Название | Gespenster meines Lebens |
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Автор произведения | Mark Fisher |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871483 |
Japan überführen Art Pop in absolute Oberflächlichkeit, in kompromisslosen Ästhetizismus. Tin Drum, das 1981er Album, von dem »Ghosts« stammt, ist Art Pop als Barthes Pop, ein offenkundig verführerisches Spiel mit Zeichen um ihrer selbst willen. Das Albumcover lässt einen sofort in eine durchgestylte Welt eintreten: Sylvian, mit Trevor-Horn-Brille, den wasserstoffblonden Pony mit viel Haarspray kunstvoll über die Stirn drapiert, sitzt in einem schmucklosen, chinesisch anmutenden Raum, Essstäbchen in den Händen, während sich hinter ihm ein dort hängendes Mao-Poster von der Wand löst. Alles ist Pose, jedes Zeichen mit geradezu fetischistischer Sorgfalt gewählt – allein die Art, wie der Lidschatten die Lider beinahe opiumschwer wirken lässt –, und doch sieht alles zugleich unglaublich zerbrechlich aus: Sylvians Gesicht eine Nō-Maske, anämisch bleich, seine Körperhaltung marionettenhaft. Hier sitzt er nun, einer der letzten Glam-Rock-Prinzen und vielleicht der großartigste, sein Gesicht und Körper – nicht anders (und nicht weniger) als die Musik – ungewöhnliche, grazile Kunstwerke, und alles fügt sich zusammen zu einem übergreifenden Konzept. Jedwede soziale, politische oder kulturelle Bedeutung scheint demgegenüber verschwunden. Wenn Sylvian in »Cantonese Boy«, dem letzten Stück des Albums, »Red Army needs you« singt, dann spricht daraus ebenfalls der Geist eines semiotischen Orientalismus: Signifikanten aus dem Reich der Mitte werden plakativ verkürzt, ausgebeutet und sorgen so für einen kurzen Moment der Erregung.
Zur Zeit der Veröffentlichung von Tin Drum hatten Japan die Abkehr vom Trashigen der New York Dolls längst vollzogen und war zu einer Band von Gentlemen-Connaisseurs geworden. Die Jugendlichen aus der Arbeiterklasse von Beckenham hatten sich zu kosmopolitischen Lebemännern entwickelt. (Zumindest, soweit das möglich scheint: »Ghosts« legt ja gerade nahe, dass die Verwandlung niemals vollständig gelingen kann und deshalb die Angst bleibt. Je stärker das Bemühen, den Background zu verschleiern, desto schmerzhafter wird es, wenn er ans Licht kommt.) Die glatte Oberflächlichkeit von Tin Drum ist die eines (Hochglanz-)Fotos, die Distanziertheit der Band entspricht der des Fotografen. Bilder werden dekontextualisiert, um sodann neu zusammengefügt und zu einem merkwürdig abstrakten »orientalischen« Panorama kombiniert zu werden. Das Ergebnis ist ein Ferner Osten, wie ihn der surrealistische Schriftsteller Raymond Roussel erdacht haben könnte. Wie Bryan Ferry bleibt auch David Sylvian Objekt und Subjekt gleichermaßen: nicht nur ein eingefrorenes Bildnis, sondern auch derjenige, der die Bilder arrangiert, und zwar nicht in irgendeinem pathologischen, an Peeping Tom erinnernden Sinn, sondern cool und distanziert. Die Distanzierung ist selbst wiederum eine Performance, in der Sublimierung verschleiert sie die Angst. Die Texte bilden kleine Labyrinthe, unauflösbare Enigmen – vielleicht auch nur das Aufscheinen von Enigmen –, Phantastereien, deren falsche Fassade chinesische und japanische Motive schmücken.
Auch Sylvians Stimme ist Teil der Maskerade. Selbst in »Ghosts« beansprucht sie nicht, für bare Münze genommen zu werden. Es ist keine Stimme, die etwas offenbart oder vorgibt zu offenbaren, sondern es ist eine, die etwas zu verbergen weiß, darin dem Make-up und den ostentativ präsentierten Chinoiserien vergleichbar. Die Fixiertheit auf Geographie lässt Sylvian wie einen Touristen auftreten, einen außenstehenden Beobachter, auch seinem »Innenleben« gegenüber. Die Stimme scheint ganz und gar vom Kopf zu kommen, kaum etwas körperliches ist darin zu hören.
Und was dann? Japan sollten sich auflösen, während Duran Duran auf dem besten Weg waren, die exzentrischen Superstarallüren in einer Billigversion zu übernehmen. David Sylvian begab sich auf die Suche nach »Authentizität«, was zwei Dinge bedeutete: eine Abwendung von Rhythmik und eine Hinwendung zu »wirklichen« Instrumenten. Er wischte sich die Schminke aus dem Gesicht, suchte nach Sinn, entdeckte das wahre Selbst. Dabei klingen seine Soloprojekte bis zu seinem 2003er Album Blemish wie das angestrengte Bemühen um eine emotionale Authentizität, die seine Stimme nie wirklich liefern konnte – während das Alibi Ästhetizismus nun vollkommen fehlt.
Tin Drum blieb das letzte Studioalbum von Japan; zugleich war es einer der letzten Momente des britischen Art Pop. Eine Zukunft war in aller Stille entschlafen, doch andere sollten auftauchen.
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