Название | Der Taubenhasser und das Fenster zum Hof |
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Автор произведения | Michael Möseneder |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783709939475 |
Der Steirer und die „grüne Muschi“
Einblicke in ländliches Brauchtum kann man beim von der ehemaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig angestrengten Prozess gegen Richard H. erhalten. Der 44-jährige Steirer muss sich wegen Beleidigung vor Richter Hartwig Handsur verantworten. Im März 2017 soll H. in der Facebook-Gruppe „Unsere blaue Seite“ aktiv geworden sein. Er postete einen Kommentar unter einem Artikel der „Salzburger Nachrichten“ mit dem Titel: „Grüne pochen auf eigenes Frauenministerium“. H.s Reaktion auf diese Meldung: „Diese grüne Muschi, soll sie doch mal die Moslems fragen, das würde sie wohl nicht überleben.“
Der unbescholtene Angeklagte gibt sich jovial: „Ehrlich, Herr Rat, ich weiß nicht mehr, ob ich das geschrieben habe. Es war eine lustige Männerrunde, wir haben das Facebook durchgeschaut und das Handy weitergegeben. Ich weiß nicht mehr, wer es geschrieben hat, und ich werde die Kollegen jetzt nicht fragen.“
Handsur ist etwas konsterniert. „Als das steirische Landesamt für Verfassungsschutz bei Ihnen angerufen hat, haben Sie noch gesagt, Sie hätten es geschrieben und wollen nicht mit dem Verfassungsschutz reden.“ – „Ich habe geglaubt, ich werde gefoppt. Da ruft irgendwer an und sagt, er ist der Verfassungsschutz. Das hätte ja auch Radio Steiermark sein können!“, entschuldigt sich der Angeklagte, der schließlich doch die Verantwortung für den Beitrag übernimmt.
„Gut“, meint der Richter, „wenn Sie es also geschrieben haben, wie haben Sie es gemeint?“ – „Es ist unglücklich formuliert.“ – „Was könnte damit gemeint sein?“ – „Was Grünes kann alles Mögliche sein. Die Steiermark …“ – „Es geht mir jetzt weniger um die Farbe“, unterbricht Handsur den Angeklagten. „Und sagen Sie jetzt nicht, Sie haben mit ‚Muschi‘ eine Katze gemeint.“
H. konzediert schließlich, dass sich eine Frau durch die Bezeichnung „Muschi“ durchaus beleidigt fühlen könnte. „Und steht es da, weil Sie die politische Idee eines Frauenministeriums für blöd halten oder weil Frau Glawischnig eine Frau ist?“, bohrt der Richter nach. Klare Antwort bekommt er keine.
Auch die Anklägerin nicht, als sie wissen will, wer die Mitglieder der „lustigen Männerrunde“ gewesen seien. Es entspinnt sich folgender Dialog: „Da gibt es den Walter, da gibt es den Rudolf …“ – „Nachnamen?“ – „Die weiß ich nicht.“ – „Sie kennen die Nachnamen Ihrer Freunde nicht?“ – „Herr Staatsanwalt …“ – „Ich bin eine Frau und kein Herr!“ – „Entschuldigen Sie, Frau Staatsanwältin.“ – „Und Sie geben einfach Ihr Handy weiter, damit jeder in Ihrem Namen posten kann?“ – „Bei uns am Land ist das üblich.“ – „Ich komme auch vom Land.“ – „Von woher genau?“ – „Das erörtere ich jetzt nicht. Also gibt jeder sein Handy her?“ – „Bei uns herrscht Vertrauen.“
Nebenanklägerin und Privatbeteiligtenvertreterin Elsa Wessely ist durchaus zu einem Vergleich bereit. 604,27 Euro sind bisher an Anwaltskosten aufgelaufen, 250 Euro Schadenersatz will Glawischnig. „Mhhmm, das ist ein gewaltiger Betrag für mich“, sieht sich der Alleinerziehende überfordert. Es beginnen Vergleichsgespräche, die schließlich damit enden, dass H. innerhalb von sechs Wochen 700 Euro zahlen wird. Da daraufhin die Ermächtigung zur Verfolgung und damit auch die Anklage zurückgezogen werden, wird H. von Handsur nicht rechtskräftig freigesprochen.
Der Pizzabäcker und seine Peniskrümmung
Herr S. ist 32 Jahre alt, Italiener und arbeitet seit zwei Jahren in einer Wiener Pizzeria, wo er die knusprigen Fladen herstellt. Im August 2017 soll er laut Anklage, über die ein Schöffensenat unter Vorsitz von Christoph Bauer zu verhandeln hat, versucht haben, eine Kollegin geschlechtlich zu nötigen. Er soll Frau W., 23 Jahre alt, gegen 20 Uhr zur Hauptgeschäftszeit in den Keller des Restaurants gelockt, sie dort in den Duschraum gezerrt und sein erigiertes Glied entblößt haben. Als er versuchte, ihre Hand auf seinen Penis zu ziehen, habe W. sich losreißen können, skizziert die Staatsanwältin in ihrem Anklagevortrag.
Wie so oft in Sexualprozessen steht Aussage gegen Aussage. Denn der unbescholtene Angeklagte beteuert, unschuldig zu sein. „Haben Sie eine Erklärung, warum Frau W. das erfinden sollte?“, will der Vorsitzende von S. wissen. „Ich kann es mir nicht erklären. Tatsache ist, dass ich nichts gemacht habe“, lässt er übersetzen.
Er kann sich allerdings detailreich erinnern, was an diesem Tag vor über einem Jahr passiert ist. Zunächst habe man in der Küche noch „Wahrheit oder Pflicht“ gespielt. W. habe ihm dabei Staubzucker ins Gesicht geschüttet. Und anschließend abgeleckt. „Das ist aber nicht unbedingt ein Vorgehen unter normalen Arbeitskollegen“, weist Bauer auf andere kollegiale Umgangsformen im Gericht hin.
„Es war für mich überraschend und auch beschämend“, konzediert der Angeklagte. „Haben Sie das auch artikuliert?“, fragt der Vorsitzende. „Ja.“ – „Wie?“ – „Ich habe gesagt: ‚Geh weg!‘ Ein anderer Koch und ein Kellner haben das gesehen.“ Befragt wurden die beiden Zeugen dazu im Ermittlungsverfahren noch nicht. Seltsam scheint auch, dass W.s Mutter an dem Tag als Gast im Lokal gewesen ist und W. nach dem Angriff gebeten haben soll, eine Torte in Herzform für ihre Mutter zu backen.
Eine Begegnung im Keller habe es mit Frau W. durchaus gegeben. Er habe Teig geholt. Da der Speisenaufzug in die Küche wieder einmal nicht richtig funktionierte, habe er nach oben um Unterstützung gerufen. Plötzlich sei Frau W. da gewesen, er habe sie gefragt, ob sie mit ihm und Kollegen nach der Arbeit etwas trinken gehen wolle.
„Vorher haben Sie gesagt, das Abschlecken sei beschämend gewesen, und jetzt sagen Sie, Sie haben Frau W. kurz darauf eingeladen?“, ist die Anklägerin skeptisch. Gemeinsame After-Work-Drinks der Kollegenschaft seien üblich gewesen, hört sie als Antwort.
Bauer wird dagegen bei einem anderen Umstand misstrauisch. Er will von S. wissen, ob er von Vorgesetzten auf die Anschuldigung W.s angesprochen worden sei. Der Angeklagte bejaht, sagt aber, es sei mehrere Wochen später gewesen. Er sei von der Polizei über die Anzeige informiert worden und habe seinen Chef gebeten, ihm das amtliche Schreiben zu übersetzen.
Die Geschäftsführerin und Gattin des Chefs sagt allerdings, ihr Mann habe S. am 30. oder 31. August mit W.s Vorwürfen konfrontiert. Sie selbst habe am 30. davon erfahren. W. sei an diesem Tag, vier Tage nach der angeklagten Attacke, zum Restaurantleiter gegangen, der habe die Frau zu ihr geschickt, erinnert sich die Zeugin.
„Es war der erste Tag, an dem ich W. wiedergesehen habe“, erzählt die Geschäftsführerin. „Ich habe ihr dann gesagt, dass mein Mann sofort ein ernstes Wort mit S. sprechen wird und dass das aufzuklären ist.“ W. habe auch angekündigt, dass sie kündigen wolle. „Wir haben vereinbart, dass sie noch bis Ende der Woche bleibt und wir die Dienste tauschen, damit sie nicht mit S. arbeiten muss.“ Frau W. wollte aber keine Dienstplanänderung und sprach sich auch gegen das Mitarbeitergespräch und einen Gang zur Polizei aus. Am nächsten Tag arbeitete sie noch und erschien nie wieder in dem Lokal.
Zur Polizei ging W. erst im Jänner 2018. Und gab dort Dinge zu Protokoll, die die Geschäftsführerin nicht recht nachvollziehen kann. Etwa dass die Pizzabäcker ständig mit den jungen Kellnerinnen geflirtet hätten. Oder nach dem Vorfall neun oder zehn andere Mitarbeiterinnen deshalb gekündigt hätten. „Nein, es war ein Wechsel wie immer. Es hat auch niemand so was als Begründung angegeben“, sagt die Geschäftsführerin dazu.
Noch verblüffter ist die Zeugin, als weiter aus dem Protokoll zitiert wird: Demnach habe sie W. „abgeschasselt“, vor der Kündigung in Zwangsurlaub geschickt und ihr mit einer Anzeige wegen Rufschädigung gedroht, falls sie von dem angeblichen Angriff erzählen sollte. Der Inhaber habe die Sache mit einem „Tabu“ belegt und jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin mit einer Verwarnung gedroht, sollte über den Fall gesprochen