Название | Lakritz |
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Автор произведения | Klaus-D. Kreische |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895850 |
Kreische
Lakritz
Traktat
Klaus-D. Kreische
Lakritz
Traktat einer Reise in die Welt der schwarzen Süßigkeit
© 2012 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des
Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Britta Gerloff
Umschlag: Thorsten Hartmann
unter Verwendung einer Abbildung aus »Köhler’s Medizinal-Pflanzen«
Herstellung: Monsenstein und Vannerdat
ISBN: 978-3-941895-31-7
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Inhalt
1 Süßholz – Die Wurzel des Schmetterlingsblütlers
2 Tradiertes Wissen – Im Fokus der antiken Wissenschaft
3 Ferner Handel – Die Pfade der Wurzel
4 Süße Worte – Vom Raspler zum Confiseur
5 Schwarze Magie – Von Liebe, Gold und Bärendreck
6 Wirre Zeiten – Kampf gegen unliebsame Konkurrenten
7 Gesunde Entdeckungen – Lakritze unter dem Mikroskop
8 Imperiale Lust – Die Entwicklung des Rohstoffmarktes
9 Schwarzes Gold – Die Unternehmer im Visier
10 Lakritz-Orbit – Eine Vielfalt ohne Grenzen
Lucullus-Liqueritius – Sieben Kochrezepte mit Lakritz
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
»Spunk!«, ein gellender Schrei schallte über den Marktplatz, von weit her reckten sich Köpfe in die Luft, Passanten in nächster Nähe drehten sich verwundert um und Karin, die Verkäuferin vom Tiroler Wurst- und Käsestand rollte ihre Augen. Sie wusste, was dies zu bedeuten hatte. »Ich fasse es nicht! Hier gibt es Spunk!«, rief erneut die begeisterte, junge Stimme, die mit jeder Silbe den nächsthöheren Ton auf der Tonleiter erklomm. Etwas verlegen wandte sich der jugendliche Begleiter von seiner Freundin ab. ›Vielleicht zuviel Pippi Langstrumpf gelesen‹, mag er im Stillen gedacht haben.1 Ein umstehender Amerikaner hob die Augenbrauen und rümpfte die Nase. Für ihn war ›Spunk‹ als weißer, lebensspendender Saft das Ergebnis intimer Stunden, den allenfalls noch Tom Sawyer und Huckleberry Finn als Hausmittel gegen Warzen empfahlen, doch keinesfalls könnte es an diesem öffentlichen Ort feilgeboten werden.2 Noch bevor er sich aus nächster Nähe von dem Anlass solcher Begeisterungsstürme überzeugen konnte, hielt unsere ›Primadonna‹ eine schwarze Schachtel in die Luft, in der sich kleine amöbenhafte Tierchen befanden – geformt aus salzigem Lakritz.
Diese oder ähnliche Szenerien spielen sich fast an jedem Markttag ab, wenn ein kleiner Lakritz-Stand mit seiner ausgesuchten Ware die neugierigen Massen anlockt und das Herz von Kennern höherschlagen lässt. Schließlich werden an diesem Kleinod von Stand wahre Kostbarkeiten feilgeboten. Zwischen Schlangen, Stangen, Schnecken, Konfekt, Lutschern, Pfeifen und Pülverchen liegen kleine Dosen und Schachteln, mit lustigen Motiven und Mustern bedruckt. Bonbonieren aus Kristall, bestückt mit kleinen Katzen, Bären, Seesternen, Totenköpfen, Autos, Fahrrädern, hart, weich, gezuckert oder gesalzen, verführen zusätzlich Augen und Gaumen. Dazu gibt ein ausgefuchster Lakritz-Verkäufer seine neuesten Entdeckungen aus dem Fundus der Lakritz-Geschichte preis und amüsiert seine Zuhörer mit Lakritz-Anekdoten. Gilt es doch, landläufigen Vorurteilen und Legenden gegenüber seiner Handelsware ein Ende zu setzen und endlich den Ausspruch eines bekannten Lakritz-Produzenten zu entkräften, der in den 60er Jahren behauptete, man dürfe zwar alles essen, aber längst nicht alles wissen. Wie ernst diese Behauptung genommen wurde, zeigt sich heute in einer breiten Unwissenheit, die alles überschattet, was mit der schwarzen Süßigkeit zusammenhängt. Zusätzlich sind es Szenarien wie der Lakritz-Äquator, der das Land in zwei Hälften teilt, die ›Mär‹ vom Ochsenblut als geschmacksgebende Ingredienz oder die männliche Angst vor Impotenz, die der Lakritze ein ›anrüchiges‹ Image verleihen.
Als wahrheitsliebender und neugieriger Zeitgenosse und als eifriger Lakritz-Verkäufer auf Berliner Wochenmärkten unterwegs, konnte ich diesen Umstand nicht akzeptieren und entschied, dem Problem ein Ende zu setzen. Ich beschloss, meine Leidenschaft schriftlich zu verewigen und verfasste dieses Traktat mit voller Hingabe für meinen missionarischen Auftrag, die Welt von den Vorzügen der Lakritze zu überzeugen.
Zur Erkundung des schwarzen Goldes reiste ich in weit abgelegene Regionen dieses Kontinents. Auf Äckern und in Gärten grub ich tiefe Löcher in die Erde, um der ›sagenhaften‹ Süßholzwurzel, aus der Lakritz hergestellt wird, habhaft zu werden. Zudem beobachtete ich in lärmenden Fabrikhallen die Arbeiterinnen, die geduldig aus einem langen, klebrigen Strang eine Lakritz-Schnecke drehten und schwarze, runde Kügelchen mit einem Stempel zu Lakritz-Geld pressten. Mein praktisches Wissen konnte ich durch ungezählte Stunden in den Lesesälen öffentlicher Bibliotheken theoretisch untermauern. Hier sichtete ich alle erdenklichen Quellen, um nun die Geschichte des Lakritzes zu erzählen und Sie zu dieser Reise in die Welt der schwarzen Süßigkeit einzuladen.
Dass diese Süßigkeit eine Geschichte hat, mag viele Leser erstaunen, denn Lakritz liefert nicht wie Zucker, Tabak oder Kaffee eine Vorlage, anhand derer man die Menschheitsgeschichte neu schreiben könnte. Vielmehr sind es Anekdoten, Erzählungen, Gesetze, Verordnungen und Rezepte von, über und mit Lakritz, die aneinandergereiht ein ganz eigenes Bild ergeben.
Aus Erfahrung weiß ich aber, dass der Glaube an die Einzigartigkeit der Wurzel und seines Produktes so sehr von einem Besitz ergreifen kann, dass man geneigt ist, alles nur noch über Lakritz zu erklären. Einhalt gebieten da die Skeptiker, Zweifler, Abstinenzler und Gegner.