Название | So feierten wir damals |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783784042329 |
Anschließend wandte er sich wieder mir zu. „Kannst du ein Gedicht oder ein Gebet aufsagen? Falls ja, dann hätte ich für dich noch etwas in meinem Sack.“ Vor Schreck hatte ich mein Gedicht vom Nikolaus vergessen, das ich mit meiner Großmutter zusammen gelernt hatte. Dafür fiel mir mein Abendgebet ein. „Kann ich das auch aufsagen?“ „Ja, das geht!“
Getreulich faltete ich die Hände, wie ich es abends immer tat, wenn ich mit meinem Vater betete: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, es darf niemand drin wohnen als Jesus allein.“
Damit war der Nikolaus sehr zufrieden. Er öffnete endlich seinen Sack. Ich bekam Erdnüsse, Plätzchen, zwei große Apfelsinen und eine Tafel Schokolade. Ich freute mich riesig. Apfelsinen bekam ich nur selten, und Schokolade liebte ich über alles. Der Nikolaus ermahnte mich noch einmal, brav zu sein, dann machte er sich auf den Weg zu den anderen Kindern.
Der 8. Dezember
Maria Adler
Geboren in Mannheim und im Wesentlichen in einem Vorort davon groß geworden, war meine Muttersprache „Mannemerisch“ oder vielleicht „Friedrichsfelderisch“, eine leichte Abwandlung.
So kam es, dass der 8. Dezember für mich lange ein rätselhaftes Datum blieb. Zu Hause und im Kindergarten hatte ich einiges über die wichtigen Daten der Adventszeit gelernt: Nikolaustag, Barbaratag, Adventssonntage. Was aber war das mit dem 8. Dezember? Warum nur musste Maria ins Gefängnis? Was ihr vorgeworfen wurde, war nicht rauszukriegen. Sie tat mir so leid.
Von Maria war ich angetan, von den wunderschönen Bildern, die ich von ihr gesehen hatte, stolz darauf, denselben Namen wie sie zu tragen, auch ihn fand ich ganz besonders schön. Und dann so was! Ich getraute mich nicht nachzufragen, um mir Klarheit darüber zu verschaffen, was sie wohl verbrochen hatte. Zu oft schon hatte ich Fragen gestellt, deren unverständliche oder widerwillige Beantwortung mir das Gefühl vermittelt hatte, ich sei nicht besonders klug.
Also Jahr für Jahr dieses entsetzliche Datum, mitten in der schönen Adventszeit! Wie genau und wann Maria aus ihrem Gefängnis befreit wurde, weiß ich nicht. Nur den Grund für ihren unrühmlichen Aufenthalt: Mein „Friedrichsfelderisch“ war dafür verantwortlich. Mit „Empfängnis“ wusste ich nichts anzufangen. Was ich stattdessen verstand, war: „Maria im G’fängnis“.
Advent in den 50ern
Mechthild Müller
Anfang der 1950er Jahre lebten wir im Elternhaus meiner Mutter in der ersten Etage. Im Erdgeschoss wohnten meine Oma Anna, Onkel Heini und die Tante mit zwei Kindern. Eine echte Großfamilie und ein Kinderparadies. Onkel Heini besaß eine Wagnerei, in der die Bauern des Dorfes ein und aus gingen, außerdem gab es einen Holzplatz, einen Stall mit zwei Kühen, mit Schweinen und Hühnern und einen großen Hof: unser Spielplatz. Nebenan die Metzgerei und der Bäckerladen mit einem stattlichen Backhaus: Überall hatten wir Kinder unsere Nasen drin.
Der Wechsel der Jahreszeiten prägte unseren Alltag. Im Sommer lebten wir „auf der Gass“. Wenn es kälter wurde, begann die Zeit der Bilderbücher – gepaart mit leichter Langeweile. Mit dem ersten Adventssonntag wurde es erneut spannend und – geheimnisvoll.
Sonntags war Papa zu Hause. Er war es, der die erste Kerze anzünden durfte, nach dem voll Ungeduld gesungenen „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Tannenduft verbreitete sich, Wachsgeruch, wohlige Wärme. Dann erzählte Papa alljährlich dieselbe Begebenheit von seiner Gefangenschaft in Amerika:
Die Überfahrt in einem kleinen Schiff war so stürmisch gewesen, dass alle sicher waren, nach den überstandenen Schrecken des Krieges jetzt im weiten Atlantik ertrinken zu müssen. Doch es ging gut. In den USA gab es dann erstaunlich viel zu essen. Mein Vater war mit den anderen Gefangenen beim Bau einer Brücke eingesetzt, in Texas. Nun hatte meine Mutter bereits im September eine Blechdose mit Weihnachtsplätzchen abgeschickt. Angekommen sind sie jedoch erst im Januar, als Krümel. Mein Vater öffnete die Dose, sah die Krümel und sagte zu seinen Freunden: „Holt Löffel. Die Krümel werden gegessen! Sie sind von daheim!“ Und schweigend löffelten die Gefangenen im fernen Texas die deutschen Krümel.
In der Adventszeit waren auch die Werktage außergewöhnlich. Wir Kinder durften den Plätzchenteig durch den Fleischwolf Marke „Alexanderwerk“ drehen. Aus den Teigresten formten die Mütter eine Brezel, die wir sogleich nach dem Backen verspeisen durften. Die Plätzchen dagegen wurden in bunten Blechdosen gut verwahrt und versteckt: unterm Sofa nämlich und auf dem Speicher. Wir taten so, als würden wir diese Verstecke nicht kennen.
Im Religionsunterricht hielt uns Fräulein Steinforth dazu an, freundlich zu sein und für jede gute Tat einen Strohhalm zu sammeln, der am Heiligen Abend dem Jesuskind im Krippchen ein weiches Lager bereiten sollte.
Schreckensauftritt im Kindergarten: Der Nikolaus im Bischofsgewand, mit Bart und heiligem Buch, im Schlepptau Knecht Ruprecht – unverkennbar: die Schwesternhaus-Liss! Wenn das vorüber war, stand abends ein Teller mit Schokolade vor der Tür, mit Orangen und einer Lebkuchenfigur, der ein Nikolausbildchen aufgepappt war. Ein Hochgenuss!
Und allmorgendlich durften wir unseren gemeinsamen Adventskalender öffnen. Abwechselnd. Auf einer Kordel waren Streichholzschachteln aufgereiht, gefüllt mit kleinsten Zweiglein, winzigen Schokoladenfiguren und Bonbons.
Im Mittelpunkt all dieses Geschehens lag der Adventskranz auf seinem weißen Keramikteller, mit dicken roten Kerzen, breiten roten Bändern. Lediglich seine Größe variierte von Jahr zu Jahr ein wenig. Daneben, auf der roten Decke mit den Sternen, lag das noch volle Schächtelchen „Welthölzer“. Spätestens am zweiten Advent hatten wir jedoch allen Respekt verloren: Die Kerzen wurden malträtiert. Sie seitlich ein wenig einzukerben genügte. Schon lief das Wachs einen neuen Weg entlang. Die Kerzen ähnelten bald kleinen, dickbäuchigen Chiantiflaschen. Wir Kinder waren beschäftigt, und unsere gütige Mutter gab es schließlich auf, das pyromanische Treiben unterbinden zu wollen.
Es war eine karge Zeit. In meiner Erinnerung steht sie mit ihrem Tannenduft und ihrem Kerzenlicht in der Dunkelheit dennoch als Symbol für Geborgenheit, für Advent – eine Ankunft.
Tulpen im Advent
Maria Adler
Seit 1955 wohnten wir in Friedrichsfeld, einem Mannheimer Vorort. Meine Oma hatte ein Haus mit einem großen Garten gekauft. Meine Eltern und ich wohnten im Erdgeschoss, die Großeltern im ersten Stock. Die beiden Wohnungen waren fast identisch, auch die Einrichtung. Nur das „kleine Zimmer“ war verschieden. Bei uns war es mein Kinderzimmer, bei Oma standen darin zwei Kleiderschränke, ein großer Ohrensessel und ein quadratischer Tisch.
Selbst die Adventskränze waren identisch: je ein Tannenkranz mit vier roten Kerzen. Ich erinnere mich auch an kleine Fliegenpilze und rote Kügelchen als Dekoration. Bei uns stand er in der Küche. Bei Oma im „kleinen Zimmer“, da hielt er besser und nadelte nicht so, denn das „kleine Zimmer“ wurde nicht geheizt.
Rechtzeitig zum 1. Dezember hängte meine Mutter einen Adventskalender in der Küche auf, hinter jedem Türchen ein kleines Bild, am Heiligen Abend war das Bild doppelt so groß, es hatte ein Türchen mit zwei Flügeln.
Das Zählen begann. Jeden Morgen durfte ich ein Türchen öffnen – allein die Tage bis Nikolaus erschienen mir endlos. Am Morgen des Nikolaustages stand endlich ein kleiner roter Stiefel vor unserer Wohnungstür. Er war gefüllt mit Süßigkeiten. Besonders mochte ich die mit Schokolade überzogenen Zuckersterne, die mit bunten Streuseln dekoriert waren. Am Abend stand für mich ein Knusperhäuschen – von der Größe her eher ein Knusperhaus – aus Lebkuchen auf dem quadratischen Tisch in Omas „kleinem Zimmer“.
Oma und Mama buken die gleichen Plätzchen nach denselben Rezepten; genau genommen buk Mama nach Omas Rezepten. Eine Sorte gab es nur bei Oma: kleine mit Zuckerguss bestrichene Brezeln, die nach Zitrone schmeckten. Am liebsten schleckte ich den Guss ab.