Название | Yona |
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Автор произведения | Nastasja Penzar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957579591 |
Ich habe meinem Vater all seine Abwehrmethoden abgeschaut. Ich lief an seiner Hand im Supermarkt herum, er kaufte eine Haarbürste, die Verkäuferin lächelte, griff mir in die Haare, mein Vater zog mich weg, ich erschrak vor beiden. Dann sagte sie etwas zu mir, über meine Mutter, sie würde das sicher ganz toll machen, das Bürsten, bei den Haaren, ich wusste nicht, was sie von uns wollte. Ich schaute zu meinem Vater hoch, er hob seine Augenbrauen, nickte dreimal entschieden und versuchte ein Lächeln, bevor wir gingen. Ich merkte es mir. Von da an lächelte ich jedes Mal, wenn mich jemand nach meiner Mutter, nach meiner Herkunft, meinem Gesicht oder meinen Haaren fragte. Dreimal nickte ich dann. Nur meine Kindergärtnerinnen fingen an, mich traurig anzuschauen, wenn ein anderes Kind irgendetwas über seine Mutter erzählte. Ich schaute erst traurig zurück, aber irgendwann begann ich auch hier dreimal zu nicken und zu lächeln.
Doña stöhnt ein wenig nach dem Essen, hält inne, greift nach mir, ihre Hand landet auf meinem Arm. »Ich bin froh, weißt du«, sie presst ihre Augen zusammen, schluckt, »seit wir wissen, dass du kommst, Yona, seit dein Vater uns angerufen hat, ist es«, sie neigt ihren Kopf zur Seite, überlegt, »es ist, als wäre ihre Seele ruhig.« Sie beugt sich vor, ihr fettiges Gesicht berührt mich fast, sie flüstert, während sich ihre Hand um meinen Arm festzieht, »tu mamá.« Alles an ihr verlangt eine Reaktion von mir, ich versuche mich zu winden, sie blockiert die Fluchtwege. Der Ton dreht auf, rebelliert anstelle meines Körpers, den ich nicht bewegen kann. Doña bemerkt davon nichts. Ich weiß, dass niemand außer mir bemerkt, wenn es wild wird in meinem Kopf, wenn es anfängt zu zischen und zu schmerzen, nicht einmal mein Vater konnte immer so genau sagen, was mein Ton gerade machte. »Yona, deine mamá ist die Einzige, die ruhig damit ist, weißt du. Alle hier, Cris und der Club, Barriga, die alte Wampe und dein Vater, vor allem dein Vater, wir waren alle ein bisschen in Angst, was du hier willst, wenn du kommst. Was, wenn sie gar nicht mit dir reden will, haben sie zu mir gesagt, was, wenn sie so fresa ist.« Sie lässt meinen Arm ein wenig locker, ihre Worte stechen in meinem Kopf. Sie lacht plötzlich nervös, ich bemühe mich, wenigstens meine Augen von ihr abzuwenden, aber nicht einmal die kann ich kontrollieren. »Weil die doch nur die Deutschen vom Club kennen, mija, aber das hat mir dein Vater vor langer Zeit schon am Telefon erklärt. ›Nein‹, hat er gesagt, ›es sind nicht alle so hier.‹« Sie erschrickt, beißt sich in den Knöchel ihres Zeigefingers, ihre Augen entschuldigen sich bei mir, sie lässt langsam ihren angebissenen Finger sinken, mein Ton lässt nach. »Ich habe ihn gefragt, es tut mir leid, mija, ob du kommst, weil du das Geld willst, oder das Haus, da oben«, sie wirft eine Hand in die Luft und zeigt auf ihre Markise, »oder das hier, das ist ja auch von der Familie.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber dein Vater konnte es auch nicht so genau sagen, mija, er wusste ja gar nicht genau, warum du kommen willst.« Sie nickt eindringlich, wartet, will wieder eine Antwort, ich zucke nur mit den Schultern. »Gut, mija, es ist ja gut, dass du hier bist, wohin sonst? Also das und dann, was wollte ich?« Ich bete, dass sie sich nicht daran erinnert, es ist das erste Mal, dass ich bete seit der Diagnose meines Vaters. Es ist umsonst. Sie erinnert sich. »Ah, die Seele, also die Seele deiner«, sie beißt sich auf die Lippe. Mein Körper versteift wieder. »Ihre Seele, mija, hat sich jedenfalls gefreut, Ruhe gegeben, sie ist in Frieden jetzt, aber ich kann dir leider nicht sagen, warum.« Mein Ton pocht, langsam und sorgfältig, breitet sich über meinen ganzen Körper aus, die Ameisen erkrabbeln sich ihren Weg durch meine Glieder. »Hier ist ja alles aufgewühlt, seit dem Krieg sind diese Seelen überall, mich hat das nie gestört, nicht wirklich, nur dass sie so unruhig war, das hat mich traurig gemacht, ich meine, meine Schwester hat doch ihren Frieden verdient, findest du nicht?« Sie zuckt mit den Schultern, in und an mir kribbelt alles, die Starre meines Körpers fängt an mir wehzutun, meine Sicht verschwimmt, mein Ton feiert, trällert immer lauter. Doña greift noch einmal nach mir, und mein Ton verzieht sich plötzlich in eine Ecke, als hätte er Angst, von ihr erwischt zu werden. »Aber sie ist ruhig, seit du hier bist, ist alles ruhig.« Ihre Worte suchen sich ihren Weg durch diese Starre in meinem Körper, was sie sagt, erreicht mich sehr langsam. Ich versuche zu atmen, die Ameisen werden langsamer, verziehen sich wie der Ton, im Gleichschritt, meine Sicht wird klarer, ich sehe Doña in allen ihren Details vor mir. Ich gehe ihr Gesicht ab nach Zügen, die mir bekannt vorkommen, nach Schnittmengen mit mir. Ich wünsche mir einen Spiegel. Ich kann mir Doña nicht mit einer Schwester vorstellen. Ich denke an die Geschwisterkinder in meiner Schule und wie man ihnen ansah, dass dieselbe Person ihnen die Klamotten rauslegte am Morgen, wie sie sich mieden auf dem Schulhof oder wie die Jüngeren immer hinter den Älteren herschleiften, ohne ihre Füße anzuheben, vor allem morgens. Ich kann mir Doña nicht vorstellen als Kind. Wie sie ihre verträumte Schwester an der Hand hinter sich herschleift, die beiden Mädchen hatten sicher das Gleiche an, auf einem von diesen Bergen. Ich nicke Doña mit aller Mühe dreimal zu und lasse mich tiefer in den Stuhl sinken. Sie schüttelt den Topf, damit die besten chicharrones hochsteigen, nimmt sich noch einen, »das ist der letzte!«, sie wirft ihn sich in den Mund und kaut. Es entspannt mich. Bei den Mädchen aus der Schule gab es zu Hause immer dieses letzte Anstandsstück, egal wovon, das man auf dem Teller liegen lassen musste, damit man nicht gierig wirkte. Mein Vater hatte darüber gelacht, wir hatten ein Spiel daraus gemacht und spielten