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für satte Klänge. Das waren vorausgesetzte und unabdingbare Grundmaterialien für diese edlen Instrumente. Eywa konnte die jubelnde Menge nahezu hören. Begeisterter Applaus und stehende Ovationen für die grandiose Pianistin, die sich tief vor ihrem begeisterten Publikum verneigte. Das gefächerte Licht der Scheinwerfer brach sich bei jeder ihrer Bewegungen in ihrem Kleid, das über und über mit Pailletten überzogen war. Es ließ sie funkeln wie mit Diamanten überschüttet. Und dann, wenn Stille einkehrte und niemand mehr wagte zu atmen, wenn die Blicke gebannt auf dem glänzenden und gewaltigen Flügel ruhten, verließ der erste Ton wie ein Herzschlag die Brust seines Körpers. Er flog davon, mit der Gewaltigkeit und Wahrhaftigkeit der Harmonie, hinein in die beseelten Ohren seiner Zuhörer, um in ihren Herzen ein neues Zuhause zu finden und dort ewig weiterzuschlagen. So wie auch Eywas Herz schon seit der Kindheit für dieses Instrument schlug.

      Sie verdankte das den Genen ihrer wundervollen Mutter. Sicher wäre sie stolz gewesen, dass ihre Tochter in ihre Fußstapfen trat, doch das Unglück wollte, dass sie nach einem gefeierten Konzert in der Metropolitan Oper in New York mit einem Kleinflugzeug tödlich verunglückte. Eywa erinnerte sich noch genau an diesen letzten Auftritt, den sie aufgeregt mit ihrem Vater zusammen am Fernseher verfolgt hatte und dabei ihre strahlende Mutter mit tiefer Ehrfurcht bewunderte.

      Leider war sie heute bei weitem keine Konzertpianistin. Eher eine bescheiden, bemühte Klavierspielerin, doch Musik zu erschaffen, war das Wertvollste in ihrem Leben. Es gab ihr alles und ersetzte mühelos, was sie sonst nicht mehr konnte.

      „Interessieren Sie sich für unseren Flügel, Miss?“, erklang eine männliche Stimme gleich neben ihr. Diese Stimme war neu, sie kannte sie nicht.

      „Jeder Mensch sollte sich für ein Instrument interessieren, finden Sie nicht?“

      „Da haben Sie recht. Die Welt wäre eine bessere, wenn sich die Menschheit mehr für Musik, statt für Reichtum interessieren würde.“ Die Stimme hatte sich genähert und befand sich nun genau neben ihr. „Möchten Sie ihn ausprobieren?“

      „Lieber nicht, ich würde ihm kaum gerecht.“

      „Ach kommen Sie, versuchen Sie es.“

      „Sie arbeiten noch nicht lange hier?“

      „Woran haben Sie das gemerkt?“ Er lachte zu seinen Worten und Eywa mochte den Klang seines Lachens.

      „Ich bin sehr oft hier, aber Ihre Stimme kenne ich noch nicht.“

      Eine Pause entstand zwischen ihnen. Eywa lächelte in seine Richtung, um ihm die Scheu zu nehmen, die sich meistens aufbaute, sobald die Leute bemerkten, dass sie blind war.

      „Sagen Sie mir bitte, welche Farbe er hat.“

      „Verzeihung, ich habe nicht bemerkt … es tut mir leid“, stammelte er hörbar verunsichert.

      „Was sollte Ihnen leidtun?“ Doch sie gab ihm keine Gelegenheit, das zu erörtern, und sprach weiter. „Ich spiele Klavier und gebe ab und an Unterricht, doch ein solcher Flügel bleibt wohl immer ein Traum.“

      „Er ist schwarz“, beantwortete er ihre Frage leise. „Ich weiß ja nicht … kennen Sie Farben?“

      Eywas Herz wärmte sich, er war so liebenswürdig und freundlich. „Ja, ich kenne Farben. Ich war nicht immer blind.“

      „Möchten Sie es nicht doch einmal versuchen? Ich würde mich sehr freuen.“

      Anhand seiner Stimme schätze sie ihn auf Mitte vierzig. Er atmete schwerer als andere, wahrscheinlich hatte er etwas Übergewicht. Sein Rasierwasser war intensiv und blumig, möglicherweise war er Single. Je mehr Rasierwasser sie auftrugen, desto größer die Garantie, dass sie alleinstehend waren oder ein Abenteuer suchten. Ja, auch sie hatte ihre Schubladen für den ersten Eindruck, nicht nur sehende Menschen.

      „Ich fürchte, mir fehlt die Zeit. Meine Cousine wartet sicher schon auf mich. Wenn wir zum Einkaufen in die Stadt kommen, lädt sie mich hier ab.“

      „Wie Kinder im Bälle-Paradies?“

      Eywa musste herzlich lachen und freute sich, dass er zu seiner Ungezwungenheit zurückfand.

      „Mein Name ist übrigens George.“ Sie hörte ein klickendes Geräusch. Er tippte offenbar mit dem Finger auf sein Namensschild. „Ich arbeite seit drei Wochen hier. Wenn Sie wenigstens so tun, als wollten Sie den Flügel kaufen und ihn ausprobieren, dann würden Sie mir in meiner Probezeit sehr weiterhelfen.“

      Er war wirklich zauberhaft und wärmte Eywas Herz.

      „Netter Versuch, George, aber man kennt mich hier sehr gut. Ihr Chef weiß, dass ich mir keinen Flügel leisten könnte.“

      Er lachte wieder. „Und nur aus Spaß?“

      „Sie sind ein Quälgeist.“

      „Sagt meine Frau auch immer. Also?“

      Wieder musste Eywa lächeln. Vor allem, weil ihre Schublade heute offenbar klemmte und sie ihn falsch eingeschätzt hatte.

      „Also gut.“ Da sie noch immer vor der Klaviatur stand, tastete sie mit der Hand nach dem Klavierhocker, den George ihr sofort zurechtrückte. „Aber nur, wenn wir gemeinsam spielen.“ Sie klopfte mit der Handfläche leicht auf den Platz neben sich.

      „Ob das eine gute Idee ist …“ Sie hörte ihn leise lachen, spürte aber, dass er sich neben sie setzte.

      „Wie wäre es mit einer Sonatine von Clementi?“

      „Ich sage es gleich, mein Fachgebiet sind Gitarren, hauptsächlich elektronische und Schlagzeuge. Auf Tasteninstrumenten reicht es gerade für den Flohwalzer.“

      „Jeder Pianist, der etwas auf sich hält, distanziert sich händeringend vom Flohwalzer.“ Sie musste lachen und hörte ihn neben sich amüsiert glucksen.

      „Da wäre es doch ganz wunderbar, wenn wir nun vierhändig einen Flohwalzer spielen. Vielleicht ist es für diesen edlen Flügel eine wahre Erholung, einen albernen Flohwalzer aus der Brust zu schmettern.“

      Sie vernahm das Öffnen der Klappe, dann nahm er ihre Hand und führte sie auf die Tasten. Ein ehrfürchtiges Gefühl durchfuhr sie, als sie ein paar Akkorde und über zwei Oktaven die Tonleiter rauf und runter spielte. Bereits bei den ersten Tönen verbreitete sich ein feiner, transparenter Klang mit einem sehr schönen perlenden Diskant und kraftvollen Bässen. Sie schlichen sanft in ihre Ohren, drangen durch ihren Körper und ließen ihre Nervenstränge hauchdünn vibrieren. Die Mechanik war leichtgängig und schnell. Der Unterschied zu ihrem alten Pianino zuhause einfach sensationell.

      „Also nun“, sagte sie beschwingt. „Lassen wir die Flöhe los. Sie beginnen, ich steige ein.“

      Sie hörte, wie er die ersten Töne spielte und dabei fröhlich mitsang. „La-La-La-La-La, Ta-da-da-da-taaa …“

      „Dubi dumdum-dumdum-dumdummdumm“, sang sie spaßeshalber mit und lachte dazu. Ach, das war herrlich. Aus dem hinteren Bereich des Ladens fiel plötzlich eine E-Gitarre laut mit ein und jemand klatschte johlend dazu. George und sie waren nicht mehr zu bremsen. Als sie lachend ihr Duett beendeten, ernteten sie den Beifall der Anwesenden. Es schien ihr, als hätte sogar der Flügel ein albernes Kichern von sich gegeben.

      „Nun muss ich aber wirklich los“, sagte sie. „July wartet sicher bereits auf mich.“

      „Darf ich meine Begleitung anbieten?“

      „Danke George, das ist sehr zuvorkommend, aber ich muss nur ein paar Türen weiter ins Diner. Den Weg kenne ich wie meine Westentasche.“ Sie streckte ihre Hand aus und spürte kurz darauf, wie seine Hand die ihre umschloss. Sie war groß, fleischig und warm.

      „Wenigstens bis zur Tür.“

      „Wie könnte ich da nein sagen?“, erwiderte sie mit einem Lächeln und ließ sich von ihm zur Tür bringen. Er öffnete sie, die Umweltgeräusche verstärkten sich.

      „Ich hoffe, ich sehe