Spieltraditionen, Personalstile und Signature-Licks der Rock and Roll-Gitarre. Dennis Schütze

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Название Spieltraditionen, Personalstile und Signature-Licks der Rock and Roll-Gitarre
Автор произведения Dennis Schütze
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870448



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Musik jugendlicher Sänger wie z.B. Paul Anka, Connie Francis, Neil Sedaka, Bobby Vee und Bobbie Vinton.

      Das Ende des Genres kann mit dem Ausklang des Jahres 1960 datiert werden. Die meisten wichtigen Vertreter hatten im Anschluss keine Hits mehr (Bill Haley, Little Richard, Chuck Berry, Carl Perkins, Gene Vincent), wechselten das Genre (Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Johnny Cash) oder waren verstorben (Buddy Holly, Ritchie Valens, Eddie Cochran). Besonders der Einzug von Elvis Presley zum amerikanischen Militär im Jahr 1958 und der damit verbundene stark reduzierte musikalische Output bis zu seiner Entlassung im Jahr 1960 deuteten eine einschneidende Veränderung bereits deutlich an. Sein von ihm und seinem Management gleichzeitig aktiv betriebener Imagewechsel vom Rock and Roll-Rebell zum singenden und tanzenden Schauspieler in kommerziell erfolgreichen, aber musikalisch und inhaltlich anspruchslosen Kinoproduktionen wurde von späteren Beobachtern mit großer Enttäuschung aufgenommen. Im Jahr 1980 sagt John Lennon: „Elvis really died the day he joined the army [1958]. That‘s when they killed him, and the rest was a living death.“ (www.elvispresleynews.com/Beatles.html) Der Tod von Buddy Holly bei einem Flugzeugabsturz am 3. Februar 1959 wurde von der folgenden Generation gar als „the day the music died“ (McLean 1972) begriffen. Die Ära des klassischen Rock and Roll wurde ab Ende der 1950er Jahre schleichend abgelöst vom bereits erwähnten Schlock-Rock, dem amerikanischen Folk-Revival und ab dem Jahr 1964 schließlich und endlich von den Bands der British Invasion. Wie bei jedem Ausklang einer Ära waren die Übergänge aber auch hier fließend und so wurden noch bis in die frühen 1960er Jahre Titel veröffentlicht, die - zumal aus gitarristischer Sicht - noch dem Rock and Roll zugerechnet werden können z.B. von Ricky Nelson, Roy Orbison oder einige später dem Surf Rock zugerechnete Titel (Gillet 1980, Reebee 2002).

      Territorial wird die Untersuchung auf die Bundesstaaten der USA begrenzt, da Rock and Roll seiner Entstehung nach ein amerikanisches Phänomen darstellt. Nicht-amerikanischer Musik im Stile des frühen Rock and Roll kann zumeist schnell ein direkter amerikanischer Einfluss nachgewiesen werden. So wird der in England ab 1958 kommerziell erfolgreiche Sänger Cliff Richard in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, weil er insbesondere in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren in den USA nicht einen einzigen Top-Ten oder Top-40-Hit landen konnte und auch aus instrumentenspezifischer Sicht keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Genres in den USA nahm. Auch deutsche Rock and Roll-Interpreten wie Ted Herold, Peter Kraus oder Tommy Kent sind nationale Phänomene, wie sie in Folge der weltweiten Vermarktung des Rock and Roll auch in anderen Ländern entstehen. Sie spielen in der internationalen Wahrnehmung des Genres keine Rolle.

      „Rock and Roll was about black music and white rural music finding an audience in white urban teenagers, but the resistance to the guitar in particular was based on class rather than on race prejudice. Rockers like Elvis, Jerry Lee Lewis, and Carl Perkins were viewed – not only in the North – as white trash, and the fact that many of them were playing guitar only added to the evidence that they were no better than hillbillies.“ (Brookes 2005, S. 176)

      Instrumentenspezifisch hatte es zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine neuartige Entwicklung gegeben, die präzise datiert werden kann. In den Jahren 1950-52 kamen die ersten klassischen Solidbody-Modelle der Firmen Fender und Gibson auf den Markt und markieren damit den Beginn einer neuen Ära im Gitarrenbau, der weitreichende Folgen haben sollte. Der kalifornische Tüftler und Unternehmer Leo Fender entwickelte mit verschiedenen Geschäftspartnern bereits seit Mitte der 40 Jahre Verstärker und Steel-Gitarren und widmete sich ab 1949 der Entwicklung einer Solidbody-Gitarre (ohne Resonanzraum) mit verschraubten Hals und elektromagnetischem Tonabnehmer. Das Modell Esquire (ab 1950) verfügt über einen einzelnen Single-Coil-Tonabnehmer in Stegposition. Das Nachfolgemodell Telecaster (ab 1951) löst das Vorgängermodell ab und wird bereits serienmäßig mit einem zusätzlichen zweiten Tonabnehmer in Halsposition bestückt. Die neue Gitarre bietet insgesamt drei verschiedene Tonabnehmerkombinationen und wird durch ihren günstigen Preis schnell zu einem sehr großen Verkaufserfolg. Das E-Gitarrenmodell Stratocaster (ab 1954) ergänzt die Fenderproduktpalette bzgl. Komfort und klanglicher Möglichkeiten. Es bietet serienmäßig eine ergonomische Korpusform, drei Single-Coil-Tonabnehmer in Hals-, Mittel-, und Stegposition und ein federgelagertes Vibratosystem unter dem Gitarrensteg. Außerdem befinden sich im Katalog der Firma Fender von Beginn an auch immer Röhrenverstärker, die ideal auf die eigenen Instrumente abgestimmt sind (Smith 1995, Bacon 2001). Das „Les Paul“ genannte Gitarrenmodell der traditionsreichen Firma Gibson ist das Ergebnis einer Kollaboration zwischen Gibson und dem Gitarristen und Technik-Tüftler Les Paul und war eine direkte Reaktion auf den Verkaufserfolg der Telecaster von Fender. Bereits in den Jahren 1945-46 war Paul mit den Plänen einer Solidbody-Gitarre auf die Firma zugekommen, wurde aber zunächst abgewiesen. Ab 1951 wurde dann gemeinsam entwickelt. Mit dem einer Archtop-Gitarre nachempfundenen Korpusform und einem verleimten Hals setze sich die Les Paul (ab 1952) optisch und technisch von den Konkurrenzprodukten aus dem Hause Fender ab. Anfangs wurde die Les Paul mit zwei P-90 Single-Coil-Tonabnehmern bestückt (Steg und Halsposition). Ab 1957 wurden diese durch die nebengeräuschärmeren Humbucker-Tonabnehmer ersetzt. Damit setzte sich die Les Paul auch klanglich noch einmal deutlich von den Fendergitarren ab. Die einfache Bauweise ohne Hohlkörper (und im Falle von Fender mit verschraubten Hälsen) erlaubte erstmals die Massenproduktion im Gitarrenbau und es war somit möglich die Preise der bis dahin gängigen Archtop-Gitarren deutlich zu unterbieten. Durch diese Verbilligung, aber auch durch die technische Möglichkeit der problemlosen Verstärkung wurde die Solidbody-Gitarre innerhalb weniger Jahre mit weitem Abstand zum meistverkauften und populärsten Musikinstrument der USA und zum integralen Bestandteil des sich gerade entwickelnden Musikstils Rock and Roll (Smith 1995, Bacon 2001).

      Die neue Entwicklung im Gitarrenbau fällt zusammen mit einer Phase der Umstrukturierung der üblichen Bandbesetzungen. Waren bis zum Ende es zweiten Weltkriegs noch stark besetzte Swing- und Tanzorchester mit verschiedenen Bläsersektionen und Rhythmusgruppe die Regel, wurden die Formationen zum Ende der 1940er Jahre aus Kostengründen oft systematisch ausgedünnt. Zuerst wurden die Instrumentengruppen auf jeweils nur ein Instrument reduziert (z.B. Jump Blues) und schließlich in den 1950er Jahren zum Teil nur noch in Form des Tenorsaxophons eingesetzt. Die klassische Big-Band-Besetzung war Mitte der 1950er Jahre bereits ein Relikt aus der vergangenen Ära des Swing. Abgelöst wurden die alten Bands von kleinen bis kleinsten Besetzungen, von denen einige, wie z.B. im Rockabilly, sogar ohne Schlagzeuger auskamen. Die Sänger agierten zumeist gleichzeitig als Rhythmusgitarristen und wurden zum Teil nur von einem Sologitarristen und einem Kontrabassisten begleitet (Presley, Cash, Perkins). Dies war erst mit der technischen Erneuerung der E-Gitarre möglich geworden. Eine Handvoll Musiker konnte sich bei Auftritten oder Aufnahmen nun mit einem einer Bigband ebenbürtigen klanglichen Volumen präsentieren und dabei den eigenen Sound und die Performance wesentlich spontaner und individueller gestalten. Die beteiligten Musiker spielten zumeist so genannte Head-Arrangements, die üblicherweise im Kollektiv entwickelt und nicht notiert wurden. In diesen kleinen Besetzungen und oft mit einfachen, selbstverfassten Songs hebelten musikalische Amateure in Zusammenarbeit mit einigen unabhängigen Produzenten für kurze Zeit die Dominanz der allmächtigen Orchester, Musikverlage und Major Label aus wobei das Instrument E-Gitarre oft eine entscheidende Rolle spielte. Nicht zufällig bestand die Mehrheit der bedeutenden Musiker des Rock and Roll aus singenden Gitarristen (Prown 1997, Chapman 2000, Bacon 2001, Dawson 2003, 2005).

      „Everyone else wanted to be Elvis; I wanted to be Scotty [Moore]“

      (Keith Richards zit. in Moore 1997, Umschlagtext)

      Anders als z.B. im Bereich der klassischen Musik ist ein hoher Wiedererkennungswert ein primäres Ziel von kommerziell ausgerichteter Populärmusik. Naturgemäß erregt eine gewöhnliche und unoriginelle Musikproduktion in der Masse der Veröffentlichungen weniger Aufmerksamkeit als eine neuartige und eigenständige Produktion und hat damit größere Chancen verkauft zu werden. Dieser Wiedererkennungswert kann durch unterschiedlichste musikalische und außermusikalische Faktoren hervorgerufen werden. Im Rock and Roll der 1950er Jahre hatten durch bedeutende Veränderungen in der Medienlandschaft erstmals auch außermusikalische Faktoren eine große Bedeutung. Die Präsenz in