So feierten wir damals. Группа авторов

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Название So feierten wir damals
Автор произведения Группа авторов
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783784042329



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erst viel später nach Hause, er muss mit der Straßenbahn durch die halbe Stadt. Der Ofen bollert, ich schütte Eierkohlen auf die Glut und ein Brikett quer oben drüber.

      Die Mama macht das Licht aus, nur noch die Kerze brennt, die erste Kerze. Der Kranz duftet. Wir spielen „Maria durch ein’ Dornwald ging“, „Es kommt ein Schiff geladen“. Oma singt viel zu hoch.

      Ich knicke Nadeln vom Adventskranz und halte sie in die Flamme, das riecht gut beim Verqualmen.

      „Du sollst das doch sein lassen“, sagt die Mama, „pass auf, dass der Kranz nicht anfängt zu brennen!“

      Acht Uhr: Jetzt ist Schluss. Wir müssen ins Bett, morgen ist Schule, aufstehen um halb sieben. Die Oma stellt jedem von uns ein heißes Bügeleisen ins Bett.

      Als wir die Kerze ausblasen, mischt sich ihr Geruch unter den des Tannengrüns.

      Ruth-Inge Rolke

      Es ist jetzt über siebzig Jahre her, dass ich mit meiner Mutter in unserer mollig warmen Küche stand und ihr helfen durfte, Weihnachtsplätzchen zu backen.

      In Wiesbaden war es kalt geworden. Auf der Straße oder im Hof durfte ich nicht mehr spielen.

      Meine Mutter hatte alle Zutaten gekauft: Zucker, Honig, Butter und auch Schokolade. Es war herrlich, den Teig zu kneten, auszurollen und die Plätzchen auszustechen. Meine Arme waren bis zu den Ellbogen mit Mehl bestäubt. Der Teig klebte an meinen Fingern, die sorgfältig abgeleckt wurden.

      Wir begannen mit Butterplätzchen, dekorierten sie mit „Liebesperlen“ und „Hagelzucker“. Dann kamen die anderen Sorten. Am liebsten mochte ich Haselnussplätzchen und Mandelmakronen auf Oblaten. Wenn wir fertig waren, legten wir alle sorgfältig in blecherne Dosen, die Mutter bis Weihnachten versteckte.

      Anfang Dezember fuhr mein Vater mit mir nach Biebrich, wo die Großeltern wohnten. Sie besaßen einen Schrebergarten und schnitten Zweige vom Kirschbaum, „Barbarazweige“, die wir mit nach Hause nahmen. Warum wir das taten, erzählte mir niemand.

      Zu Hause standen die Zweige in einer chinesischen Vase. Jeden Tag beobachtete ich, wie sich die Knospen weiter öffneten. Am Heiligen Abend würden die Zweige in voller Blüte stehen. Das war etwas ganz anderes als der Adventskranz mit seinen dünnen roten Kerzen, die ich nacheinander anzünden durfte. Wenn ich die Tannennadeln in die Flamme hielt, duftete das Zimmer, als wäre es schon Weihnachten. In der Woche aber wurde der Kranz zugedeckt auf den Balkon gestellt, damit er nicht so schnell nadelte.

      Im Wohnzimmer der Großeltern befand sich ein riesiger schwarzer Ofen. Durch kleine Fenster an der Vorderseite konnte man die Flammen sehen. Vor diesem Ofen zu sitzen und den Rübezahlgeschichten von Tante Käthi zu lauschen war für mich das Schönste.

      Das Allerschönste jedoch war es, gemeinsam zu singen, während meine Mutter uns am Klavier begleitete. Wir probten die Weihnachtslieder, manchmal sogar zweistimmig. „Leise rieselt der Schnee“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ gehörten dazu. Wir sangen uns warm und wurden übermütig. Schon gingen wir zu Schlagern über, die wir aus vollem Halse schmetterten, als mein Vater nach Hause kam. Erstaunt fragte er: „Haben wir nicht Advent, oder ist schon Fasching?“

      Isolde Kraus

      1946, am Nikolausabend. Drei Jahre schon lebten meine Mutter und ich in einem Dorf bei Limburg an der Lahn. Nach einem Bombenangriff in Frankfurt hatten wir etliche Möbel retten können, darunter das Klavier, an dem meine Mutter gerade saß. Sie spielte und wir sangen: „Lasst uns froh und munter sein und uns recht von Herzen freu’n!“

      Da klopfte es an der Küchentür. Die meisten Häuser im Dorf hatten keine Klingel. Die Haustür wurde nur in der Nacht abgeschlossen. Wer uns besuchen wollte, kam einfach herein und klopfte.

      Doch heute war es kein gewöhnlicher Besuch: Da stand doch wahrhaftig der Nikolaus vor der Tür! Das war noch nie passiert! Aus dem Kindergarten wusste ich freilich, dass der Nikolaus den braven Kindern etwas brachte, also schaute ich gespannt auf den großen Mann mit weißem Bart und den Sack, den er bei sich trug. Er begrüßte uns und kam in die Küche. Würde er mich nun fragen, ob ich artig gewesen sei? Aber nein, er unterhielt sich mit meiner Mutter. Bald bemerkte ich, dass dieser Nikolaus niemand anderer war als Herr Krause, der Vater von Margot und Roswitha, mit denen ich oft spielte.

      Er fragte meine Mutter, wie es ihr gehe. „Es ist schon sehr kalt geworden. Haben Sie genug Kohlen im Keller für den Winter?“ Er erzählte, dass es seiner Frau besser gehe. Doch Margot habe Schnupfen bekommen. Schließlich kam er zum eigentlichen Anlass seines Besuches: „Im Namen des Gesangvereins Cäcilia möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken“, sagte er. Mit den Mitgliedern dieses Vereins hatte meine Mutter im vergangenen Jahr das Singspiel „Die Winzerliesel“ einstudiert. „Für Ihre musikalischen Dienste, für Ihre Freundlichkeit und Geduld“, sagte Herr Krause und überreichte ihr den ganzen Sack. „Und das ist Ihr Honorar, liebe Frau Gebhard!“

      „Honorar“: Dieses Wort kannte ich. Honorar bekam meine Mutter auch von den Eltern ihrer Klavierschüler. Honorar war Geld! Aber gleich ein Sack voll Geld? Das konnte wohl nicht sein. Und selbst wenn der Sack voller Geld wäre: Was sollten wir damit anfangen? In den Geschäften gab es nicht viel zu kaufen.

      Herr Krause, unser Nikolaus, trank noch eine Tasse Tee, dann verabschiedete er sich. Erst jetzt durfte ich dabei helfen, den Sack aufzubinden. Er war mit einer dicken, roten Schleife verschnürt, in der ein Tannenzweig steckte. Vorsichtig knotete ich die Schleife auf. Wenn man sie bügelte, wäre sie wie neu. Dann würde sie in den Kasten gelegt, in dem wir Bänder und Schleifen aufbewahrten.

      Und welche Schätze fanden wir im Nikolaussack? Es waren geräucherte Würste, Butter, Eier, Speck, Mehl und Honig!

      An diesem Nikolaustag gab es zum Abendbrot ein dickes Wurstbrot: ganz viel Wurst mit wenig Brot! Und am nächsten Tag würde ich ein Butterbrot essen, bei dem man den Abdruck der Zähne in der Butter sehen sollte.

      Waltraud Schäfer

      Am 6. Dezember holten wir für gewöhnlich meine Großmutter ab, um mit ihr zusammen Nikolaus zu feiern. Bischof Nikolaus besuchte uns im Kindergarten, zu mir nach Hause kam jedoch der amerikanische Santa Claus. Verwirrt hat mich das nicht.

      An diesem besonderen Nikolaustag im Jahre 1960 saß ich zusammen mit meinen Eltern und der Oma im Wohnzimmer. Wir tranken Kaffee und aßen die ersten Plätzchen, die ich mit meiner Mutter und der Großmutter zusammen gebacken hatte. Als es dunkel wurde, polterte es heftig im Treppenhaus. Dann klopfte es laut an unserer Tür. Mein Vater schaute mich an und sagte: „Na, ich glaube, der Nikolaus besucht dich heute Abend persönlich!“ Daraufhin versteckte ich mich erst einmal hinter der Oma. Vater rief laut „Herein!“, die Tür öffnete sich und ein großer Mann in einem roten Samtmantel erschien. Auf dem Kopf eine rote Mütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Es sah aus, als hingen große Wattebäusche an ihrem Rand. Ein langer weißer Bart verdeckte die untere Gesichtshälfte. Unter dem linken Arm trug er ein goldenes Buch und in den weiß behandschuhten Händen links eine Rute, rechts einen ebenfalls weißen Sack. Mir verschlug es die Sprache.

      Der Nikolaus kam näher. Vorsichtig schaute ich hinter der Oma hervor. Er schlug das Buch auf und begann mit kräftiger Stimme vorzulesen: „Du bist in letzter Zeit nicht immer brav gewesen! Du hast nicht gemacht, was deine Mama dir aufgetragen hat! Im Haushalt könntest du mehr helfen!“

      Ich suchte meine Stimme wieder. Schließlich antwortete ich zaghaft: „Lieber Nikolaus, ich werde mir in Zukunft mehr Mühe geben!“

      Immerhin stand auch Gutes im Buch: „Im Kindergarten trocknest du die gespülten Becher nach dem Frühstück ab. Du hast schöne Bilder gemalt und auch gebastelt!“

      Nun war meine Mutter dran. Der Nikolaus