentalistischem Dualismus oder einer falsch verstandenen Theodizee. Das Problem des Bösen bedarf der Versprachlichung, denn man muss das Böse benennen, um es zu bannen.
Das vorliegende Buch will zweierlei: Es will informieren über die althergebrachten Bilder des Teufels und den Umgang mit ihnen – quer durch die Geschichte –, und es will einen Beitrag dazu leisten, wie der Wirklichkeit des Bösen in Bezug auf die Menschen, die damit konfrontiert sind, begegnet werden kann, in Verantwortung vor der Theologie und ihrer Überlieferung.
I. Die Wiederverzauberung der Welt – Der Teufel in der Gesellschaft
1. Kirche und Gesellschaft – Eine Renaissance des Teufels?
Die Frage nach dem Bösen, nach seinen Erscheinungsformen und seinen Ursachen gehört zu den Grundfragen der Menschen. Doch auch wenn diese Frage immer wieder gestellt wurde, die Antworten driften weit auseinander. Was ist böse? Wann ist etwas als böse zu bezeichnen? Schon bei diesen Fragen ist man sich nicht einig. Ist es böse, dass täglich tausende Kinder mangels sauberen Trinkwassers sterben? Und wenn ja, wer ist da böse? Die Frage und ihre Beantwortung fällt zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten je anders aus. Das Problem scheint unlösbar zu sein. Und doch: Die Frage nach dem Bösen lässt niemanden kalt.
Und wie steht es mit dem Teufel? Er ist doch die Personifikation des Bösen schlechthin – und er stößt auf ungebrochenes Interesse. Laut einer repräsentativen FORSA-Umfrage aus dem Jahr 2005 gaben 27 % der Befragten an, an den Teufel zu glauben.2 Ob das nun viel oder wenig ist, obliegt der Seite des Betrachtenden. Bilder vom Teufel aber kann sich fast jeder machen. Die Facetten der Reaktion auf den Teufelsbegriff reichen von Abscheu bis Faszination. Ob Literatur, Film- und Kulturschaffende, ob Philosophie oder Kunst: Der Teufel und das Böse finden zahllose Verkörperungen.
Spätestens seit dem 11. September 2001 ist die Diskussion über das Böse neu entflammt. In den rauchenden Türmen des World Trade Centers soll sich sogar die Fratze des Teufels gezeigt haben – die entsprechenden Bilder verbreiteten sich via Internet in Minutenschnelle über den ganzen Erdball. Das Vokabular der amerikanischen Evangelikalen und ihres Präsidenten ebenso wie das ihrer Gegenspieler im Nahen oder Fernen Osten oder sonst wo auf der Welt unterstützt den Eindruck, der Teufel habe wieder Einzug gehalten in die Welt. Wieder?
Mit der westlichen Aufklärung schien auch der Teufelsglaube an ein Ende gekommen zu sein. Die berühmt gewordene Parole Max Webers von der „Entzauberung der Welt“3 steht stellvertretend für den Prozess der Säkularisierung in der Moderne. Im Zuge dessen wurde die Akzeptanz von Gutes und Böses wirkenden Geistern suspekt und kam schließlich gänzlich abhanden. Die Natur wurde entpersonalisiert, und zwar in dem Maße, in dem sie rational erklärbar wurde. Was objektivierend nicht zu beobachten war, was keiner kausalen und logischen Erklärung zugänglich gemacht werden konnte, durfte es nicht mehr geben.
Mit der Entzauberung der Welt fiel auch der Teufel und mit ihm alle anderen Geistwesen aus dem allgemein akzeptierten Regelungsrahmen der Welt. Zwischen Säkularisierung, Neurobiologie, Quantenphysik und Biochemie schienen der Teufel und seine Dämonen ausgedient zu haben. Zur gleichen Zeit verlor die Kirche das Monopol auf eine umfassende Interpretation der gesamten Wirklichkeit, des gesellschaftlichen und privaten Lebens. Bald konnte sie dies selbst bei ihren eigenen Mitgliedern nicht mehr einfordern. Mit diesem Plausibilitätsverlust und dem ihrer religiösen Symbole ist allem Anschein nach auch der Sinnverlust des christlich geprägten Begriffes Teufel verschwunden. Mit ihm ging der Glaube an Himmel und Hölle, ja, an eine gesamte stabilisierende Weltordnung unter. Dieser noch weit über die Teufelsproblematik hinausreichende Prozess wird