Trust me - Blindes Vertrauen. Moni Kaspers

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Название Trust me - Blindes Vertrauen
Автор произведения Moni Kaspers
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783982180403



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stecken, als sie sich auch schon umdrehte und mit ihren dicken X-Beinen davonwatschelte. Er sah ihr sprachlos hinterher, als es neben ihm ohrenbetäubend hupte und er zusammenzuckte.

      „Ist das Ihr Wagen, Sir?“, krähte eine sehr zierliche und sehr kleine ältere Dame mit Sonnenhut aus dem Seitenfenster. „Sie haben keinen Aufkleber! Ist das Ihr Wagen, dann fahren Sie ihn weg! Los!“ Dafür, dass sie so winzig war, war sie offenbar sehr herrisch.

      Leon schnaubte, warf ihr einen wütenden Blick zu, setzte sich in seinen Wagen und fuhr aus der Parklücke. Der erste Impuls war, diese Stadt so schnell wie möglich zu verlassen, doch er hatte Hunger und sein Wagen brauchte Benzin. Also entschied er sich trotz des nervigen Erlebnisses, seinen Aufenthalt auszudehnen.

      Nachdem er getankt hatte, fuhr er zurück zu dem Diner, den er zuvor entdeckt hatte. In einiger Entfernung fand er einen geeigneten Parkplatz und achtete diesmal peinlich genau darauf, ob er dort parken durfte. Noch mit leichtem Zorn im Magen und reißenden Schmerzen im Kopf, lief er hinüber zum Restaurant. Twister blieb im Wagen zurück, denn er hasste nichts mehr, als seinen geliebten Platz im Fußraum zu verlassen. Da es Leon nie lange an einem Ort hielt, hatte auch der Hund den Wagen zu seinem Zuhause erwählt.

      Im Schnellschritt lief Leon an den Geschäften entlang zum Restaurant. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass sich die Tür eines Geschäfts öffnete und bevor er sich versah, prallte er mit jemandem zusammen. Beim dem heftigen Zusammenstoß hatte er für Sekunden das Gefühl, dass sein Kopfschmerz explodierte, und er taumelte kurz. Er fing sich jedoch schnell wieder, seine Kontrahentin dagegen hatte weniger Glück. Sie war unsanft auf ihrem Hintern gelandet.

      „Können Sie nicht aufpassen?“, schnauzte er ungehalten. Die schlummernde Wut in ihm und seine Migräne ergaben keine gute Mischung. „Machen Sie gefälligst die Augen auf!“

      Er rieb sich den Arm an der Stelle, an der sie zusammengeprallt waren, und warf einen Blick auf die Gestalt, die auf dem Gehsteig saß. Plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Als er die junge Frau musterte, breitete sich dasselbe Gefühl in ihm aus, das er zuvor an den Klippen erlebt hatte. Ein unglaublich warmes und wundervolles Empfinden. Verwirrt versuchte er es zu analysieren, doch es verpuffte leider zusammen mit dem kräftigen Typ, der plötzlich aus dem Laden stürzte und ihn anpflaumte.

      „Herrgott, können Sie nicht aufpassen?“

      „Ich?“, fragte er entrüstet und sah dabei zu, wie der Kerl der jungen Frau auf die Beine half. Das hätte ihm allerdings auch einfallen können, dachte er etwas beschämt.

      „Ist alles in Ordnung?“, wollte der Typ von der jungen Frau wissen. Er war offensichtlich Verkäufer in dem Laden, denn er trug ein Shirt mit der Aufschrift ‚Tillamook Musicstore’ und ein Namensschild, auf dem ‘George‘ stand. Leons Blick fiel wieder auf die blonde Schönheit, die sich mit schmerzverzerrtem Blick das Handgelenk hielt.

      „Ich glaube, es ist verstaucht.“

      „Sehen Sie, was Sie angerichtet haben?“, ranzte George ihn erneut an. Leon wurde innerlich ungehalten, auch wenn es ihm leid tat, dass sie sich offenbar verletzt hatte. Gerade als er sich rechtfertigen wollte, tauchte neben ihm eine weitere junge Dame auf und stieß ihn auf ihrem Weg unsanft beiseite.

      „Eywa, oh mein Gott, ist alles in Ordnung?“

      „Mein Handgelenk …“

      „Verflucht, konnten Sie nicht aufpassen?“, herrschte der blonde Feger ihn an.

      „Aber …“

      George warf ihm einen vernichtenden Blick zu. So langsam fand Leon das Ganze etwas übertrieben. Sie waren nur zusammengeprallt, er hatte sie nicht umgebracht. Doch als der Typ sich nach einem weißen Stock bückte und ihn der aufregenden Schönheit in die Hand gab, wurde ihm siedend heiß klar, warum die beiden ihn so hart angingen. Die Traumfrau war blind.

      July ließ sich weder davon abbringen, sie zu stützen, obwohl sie versicherte nichts an den Füßen zu haben, noch davon, sie zu einem Arzt zu bringen.

      „July, es ist nur verstaucht. Ich benötige keinen Arzt.“

      „Sorry, aber ich habe gesehen, wie du gefallen bist. Dieser Idiot!“

      „Er konnte sicher nichts dafür und hör auf mich zu stützen, bitte.“

      „Wir sind am Auto. Du kannst einsteigen“, entgegnete July nur knapp und es klang beleidigt. Eywa streckte die Hand aus und ertastete erst die Wagentür, dann den Griff. Sie zog daran, setzte sich jedoch nicht hinein, sondern blieb neben dem Wagen stehen.

      „Sei nicht sauer, ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du dich immer so für mich einsetzt, aber du hättest ihn nicht derart zerfleischen müssen.“

      July war schon auf dem Weg zur anderen Seite des Wagens, ihre Schritte kehrten jedoch zurück und sie blieb vor ihr stehen.

      „Immerhin will er nun für deine Arztrechnung aufkommen. Ich denke nicht, dass er das getan hätte, wenn ich freundlich zu ihm gewesen wäre“, rechtfertigte sie sich.

      „Er klang sehr höflich, im Gegensatz zu George und dir.“

      „Können wir jetzt losfahren?“, drängelte sie.

      „Ich will nicht zum Arzt, sag mal hörst du mir nicht zu?“

      „Herrgott Eywa und wenn es etwas Schlimmes ist? Du bist Pianistin! Lass Doktor Malcom sich das wenigstens mal ansehen.“

      „Meine Mutter war eine Pianistin, eine Weltklasse Pianistin, ich besitze lediglich ein altes Pianino.“

      „Auf dem du Unterrichtsstunden für Kinder gibst.“

      „Nur, wenn ihre Eltern davon überzeugt sind, dass eine Behinderte ihren Kindern etwas beibringen kann.“

      „Eywa!“

      „Stimmt doch. Sobald der kleine, hochtalentierte Nachwuchsstar daheim die verkehrten Töne trifft, geschieht das natürlich nicht mangels Talent oder Fleischwurstfingern, sondern die Blinde ist schuld.“

      „Hat wieder einer deiner Schüler abgesagt?“ Julys Stimme klang mitfühlend.

      „Was denkst du?“

      Sie hörte sie seufzen.

      „Komm, wir gehen etwas trinken.“

      „Endlich wirst du vernünftig.“ Eywa gab der Tür Schwung und sie fiel zurück ins Schloss. Sie hörte das Klacken des automatischen Türverrieglers, dann schob July den Arm unter ihren und hakte sich ein. Wenig später betraten sie Joe’s Diner und setzten sich an den Tresen auf die gemütlichen Barhocker.

      „Na Mädels, wie immer?“, begrüßte sie Joes tiefe Stimme.

      „Für mich Wasser“, entgegnete July und pappte Eywa ihre schwere Handtasche auf den Schoß. „Halt mal, ich muss aufs Klo.“

      „Und was möchtest du trinken, Eywa?“

      „Überrasch mich mit einem deiner legendären Cocktails. Und spar nicht mit dem Alkohol.“ Sie klang frustriert.

      „Hat wieder einer abgesagt?“

      Eywa winkte ab, was sie sofort bereute, denn es war das lädierte Handgelenk.

      „Nimm’s nicht tragisch“, hörte sie ihn sagen. „Dein Cocktail kommt sofort!“

      Eywa ließ Julys Handtasche vorsichtig an ihrem Bein entlang zu Boden sinken und hielt den Henkel mit dem Fuß.

      „Darf ich Sie einladen?“

      Ihr Herz machte einen Satz, und was für einen! Sie hatte nicht viel von ihm hören können, die meiste Zeit hatten July oder George ihn angekeift, doch seine Stimme erkannte sie sofort wieder.

      „Sie