Eine Liebe in der Toskana. Peter Knobloch

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Название Eine Liebe in der Toskana
Автор произведения Peter Knobloch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871209



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...«, sagte sie, während sie einen großen Topf mit Penne und einer Zucchini-Pomodorini-Soße auf den Tisch stellte. »Das schöne Bayern, die Alpen, die Schlösser. Vor zwei Jahren habe ich an einer Busreise teilgenommen, sulla Romantische Straße.«

      »Romantische Straße« kostete sie einige Mühe, das »st« sprach sie in plattdeutscher Manier, also buchstäblich aus.

      »Die Reise ging von Neuschwanstein ...«, noch so ein Zungenbrecher, »... nach Francoforte, über Augsburgo, Dinkelbul...«, Dinkelsbühl, eine Gemeinheit für eine italienische Zunge, »... und Rothenburg. C’era meraviglosa!« Es war wundervoll.

      Sie setzte sich mit an den Tisch, verspürte aber offenbar keinen großen Appetit, denn sie redete unentwegt weiter. Nach ein paar Anstandssekunden hielt ich es nicht mehr länger aus und fing schon mal zu essen an. – Die Nudeln schmeckten köstlich.

      »Wir hatten hier im Sommer einen Europatag. Jedes Land hatte auf unserer Piazza seinen eigenen Stand, und rate mal, welcher Stand am beliebtesten war?«

      »Mmpf?«

      »Der deutsche Stand! Besonders unsere Jugend hatte ihn bis spät in die Nacht belagert, und ihr habt ja auch wirklich feine Sachen ...«, sie nahm die Gabel in die rechte Hand und begann bei angelegtem Ellbogen mit dem Essbesteck Luftkreise zu zeichnen, »das gute Bier, die Würstel, das Krauti, dann das gute Schwarzbrot, das es ja bei uns leider überhaupt nicht zu kaufen gibt, und der köstliche Apfelstrudel ...«

      »Mmpf, Austria!«, brachte ich gerade noch heraus.

      »Ach der kommt aus Österreich? Egal, ist ja sowieso dasselbe ...«

      »Mmmpfff!!!!«

      »Deutschland ist wirklich ein tolles Land. Und dann das Oktoberfest! Warst du schon mal auf dem Oktoberfest?«

      Ich nickte.

      »Schmeckt es dir?«

      Ich nickte.

      »Ah si, weißt du, was ich heute im Fernsehen gesehen habe?«

      Ich zuckte mit den Schultern.

      »Die neurenovierte Frauenkirche in Dresden. Die habt ihr wirklich toll wiederaufgebaut!« Sie legte die Gabel wieder beiseite und bildete mit Daumen und Zeigefinger ein »o«, »Perfetto! Und Frau Merkel war übrigens auch da«, strahlte sie. »Sie machte wie immer eine bella figura!«

      Du lieber Gott, wenn ich ihr erzählen würde, was sich unsere Angela in ihrer Heimat schon alles wegen ihrer »bella figura« von totwitzigen Kabarettisten anhören musste ...

      Franca nahm ihre Gabel wieder in die Hand, und ich dachte, es sei nun an der Zeit, auch mal was zur Unterhaltung beizusteuern, was aber arg wenig wertvoll geriet:

      »Aber Berlusconi macht doch auch eine bella figura, oder nicht?«

      Franca ließ die Gabel sinken und sah mich entgeistert an: »Ma sei pazzo (bist du verrückt)?«

      Sie legte die Gabel beiseite und formte ihre Hand zu einem Ei, indem sie die Fingerspitzen zusammenpresste. Da war er, der C-Dur-Akkord der italienischen Gestiktonleiter, kleine Kinder lernen ihn noch vor dem Sprechen. Sie schüttelte den Unterarm heftig auf und ab: »Willst du mich veralbern? Berlusconi mit La Merkel zu vergleichen? Ma che dici tu (was redest du)?«

      Sie öffnete die rechte Hand, als lasse sie eine Taube fliegen. »Berlusconi ist ein Hallodri, ein Betrüger, un cretino, un criminale! Mamma mia! Berlusconi und Signora Merkel, das sind doch Welten ...«

      Sie schüttelte den Kopf, griff wieder zur Gabel und schien sich zu fragen, was für einen Idioten man ihr da nur diesmal ins Haus geschickt hatte. Dabei war ich doch nur neugierig. Silvio hatte in Deutschland eine derart verheerende Presse, da wollte ich einfach herausfinden, wo in diesem doch scheinbar zivilisierten Land seine Wähler steckten.

      »Aber wer war denn in der italienischen Politik noch kein criminale?«, hielt ich dagegen, so schnell ließ ich mich nicht unterkriegen. »Andreotti vielleicht?«

      Sie wackelte mit dem Kopf. »Auch wieder richtig, im Grunde sind sie alle mafiosi!«

      Offenbar hatte sie keine große Lust, das Thema Politik weiter zu vertiefen, denn sie schwieg und fing nun tatsächlich zu essen an. Mein erster Versuch, in die Abgründe der italienischen Politik einzudringen, wurde abgeschmettert. Va bene! Ich würde dranbleiben.

      Ihr Schweigen gab mir die Möglichkeit, meine Aufmerksamkeit den Abendnachrichten des staatlichen Senders RAI zu widmen, womit wir gleich wieder beim Thema waren, denn als Toppnachricht kam gerade ein Bericht über die aktuelle Regierungskrise. Eben genannter Berlusconi war nicht mehr, beziehungsweise noch nicht wieder Ministerpräsident und setzte dem Zwischendurchregierungschef Prodi und seiner mühsam zusammengehaltenen Linkskoalition mächtig zu. Schwarze Limousinen fuhren vor, und Politiker gaben vor Mikrofonwäldern wichtige Statements ab.

      Die Tatsache, dass sich ihre Regierung in einer dramatischen Krise befand, stieß bei Franca auf totale Gleichgültigkeit. Das Thema war auch für die RAI schnell abgehakt, und man wechselte zu einem folkloristischen Beitrag aus Neapel.

      Dieser begann damit, dass ein paar Carabinieri in ihren schönen Uniformen zusahen, wie Männer in weißen Overalls einen Blechsarg aus einem Haus trugen. Eine Reporterin sagte, dass man noch nichts Genaues wisse, und etwa zwei Dutzend Nachbarn teilten den Kameras mit, dass sie allesamt nichts mitgekriegt hätten, aber wahnsinnig betroffen seien. – Auch Franca schüttelte bekümmert den Kopf.

      Als nächste Toppnachricht wurden Aufnahmen einer amerikanischen Überwachungskamera gezeigt, die eine Schießerei bei einem Tankstellenüberfall in Florida aufgezeichnet hatten. Danach kamen noch Angelina Jolie und Brad Pitt auf einem roten Teppich im Blitzlichtgewitter posierend und ein paar Fußballtore aus der Seria A.

      Damit waren scheinbar die wichtigsten Ereignisse des Tages abgehandelt. Die abschließende Wettervorhersage wurde von einem Soldaten in einer blitzsauberen Uniform präsentiert. Ein feiner Max, dem hochdekorierten Gewande nach zu schließen mindestens ein Offizier, sagt das Wetter vorher. Gleich was anderes als unsere windigen Kachelmänner, dachte ich mir.

      Von so viel Neuem und Aufregendem geplättet, äußerte ich bald den Wunsch, schlafen gehen zu wollen. Franca gab mir Handtücher und zeigte mir das Bad. Es war ein normales Badezimmer, wie man es überall auch in Deutschland hätte vorfinden können, bis auf eine Kleinigkeit: Das Bidet!

      Sofort musste ich an den letztjährigen Skiausflug mit meiner Altherrenfußballmannschaft in die Dolomiten denken, wo einer meiner Sportkameraden diese Vorrichtung auf katastrophale Art und Weise missbraucht hatte. Gut, er war sturzbetrunken, aber ich gebe zu, dass auch ich den Sinn und Zweck des Sanitärstücks jahrelang nur erahnt hatte, auch wenn mir ein derartiges Malheur gottseidank nie passiert ist.

      »Wenn du dich duschen willst«, instruierte mich Franca noch und zog zwei große Handtücher aus dem Badezimmerregal, »dann breite sie bitte immer vorher auf dem Boden aus, die Dusche ist nämlich undicht.« Und dann legte sie gleich nochmal richtig los:

      »Dreimal hatte ich schon den Handwerker hier! Dreimal hatte er alles mit Silikon ausgespritzt, aber jedes Mal kam danach das Wasser aufs Neue! Es ist immer das Gleiche!«

      Interessant. Sollte ich zufällig ein alles übertrumpfendes Argument für unseren deutschen Meisterbrief gefunden haben? Den gibt es hier nämlich nicht. Und Berlusconi hatte auch noch vor, in Italien Atomkraftwerke bauen zu lassen. Geht das überhaupt ohne Meisterbrief? Und wenn ja, was ist, wenn dann was leckt? Das ist aber dann nicht mit zwei Handtüchern abgetan. Und wer ist dann wieder der Dumme? Doch nur der deutsche Steuerzahler!

      »... und bis überhaupt mal einer kommt ...«, riss sie mich aus meinen kühnen Gedankengängen. Sie schlug die Hände zusammen: »Letztes Mal habe ich vier Wochen gewartet, und als er endlich kam, war ich nicht zu Hause, und dann musste ich nochmals geschlagene zwei Wochen warten, und dann, dann hat er mir noch die Anfahrt vom ersten Mal verrechnet ...« Sie breitete die Arme wie eine Opernsängerin aus und zog gleichzeitig die Schultern