Karl IV.. Pierre Monnet

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Название Karl IV.
Автор произведения Pierre Monnet
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783806242737



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Buchs heißt es: „Im Jahre des Herrn 1316 am Vortag der Iden des Mai in der ersten Stunde wurde in der Stadt Prag Wenzel, der erste Sohn des Herrn Königs Johann und der Frau Elisabeth, Königin von Böhmen und Polen, geboren. Bei seiner Geburt erhoben sich Freude und Jubel bei allen, die das Glück für König und Königreich liebten. Dieser Knabe wurde am dritten Tag vor den Kalenden des Juni am heiligen Pfingsttag in der Kathedralkirche zu Prag in Gegenwart des Herrn Balduins, Erzbischofs von Trier, der Bischöfe Herrn Johannes von Prag und des Herrn Hermann von Prizren durch Herrn Peter, den Erzbischof von Mainz, unter freudigen Zurufen aller Anwesenden feierlich aus dem heiligen Taufbrunnen wiedergeboren.“13

      Auffallend ist hier nicht nur die Wiederholung der Ordinalzahl „erster“, die gleich zu Beginn den mit dieser Geburt verknüpften Aspekt des Neuanfangs hervorheben soll, sondern auch die fast wörtliche Übereinstimmung zwischen dem ersten Satz des Chronicon Aulae Regiae und der 1350 von Karl IV. in seine Autobiografie eingebetteten Chronik. Interessanterweise ist das Ereignis nur in zwei zeitgenössischen Schilderungen bezeugt, aus denen alle späteren Quellen lediglich zitieren.14 Es finden sich also nur wenige Erwähnungen, noch dazu alle in Böhmen. Die Geburt dieses Kronprinzen erhielt bei Weitem nicht die Aufmerksamkeit wie rund 50 Jahre später diejenige von dessen Erstgeborenem Wenzel 1361 in Nürnberg. Als dritter Aspekt fällt auf, dass die eingehendere Schilderung von Geburt und Taufe des späteren Karl IV. bei Peter von Zittau, wie ab dem Mittelalter unter anderem bei Krönungen, Hochzeiten und Beisetzungen üblich, auch auf das soziale Umfeld eingeht und damit Einblick in den Kreis seiner Verbündeten und Unterstützer gewährt. Abgesehen von Vater und Mutter des kleinen Prinzen nennt die Chronik neben dem Bischof von Prag als Hausherrn die Erzbischöfe von Trier und Mainz, zwei der mächtigsten Kirchenfürsten des Reiches, beide noch dazu de facto Kurfürsten, schon bevor sie 1356 dieses Amt offiziell ausübten. Der Erzbischof von Trier, den die Chronik an erster Stelle nennt, war Balduin, Großonkel des späteren Karl IV. und Bruder des verstorbenen Kaisers Heinrich VII. Bis zu seinem Tod 1354 war er derjenige, der die Geschicke des Hauses Luxemburg auf dem politischen Parkett Europas lenkte. Balduin hatte in Paris studiert und am französischen Hof gelebt. Ab 1308 stand er der mächtigen Kirchenprovinz Trier vor und betrieb noch im selben Jahr mit Unterstützung des Erzbischofs von Mainz, Peter von Aspelt (dessen Anwesenheit bei der Taufe die Chronik ebenfalls erwähnt), die Wahl seines Bruders zum römisch-deutschen König, denn schließlich ist ein großer Kirchen- und Kurfürst auch, vielleicht sogar an erster Stelle, ein Landesherr. Sein Erzbistum reformierte er mit einer Reihe von Kodifikationen, die unter seinem Namen in den Balduineen15 zusammengefasst sind und später die Gesetzgebung seines Großneffen beeinflussten. Zudem setzte er seine Berufung zum Administrator mehrerer weiterer Bistümer und Erzbistümer im mächtigen, wohlhabenden Rheinland durch und trug bei seinem Tod den Titel Erzkanzler des Reiches.16 Seine Territorialpolitik, seine enge Bindung an das Königreich Frankreich, seine Neigung zu kaiserlichem Glanz, seine Liebe zur zeitgenössischen Kunst und Literatur waren für Karl IV. zweifellos prägend. Um 1340 gab Balduin eine prachtvolle Bilderhandschrift in Auftrag, die als Kaiser Heinrichs Romfahrt bekannt ist, da sie vom Italienzug von Balduins Bruder Heinrich VII. berichtet.17 Balduins eigene Taten sind Gegenstand der ebenso ausführlichen wie schmeichelnden Gesta Baldewini.18

      Der bereits erwähnte Peter von Aspelt war von 1306 bis zu seinem Tod 1320 Metropolit von Mainz.19 Seine Gegenwart im Dunstkreis der Häuser Luxemburg und Böhmen beruhte auf seiner vormaligen Stellung als Kanzler des Přemysliden-Königs Wenzel II. Diesen Titel behielt er unter Heinrich VII. bei, als sein Erzbistum für Böhmen zuständig war. Zudem hatte Peter von Aspelt den Vorsitz bei den Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Johanns und Elisabeths zu König und Königin von Böhmen 1311 in Prag übernommen. Der illustre Kreis, der um die Wiege des künftigen Karl IV. versammelt war, bildete eine solide Grundlage für Wohlstand und Macht des Hauses Luxemburg in dieser Zeit.

      Nach Ausschaltung seines Gegenspielers Heinrich von Kärnten 1310 konnte Johann trotz seiner oft monierten Abwesenheit im Königreich, die im Übrigen diversen Mitgliedern des böhmischen Hochadels gar nicht ungelegen kam, ab 1316 in Prag unangefochten regieren. Nach einem Aufstand von Teilen des Reichsadels unter der Führung von Heinrich von Leipa, den möglicherweise Königin Elisabeth verschärft hatte, gelangte er 1318 mit dem Adel zu einem Kompromiss, der den Fortbestand der Feudalrechte der böhmischen Großen sicherte. Fortan musste jede allgemeine Steuer durch eine Versammlung der böhmischen Landstände genehmigt werden, und zum Heerbann durfte der König nur noch zur Verteidigung des Königreichs aufrufen. Als Preis für die endgültige Akzeptanz eines Luxemburgers auf dem Přemysliden-Thron waren dies nicht unerhebliche Zugeständnisse, denn letztlich ging es bei Steuern und Waffendienst um die beiden Grundpfeiler des Herrschaftsverhältnisses zwischen König und Adel. Andererseits bildete Böhmen im ausgehenden Mittelalter, als die Neuerungen der Monarchien fast überall mit den Vorrechten des alten Adels kollidierten und dessen Widerstand weckten, in dieser Hinsicht keine Ausnahme.20 Diese gegenläufigen Interessen gaben, wie wir heute wissen, den Anstoß zur Weiterentwicklung der aristokratischen Eliten zu Adelsklassen mit entsprechendem Selbstverständnis.21 Einen Nachhall dieser Geschehnisse bildete die ablehnende Haltung der adligen Landstände Böhmens gegen die Maiestas Carolina, das von Karl IV. 1355 für sein Reich verfasste Gesetzbuch.

      Bei der Geburt seines ersten Sohnes ist der 20-jährige Johann jedenfalls nicht nur König von Böhmen, sondern auch Markgraf von Mähren und Graf von Luxemburg und erhebt zudem Anspruch auf den polnischen Königsthron, dessen Titel sein Schwiegervater Wenzel II. bereits getragen hatte. Diese Forderung Johanns, obwohl er schon alle Hände voll damit zu tun hat, die Lage in Böhmen zu beruhigen und seine Stellung im Reich zu festigen, ist seiner Politik der Vereinigung der Kronen geschuldet, die im Übrigen das ganze 14. Jahrhundert hindurch immer wieder verfolgt wurde, später auch von Ungarn, dem Heiligen Römischen Reich und den österreichischen Habsburgern. 1320 jedoch wollen die Polen von einer Doppelherrschaft nichts wissen und vertrauen den Thron dem Piasten Wladislaus I. an.22 Auf anderen politischen Bühnen hingegen zeigt Johann in der Mitte des Jahrzehnts Stärke. Seine Teilnahme an mehreren Feldzügen des Deutschherrenordens in Polen und bis nach Litauen und sein Anspruch auf Schlesien, den er nie aufgibt, zeigen, dass der junge Luxemburger von seinem Königreich Böhmen aus politisch große Pläne hegt.

      Die erste und zugleich größte Herausforderung stellte sich Johann im Reich. 1314 stand endgültig fest, dass er seinem Vater nicht auf den römischdeutschen Thron nachfolgen würde. Diese Schlappe hatte mehrere Gründe. Johann war sehr jung und hatte noch keinen sicheren Stand in seinem eigenen Königreich Böhmen. Auf der anderen Seite hatte sein Vater als Kaiser einen Ehrgeiz bewiesen, der manchen Kurfürsten argwöhnisch machte. Als mächtiger Hüter und Berater der Dynastie sprach sich sein Onkel Balduin dafür aus, in diesem Fall den Wittelsbacher Ludwig IV. zu unterstützen,23 denn Friedrich der Schöne von Habsburg konnte in seinen Augen den im Westen gelegenen Gebieten der Luxemburger und letztlich sogar dem Königreich Böhmen weitaus gefährlicher werden. Auf Betreiben seines Onkels versuchte Johann vom Machtkampf zwischen den beiden Kandidaten zu profitieren, die jeder etwa gleich viele Stimmen der Kurfürsten für sich verbuchen konnten. Beide ließen sich am selben Tag krönen: Friedrich in Aachen und Ludwig in Bonn. Ohne hier auf die einzelnen Phasen der Auseinandersetzungen zwischen den beiden Widersachern einzugehen, ist erstens interessant, dass Papst Clemens V. als gewiefter Taktiker keinen der beiden als König anerkannte, mit dem Ziel, das Heilige Römische Reich entsprechend der schon von seinen Vorgängern seit dem 13. Jahrhundert verfolgten