Pfaffensud. Andreas Schröfl

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Название Pfaffensud
Автор произведения Andreas Schröfl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267806



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Entschädigung von Missbrauchsopfern wurde thematisiert, was die Debatte um die Schandtaten einiger katholischer Priester wieder aufleben ließ. 2018 wurde von den deutschen Bischöfen eine Studie veröffentlicht, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentierte. Die darauffolgenden Zahlungen aus einem eigens eingerichteten Entschädigungsfonds wurden jedoch als zu gering eingestuft. Das Paradoxon, dass hier für die schändlichen Verfehlungen der Geistlichen die Kirchensteuer zur Hilfe herangezogen werden könnte, die von braven, gläubigen Katholiken entrichtet wird, und trotzdem weiterhin neue Fälle bekannt wurden, bescherte dem Unbekannten Tausende von Klicks im World Wide Web. Als Grundübel identifizierte der provokant den heutzutage überholten Zölibat, der die Auswahl fähiger Menschen mit Lebenserfahrung seiner Meinung nach fast unmöglich machte. Somit sollten auch verheiratete Diakone zum Priester geweiht werden, wolle man mit der Zeit gehen und dem Rückgang der Zahl katholischer Geistlicher entgegenwirken. Auch die Einsetzung weiblicher Diakoninnen wurde von »Luzifer« propagiert. Die Weihe von Priesterinnen in der katholischen Kirche komischerweise jedoch nicht, was die Follower-Gemeinde verwirrte. In einem Video legte der Unbekannte dem katholischen Klerus nahe, sich auf die Amazonas-Synode im Herbst des Jahres zu besinnen und die katholische Kirche zurück zum wahren Glauben und dennoch in eine florierende Zukunft zu führen. Bis dahin werde mit weiteren Anregungen zu rechnen zu sein.

      »Einen Kuttenbrunzer hat’s wieder getroffen«, hat der Graffiti gemeint.

      Du musst wissen, dass der Graffiti ein Kirchenhasser war. Er war so unkatholisch, wie es nur gerade möglich war. Ob er ein heimlicher Atheist war, hat der Sanktus nicht gewusst, denn immer, wenn er in diese Richtung gefragt hat, ist ihm der Graffiti ausgewichen. Er hat dann jedes Mal etwas von einem einschneidenden Ereignis in seiner Vergangenheit gefaselt.

      »Herr Himsl«, hat der Sanktus angefangen, »ich bin jetzt a ned der Katholik number one in the house, aber heut hamma Firmung. Also reiß dich bitte a bisserl z’samm.«

      »Weng meiner«, hat der Graffiti zerknirscht zugestimmt. »Aber sei froh, dass ich heut überhaupt da bin. Ich bin seit über 20 Jahr in keiner Messe mehr g’wesen. Schau, das mach ich heut alles nur wegen dir und der Martina.«

      »Passt! Rechne ich dir in alle Ewigkeit hoch an, aber sag, was war los?«

      »Einen Pfarrer haben s’ wieder erwischt. Der Luzifer hat’s am Tag zuvor im Internet angeprangert. Psalm 73,12, Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich. Am nächsten Tag hat’s den Pfarrer Altenböck aus Sendling derbröselt. Zuerst hat er eine Karte mit einem Luziferbild erhalten, und dann sind Beweise aufgetaucht, dass er sich bei den Spendenaktionen immer selbst was zukommen lassen hat. War jetzt ned viel, aber trotzdem. Er wollt’s für die Orgelreparatur zurücklegen, sagt er. Na, ja, wer’s glaubt, wird selig.«

      »Sauber. Vatikanische Geheimpolizei, oder was?«, hat der Sanktus gefragt. »Das wenn der Bummerl noch erleben könnt. Da wär er voll in seinem Element. Herrschaft, da muss ich auch amal wieder ans Grab. War ich scho ewig nimmer. Aber heut reden wir ned von den Toten. Heut is Firmung.«

      »Ich müsst schnell zum Pieseln«, hat der Graffiti auf einmal gemeint. »Wo kann ich denn da hin?«

      »Geh rüber ins Pfarrheim. Da gibt’s ein Klo!«

      Und weg war der Graffiti.

      Idee gar nicht so dumm, hat sich der Sanktus gedacht, weil sicher ist sicher, und es schaut schon recht blöd aus, wenn du während der Firmung deiner Tochter raus auf die Toilette musst. An allen Leuten in der Bank vorbei und dann diese vorwurfsvollen Blicke. Kann man doch vorher erledigen, solch eine Pennäler-Blase. Typisch, wieder der. Wahrscheinlich zu viel Weißbier zum Frühschoppen getrunken und so weiter. Also dem Graffiti hinterher ins Pfarrheim.

      4.

      Als der Sanktus gerade die Klinke zur Toilettentür hat herunterdrücken wollen, hat er Geschrei von innen hören können. Es hat auch etwas gerumst, also alle Anzeichen für ein Gerangel oder Kampf. Er hat kurz nachgedacht, dann aber sofort hinein, weil vielleicht muss er ja dem Graffiti aus irgendeiner Patsche helfen.

      So hat er also die Tür aufgerissen und sofort zwei Gestalten ausmachen können. Den Graffiti und einen Herrn in schwarzer Soutane, über der ein goldenes Kreuz an einer Halskette gehangen ist. Der Geistliche, etwas derangiert, hat gerade seine Brille wieder aufgesetzt, aber es war erkennbar, dass das filigrane Metallgestell etwas Schaden genommen hat. Wie das passiert ist, hat sich der Sanktus gar nicht vorstellen wollen.

      Er hat dem Geweihten ins Gesicht gesehen. Dort war extreme Erleichterung zu erkennen, da die Farbe von tiefrot wieder in normale Gefilde gewandert ist. Tiefes Durchschnaufen seitens Pfarrer. Dann hat sich dieser die Soutane wieder zurechtgerückt und den Blick vom Graffiti zum Sanktus schweifen lassen.

      Den Graffiti hat der Sanktus ja jetzt schon lange Jahre gekannt, und dessen Gesichtsausdruck nach war er gerade bei etwas äußerst Unangenehmem ertappt worden. Der Sanktus hat Angst, Wut und Hass gesehen und ist sich vorgekommen wie ein Jedi-Ritter, der die innersten Gefühle und Gedanken anderer Leute durch die »Macht« spüren kann.

      Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid, hat er sich Meister-Yoda-like gedacht. Rausgebracht hat er aber nur: »Ois klar bei euch? Passt ois?«

      »Freillä«, hat der Graffiti gestottert, und der Geistliche hat nur genickt und sich am Sanktus vorbei in Richtung Ausgang gedrängt. Im Vorbeigehen hat der Sanktus gemeint, dass er leise »Verwechslung« gehaucht hat.

      Wie der Sanktus in den Gang vor der Toilette hinausgelugt hat, hat er eine etwa 60-jährige große Dame, die ihn an die Elisabeth Flickenschild aus den Edgar-Wallace-Krimis erinnert hat, ausmachen können. Sie musste die ganze Szene beobachtet haben, da die Klotür, die der Sanktus zuvor mit aller Wucht aufgerissen hatte, hängengeblieben ist, und somit freie Sicht auf die Szene gegeben war.

      »Alles in Ordnung, Frau …?«, hat der Sanktus gefragt, da die Dame einen etwas blassen Teint und verwirrten Ausdruck gehabt hat.

      »Muxeneder, Rosina Muxeneder. Ich bin die Pfarrsekretärin hier«, hat sie gestottert.

      Jetzt hat der Sanktus die Dame angeschaut. Ja, Pfarrsekretärin hat gepasst. Wahrscheinlich hatte sie eigentlich Nonne werden wollen, so war ihr Auftreten. Sie war ganz dunkel gekleidet. Schwarzer Rock, schwarze Strümpfe, dunkelgraue Bluse. Der einzige Farbtupfer war eine goldene Kette mit einem Kreuz um ihren Hals.

      Fast wie bei dem Pfarrer grad, hat sich der Sanktus gedacht.

      Er und der Graffiti haben die Frau angesehen und sie die beiden. Immer wieder hat sie in Richtung Ausgang gelugt, durch den der Geistliche gerade verschwunden war. Sie hat auf die Tür gedeutet, und der Sanktus hat den Eindruck gehabt, als ob sie etwas sagen hat wollen. Dann hat sie wieder den Graffiti angesehen, und der Blick, den sie nun aufgehabt hat, war den Bruchteil einer Sekunde eisig. Nein, eisigst! So, als würde sie den Graffiti einfrieren wollen.

      Logisch, Gedanke vom Sanktus, weil Pfarrsekretärinnen haben es halt gar nicht gern, wenn man Pfarrern in ihren Toiletten an die Gurgel geht. Kurz darauf hat sich die Dame aber schon wieder ein Lächeln abgerungen.

      »Ich glaub, es ist besser, Sie gehen jetzt«, hat sie gemeint.

      »Ja, genau. Pack ma’s«, der Sanktus.

      Murmeln seitens Graffiti.

      »Was war denn das?«, hat der Sanktus beim Hinübergehen, eigentlich eher Hinüberhasten, zur Kirche wissen wollen.

      »Nix.«

      »Wie? Nix? Du hast doch den am Krawattl g’habt. Erzähl mir doch keinen Schmarren, Graffiti«, hat der Sanktus gekontert.

      »Halt die Pappn jetzt. Verwechslung. Hat er doch g’sagt«, hat der Graffiti geschimpft. »Jetzt ist Firmung, und a Ruh is!«

      Der Sanktus hat gewusst, dass er in diesem Moment nicht mehr weiterkommen würde, und war somit wirklich still.

      Auf dem Kirchplatz ist ihm die Kathi schon entgegengekommen.

      »Wo