Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter

Читать онлайн.
Название Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman
Автор произведения Tessa Hofreiter
Жанр Языкознание
Серия Der neue Landdoktor
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740980672



Скачать книгу

Abend?«, fragte Miriam, nachdem Ines gegangen war.

      »Ihre Cousine kommt zum Abendessen zu den Seefelds.«

      »Ach, das ist ja schön.« In Wirklichkeit fand Miriam das überhaupt nicht schön, ganz im Gegenteil. Sie fragte sich, wie ihre Cousine es fertiggebracht hatte, von den Seefelds eingeladen zu werden. »Aber nun kommen Sie, Monsieur Durand, ich zeige Ihnen unser Dorf.«

      »Ich würde mir gern die Lüftlmalereien an den Häusern dort drüben anschauen, aber Sie müssen mich nicht begleiten. Ich möchte Ihren Tagesplan nicht durcheinanderbringen«, sagte Marc, während er zur Apotheke schaute, in die Ines gerade hineinging.

      Was ist das denn?, dachte Miriam, als sie diesen Blick bemerkte. Diesen kleinen Funken von Zuneigung musste sie im Keim ersticken, sonst würde Ines noch auf dumme Gedanken kommen. Schließlich gab es eine Abmachung, die ihre Familie mit ihr getroffen hatte. Sie hatte sich um Großvater Korbinian zu kümmern. Eine Liebe für Ines hatte da keinen Platz. Es war nicht das erste Mal, das Miriam sich um einen Mann ›kümmerte‹, der sich für Ines interessierte, und bisher hatte ihre Cousine das nicht ein einziges Mal bemerkt. »Sie bringen meinen Plan nicht durcheinander, ganz gewiss nicht«, versicherte sie Marc. «Gehen wir«, sagte sie und hakte sich bei ihm unter.

      Als Ines wenig später wieder aus der Apotheke kam, sah sie Marc und Miriam auf dem Marktplatz stehen. Miriam deutete auf das Rathaus, das mit einer besonders schönen Malerei geschmückt war, und Marc hörte offensichtlich zu, was sie ihm darüber zu erzählen wusste. Ines spürte auf einmal so ein merkwürdiges Kribbeln, das ihr durch und durch ging, als sie Marc betrachtete. Sie konnte ihn zwar nur von der Seite sehen, aber alles an ihm schien ihr bereits vertraut. Seine Bewegungen, wie er aufschaute, sein Haar mit der Hand aus dem Gesicht strich, sein Lächeln. Genug, ich muss zu Großvater, riss sie sich aus ihren Träumereien und lief mit dem Strauß Rosen im Arm und der Papiertüte aus der Apotheke, in der die Medikamente für Korbinian steckten, nach Hause.

      Kurz darauf verabschiedete sich Marc wieder von Miriam. »Ich habe noch einige Anrufe zu erledigen«, sagte er und ging zurück zum Haus der Seefelds. Die spitzen Bemerkungen, die Miriam über ihre Cousine machte, und die Art, wie sie ihn zu umgarnen versuchte, gefielen ihm nicht.

      *

      Das Seefeldhaus lag im Westen von Bergmoosbach, während das Sägewerk am östlichen Ortsausgang lag, dort, wo der Bach, der aus den Bergen herunterkam, das Dorf teilte und einsame Wiesen sich ausbreiteten. Obwohl eine Lärmschutzwand das gesamte Gelände umgab, drang das Kreischen der Sägen bis auf die Straße hinaus. Die Villa der Familie Holzer und das alte Bauernhaus auf dem hinteren Grundstück, in dem Ines mit ihrem Großvater wohnte, standen nur getrennt durch die Sägewerkstraße, wie der breite sandige Weg schon seit ewigen Zeiten hieß, gegenüber dem Sägewerk. Wie schon mehrere Generationen der Holzers zuvor, war auch Ines mit dieser Geräuschkulisse aufgewachsen. Sie machte ihr nichts aus.

      Nachdem sie die Rosen in Miriams Büro gebracht hatte, lief sie den schmalen Pfad am Bachufer entlang, der zum Bauernhaus der Holzers führte. Die Villa, ein zweistöckiges Gebäude mit Dachterrasse und von Säulen umrahmten Eingang, verbarg sich hinter einer efeubewachsenen Mauer, die bis an die Wiese reichte, die das Bauernhaus umgab.

      Ines liebte das schöne alte Bauernhaus mit seinem hellen Verputz, den dunkelgrünen Fensterläden und der massiven Kiefernholztür. Die vier Wohnräume lagen im Erdgeschoss, und darüber gab es nur einen alten Heuschober, der inzwischen als Abstellraum genutzt wurde. Der Kräutergarten, den ihre Großmutter mit so viel Liebe angelegt hatte, erstreckte sich bis an das Bachufer, und die Bank, die dort im Schatten eines Apfelbaumes stand, war Ines’ Zufluchtsort, wenn sie Zeit zum Nachdenken brauchte.

      Nachdem ihr Großvater vor einem halben Jahrhundert die Villa hatte bauen lassen, diente der alte Familiensitz der Holzers als Gästehaus, bis zu dem Tag, als Miriams Vater die Leitung des Sägewerks übernahm und es ihm passender erschien, dass seine Eltern und das Kind seiner Schwester, das sie aufgenommen hatten, ihr eigenes Refugium, wie er es nannte, haben sollten.

      Korbinian Holzer saß auf der Bank unter dem Apfelbaum, sah an den Horizont und zog dann und wann an der Pfeife mit dem bemalten Porzellantöpfchen und dem gebogenen langen Mundstück aus dunklem Holz. Er trug eine graue Hose, ein helles Hemd und eine seiner Trachtenwesten, ohne die er nie aus dem Haus ging. Sein schlohweißes Haar war wie immer ordentlich nach hinten gekämmt.

      »Es hat ein bisschen länger gedauert, tut mir leid«, entschuldigte sich Ines, als sie sich der Bank näherte und er sich zu ihr umdrehte.

      »Geh, Kind, das macht doch nichts, ich fühl mich schon viel besser«, beruhigte Korbinian seine Enkelin. »Komm, setz dich ein bissel her zu mir«, bat er sie und klopfte mit der Hand neben sich auf die Bank.

      »Miri meinte, du hättest wieder starke Schmerzen. War sie bei dir?«

      »Sie hat über die Hecke geschaut, weiter schafft sie es doch selten.«

      »Sie hat halt viel zu tun, Großvater.«

      »Schön, wie du sie immer verteidigst.«

      »Sie ist wie meine Schwester.«

      »Schon recht«, sagte Korbinian, und seine dunklen Augen ruhten eine Weile auf seiner Enkelin.

      »Traudel meinte, wir sollten es zusätzlich zu den Tabletten mit Feldthymiankompressen versuchen«, wechselte Ines das Thema. Sie wusste, dass ihr Großvater nicht allzu gut auf Miriam zu sprechen war, weil sie sich nur selten Zeit für ihn nahm.

      »Dann sollten wir auf ihren Rat hören und es gleich heute Abend ausprobieren«, sagte Korbinian.

      »Besser am Nachmittag, heute Abend bin ich eingeladen.«

      »So, eingeladen bist du. Wohin denn?«

      »Zu den Seefelds. Ich darf mir die Gemälde von Sebastians Frau anschauen, die heute angekommen sind. Wir wollen sie in einer Ausstellung präsentieren. Marc findet auch, dass es eine gute Idee ist.«

      »Marc?«

      »Helene Seefelds Galerist. Er ist für ein paar Tage bei den Seefelds zu Besuch.«

      »Woher kommt er?«

      »Montreal.«

      »Und?«

      »Und was?«

      »Wie ist er so, der Galerist aus Kanada?«

      »Nett.«

      »So nett, dass du dich darauf freust, ihn heute Abend wiederzusehen?«

      »Schon«, antwortete Ines, während sie den Buntspecht beobachtete, der über einen Stein am Bachufer stolzierte und seinen Schnabel immer wieder ins Wasser tauchte, um eine Larve herauszufischen. »Hübsches Kerlchen«, sagte sie und betrachtete den Vogel mit seinem schwarz-weiß-roten Gefieder.

      »Hübsches Kerlchen?«, wiederholte Korbinian.

      »Ich meine den Vogel, Großvater.«

      »Dann ist er nicht hübsch, der Galerist?«

      »Doch, er sieht ziemlich gut aus.«

      »Wann hab ich das zum letzten Mal von dir gehört, dass dir ein Mann gefällt?«

      »Keine Ahnung.«

      »Siehst du, ich weiß es auch nicht mehr. Vielleicht lern ich ihn mal kennen, den Marc aus Kanada.«

      »Ich kenne ihn doch selbst noch nicht wirklich.«

      »Mag sein, aber dein Herzl schlägt schon schneller, wenn du an ihn denkst, stimmt’s?«

      »Ein bisschen«, gab Ines zu, weil ihr wieder ganz flau wurde, als sie an das Abendessen bei den Seefelds dachte.

      »Deinem alten Großvater kannst du halt nichts vormachen«, sagte Korbinian und legte seinen Arm um sie.

      »Ich weiß«, sagte Ines.

      *

      Korbinian hatten die Thymianumschläge, die Ines am Nachmittag auf seine Gelenke