Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf. Dolf Hermannstädter

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Название Got Me? Hardcore-Punk als Lebensentwurf
Автор произведения Dolf Hermannstädter
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862870271



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was ist das? Es sieht nicht aus wie eine richtige Zeitschrift, es sieht aus wie … Ich wußte nicht, wie es aussieht. Irgendwie sah es ein bisschen aus wie eine Schülerzeitung, aber warum sollte es dann in einem Plattenladen verkauft werden?

      Ich hab eines aufgeschlagen und begann, einen Artikel zu lesen, in dem sinngemäß stand: »Mann, eine Horde wirklich stocksaurer Punks kam uns auf der Straße entgegen. Sie brüllten ›fucking bullshit!‹«

      Dieses ‘fucking bullshit’ hat mich so beeindruckt. Das war so echt, und ich mochte es, also kaufte ich das Fanzine.

      I: Hast du jemals was fürs Antz geschrieben?

      D: Nein, aber ich hab dann angefangen, für ein anderes Fanzine zu schreiben, das hieß Augsburger Scheißhaus Njus

      I: Also in den frühern Achtzigern hast du bei Fanzines mitgemacht. Was hast du den für Musik gehört? Deutsche Bands, britische Bands, amerikanische Bands?

      D: Am Anfang hörte ich alles, was ich in die Finger bekam, solange Punk draufstand.

      I: Was wäre ein gutes Beispiel für eine Scheibe dieser Zeit, die nie von deinem Schallplattenspieler runterkam?

      D: Um genau zu sein, all die Schallplatten waren geliehen und verließen meinen Plattenspieler sofort, nach dem ich sie aufgenommen hatte. Ich konnte es mir nicht leisten, sie zu kaufen.

      I: Hast du frühen britischen Punk gehört, wie 999 und UK SUBS?

      D: Nein, der frühe Punk-Rock war nie wirklich mein Ding, ich mochte CRASS, aber in erster Linie wegen den Texten und ihrer Einstellung. Ich mochte einiges an frühem deutschem Punk-Rock, aber fand dann heraus, dass viel von dem doof war.

      Dann kam amerikanischer Hardcore, und so wie wir Europäer den amerikanischen Hardcore auslegten, das war mein Ding.

      I: Was war deine erste Punk-Show?

      D: Ich glaube, es war eine Band aus Augsburg, aber ich kann mich nicht wirklich dran erinnern.

      I: Warum kannst du dich nicht erinnern?

      D: Weil ich damals keinen Sinn darin sah, Dinge aufzuschreiben.

      I: Aber du hast mir grade erzählt, dass du dich genau dran erinnerst, wie du in einen Laden gegangen bist und dort das Antz-Fanzine gesehen hast, das war vor über fünfundzwanzig Jahren. Das hast du dir auch nicht aufgeschrieben. Die Tatsache, dass du dich daran erinnern kannst, aber nicht an die erste Band, die du gesehen hast, zeigt mir, wie dein Filter arbeitet. Das geschriebene Wort hat dich tiefer beeindruckt als die Musik.

      D: Das ist wahr. Ich sag den Leuten, die ganze Zeit, dass ich Musik liebe und liebte, aber für mich ist der Inhalt wichtiger als die Musik.

      I: Was hast du zuerst geschrieben?

      D: Am Anfang hab ich nur Briefe an Leute geschrieben. So sind wir damals alle in Verbindung geblieben. Ich wollte den Leuten meine Ansichten mitteilen. Dann dachte ich ‘Wart mal, das ist ja doof, ich muss doch nicht in jedem scheiß Brief immer wieder aufschreiben, warum man Vegetarier werden soll oder warum Leute in der 3.Welt den Hungertod sterben’. Also hab ich einen kleinen Flyer gemacht, der hieß ‘Dolf Flyer’. Von denen gab es vier Stück, und da hab ich gelernt, wie man die Botschaft mit dem Layout zusammenbringt. Die hab ich dann in die Briefe dazugepackt, als Zusatzinformation. Das mit den Flyern war ein paar Jahre, nachdem die ersten Texte im Augsburger Scheißhaus Njus veröffentlicht wurden.

      I: Wirst du die mit ins Buch nehmen?

      D: Gute Idee, vielleicht sollte ich das.

      I: Hast du als Kind geschrieben? Kreatives schreiben?

      D: Ich war wohl bei ein paar Schülerzeitungen mit dabei, aber das war nicht wichtig.

      I: Es kommt also nicht so sehr aufs Schreiben an, sondern auf deine Ansichten, die du verbreiten willst. Mit anderen Worten, du liebst nicht das Schreiben, du willst einfach deine Gedanken sprechen lassen.

      D: Ja.

      I: Weißt du noch, was du in den ersten Fanzines geschrieben hast? Was hast du im Scheißhaus Njus geschrieben? Eine Kolumne, Plattenbesprechungen?

      D: Ich glaube, es war ein Live-Review, wie wir Bier trinken, zum Konzert gehen und mehr Bier trinken, oder es war eine Kritik am ›Punk-Konsum‹. Ich glaube, dass ich ziemlich lange dachte, ich wäre nicht die richtige Person, um zu schreiben. Obwohl ich auch schon Szeneberichte fürs Maximumrocknroll (MRR) und Flipside geschrieben hatte. In erster Linie sammelte ich Fanzines, so wie andere Leute Schallplatten sammelten. Ich war ein Fan.

      I: Es war für dich komisch, dich im Schreiben zu versuchen?

      D: Ja.

      I: Welche Fanzines haben dich wirklich inspiriert?

      D: Nasty Facts war ziemlich gut.

      I: Aus welcher Stadt war das?

      D: Aus dem Ruhrgebiet. Winni Wintermeyer von TUDO HOSPITAL hat das rausgebracht. Nasty Facts war wahrscheinlich die größte deutsche Fanzine-Inspiration, aber wirklich umgepustet hat es mich 1983 oder 1984, als mir Dave Dictor (von MDC) jeweils eine Kopie vom MRR und Ripper schickte. Das hat meine Einstellung zu Fanzines geändert.

      I: Welche Ausgabe vom MRR war es?

      D: Ausgabe sechs oder sieben. Ich kann mich erinnern, dass ich ein paar alte Ausgaben von ihnen nachkaufte.

      I: Gab es einen bestimmten Aspekt, der dich bei Fanzines anzog?

      D: Damals hab ich alles von Anfang bis Ende durchgelesen, weil mich das alles interessiert hat. Ich wollte neue und interessante Ideen kennen lernen, neue Sichtweisen und interessante Leute. Es war also nicht so, dass ich mir nur die Plattenbesprechungen und die Kolumnen ansah.

      I: Wann hast du angefangen, für die Zines zu schreiben, die dir Dave geschickt hatte?

      D: Ich glaube ziemlich bald dannach, da ich sofort an Tim Yohannan (MRR) und Tim Tonooka (Ripper) schrieb und dann ihre Fanzines hier vertrieb, geschrieben hab ich nur für MRR.

      I: Warst du der erste, der MRR in Deutschland vertrieben hat?

      D: Das weiß ich nicht, aber ich erinnere mich dran, dass ich der einzige war, der es auf Gigs in Süddeutschland verkaufte.

      I: Was waren deine Lieblingskolumnen?

      D: Ich denke die von Tim, er erschien mir eher alt, aber immer noch sehr jung im Kopf.

      Wenn du damals über dreißig warst, dann warst du entweder ein komplett durchgeknallter Typ oder eben total Mainstream. Es gab so gut wie niemanden, von dem man sagen konnnte: »Hey, seht euch den Typ an, der ist beinah vierzig und immer noch gut drauf«. Zumindest kannte ich niemanden, auf den das zugetroffen hätte.

      I: Wann und wie hast du mit dem TRUST angefangen?

      D: Das war 1986. Wir hatten immer wieder Treffen von Leuten aus dem ganzen süddeutschen Raum organisiert. Die Treffen waren offen für alle, die ähnliche Ideen hatten und kommen wollten. Am Anfang waren die Treffen sehr klein und wurden dann immer größer.

      I: Aus welchem Grund habt ihr die Treffen gemacht? Um was ging es überhaupt? Habt ihr versucht, eine Szene aufzubauen?

      D: Ja. Es waren Leute, die amerikanischen Hardcore und den neuen europäischen Hardcore mochten. Wir haben uns getroffen, weil wir keinen Bock hatten, mit den älteren, trinkenden, gewalttätigen, destruktiven Punks von den Konzerten rumzuhängen. Wir waren die jüngeren, nicht gewalttätigen, denkenden, trinkenden, konstruktiven Punks.

      I: Wie groß waren diese Treffen?

      D: Am Anfang waren da vielleicht drei Autos voll.

      I: Zwölf Leute?

      D: Ja, zwölf oder fünfzehn Leute. Es waren ja keine Treffen, wo wir uns hinsetzten und den ganzen Abend nur redeten. Wir haben, natürlich, auch was getrunken. Dann hatten wir ein ziemlich großes Treffen, da waren so fünfzig Leute, das war in Heidenheim.

      I: Habt ihr euch auf dem Treffen entschieden, das Fanzine zu machen?

      D: