Название | Paul Janes und die Fliege am Torpfosten |
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Автор произведения | Michael Bolten |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783895338618 |
DIE ERSTEN TITEL
Der Aufstieg der Fortuna und damit auch die Karriere des Paul Janes waren nicht nur eng mit den veränderten Rahmenbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg verbunden, sondern auch mit dem Bedeutungswandel des Fußballs in Deutschland. Im November 1918 wurde in Deutschland per Reichsverordnung der Achtstundentag eingeführt. Diese wesentliche Arbeitszeitverkürzung ermöglichte vielen Menschen erst die Teilnahme an regelmäßigen sportlichen Aktivitäten. Dies bedeutete nicht unbedingt, dass sie diese Aktivitäten im Vereinsrahmen absolvierten. Dafür fanden viel zu selten, oftmals nur einmal wöchentlich, Trainingsabende statt. Aber die neu gewonnene Freizeit konnte dazu genutzt werden, alleine zu trainieren oder mit Gleichgesinnten zu kicken, beispielsweise im Rahmen einer Straßenmannschaft. Viele Nationalspieler der 1930er und 1940er Jahre, so zum Beispiel Hans Jakob (Jahrgang 1908), Ernst Lehner (1912) und Edmund Conen (1914) berichteten davon, dass sie in ihrer Kindheit begeisterte Straßenfußballer waren.26 Dies gilt im Übrigen auch für viele Fortunen, beispielsweise Jakob Bender (Jahrgang 1910) und Felix Zwolanowski (1912), die damals in der ersten Mannschaft kickten und ebenfalls zu Nationalspielern avancierten.27 Die Verantwortlichen der Fortuna – neben Körner und Bakkers ist hier in erster Linie Fortunas langjähriger Obmann, Mäzen und Manager Toni Rudolph zu nennen – wussten die geänderten Rahmenbedingungen zum Vorteil des Vereins zu nutzen.
Hinzu kam ein wesentlich verbessertes Auswahlverfahren der Nationalspieler durch den seit 1926 angestellten Reichstrainer Otto Nerz. Zum Ende der 1920er Jahre galt die Fortuna neben Schalke 04 zu den „mehr oder weniger offen professionalisierten westdeutschen Klubs“, deren Arbeit von Nerz durch die Einberufung vieler junger Nationalspieler anerkannt wurde.28 Außerdem verfügte die Fortuna seit September 1930 über einen eigenen Rasenplatz. Die in Flingern liegende Anlage am Flinger Broich, die seit 1990 „Paul Janes Stadion“ heißt, verfügte zwar noch nicht über ausreichende Tribünen, doch ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung war gemacht.
Zu seinem ersten Pflichtspiel mit der Bezirksligaelf kam Paul Janes am 22. Februar 1931. Er profitierte dabei von einer Verletzung des rechten Läufers Karl Gottschall, für den ihn Trainer Keßler am letzten Spieltag der Bezirksliga Berg/Mark, Gruppe 1 (Düsseldorf) einsetzte.29 Der Tabellenführer aus Flingern musste sich mit dem Viertplatzierten aus Ratingen auseinandersetzen. Ein Sieg der Fortunen garantierte ihnen die Tabellenführung vor dem Verfolger aus Benrath und den Einzug ins Endspiel um die Bezirksmeisterschaft. Mit einem 4:0-Erfolg gelang dies souverän. Fortuna beendete die Saison mit drei Punkten Vorsprung vor den Benrathern und wurde nach Einschätzung der lokalen Presse verdientermaßen Gruppenmeister. Janes und der ebenfalls erstmals in der ersten Elf eingesetzte „Tau“ Kobierski erhielten gute Kritiken für die gezeigten Leistungen. Über den als Läufer eingesetzten Ex-Küppersteger hieß es, dass er eine „fast fehlerfreie Arbeit“ geleistet habe. „Er hat ein vorzügliches Stellungsspiel, erfasst stets genau, wohin der Ball gespielt werden muss, und seine Körper- und Ballbeherrschung lassen großes Talent erkennen“, lautete das wohlwollende Fazit eines Sportredakteurs. Er traute Janes ohne Weiteres zu, einen Stammplatz in der Mannschaft zu erringen.30
Dennoch war Fortunas Gruppenmeisterschaft nicht unumstritten. Ratingen legte Protest gegen die Wertung des Spieles ein. Der Zweitplatzierte aus Benrath schloss sich diesem Protest an. Für sie stand fest, dass Janes nur ein „Pseudo-Düsseldorfer und ebenso nur ein Semi-Küppersteger“ sei, der zwar über eine Monatskarte der Reichsbahn verfüge, aber eigentlich gar nicht nach Düsseldorf gewechselt sei.31 Doch Paul Janes war zu jenem Zeitpunkt zumindest in Düsseldorf polizeilich gemeldet, daher wies der WSV nur wenige Tage später den Protest als „nicht stichhaltig“ ab.32
Fortuna blieb somit Gruppenmeister der Saison 1930/31 und konnte in die Endspiele um die Bezirksmeisterschaft gehen. Diese absolvierten die Rot-Weißen gegen den Sieger der Gruppe 2, Schwarz-Weiß Barmen, mit zwei klaren Siegen. Damit standen sie als Meister der Liga Berg/Mark erneut (nach 1926, 1927, 1928 und 1929) in der Endrunde um die Westdeutsche Meisterschaft. Nach weiteren sechs Spielen, davon fünf Siege und ein Unentschieden, hieß der Westdeutsche Meister erstmals Fortuna Düsseldorf, und Paul Janes konnte sich über den zweiten Titel nach seinem Wechsel freuen. Allerdings hatte dieser Titelgewinn einen faden Beigeschmack, weil Fortunas damals größter westdeutscher Konkurrent, der FC Schalke 04, in seiner Staffel nur den siebten Platz erreichte. Die „Knappen“ aus Gelsenkirchen konnten sich deshalb nicht für die Endrunde qualifizieren und den in den beiden vorherigen Jahren gewonnenen Titel nicht verteidigen. Denn die Schalker hatten ihre besten Spieler nicht einsetzen dürfen.
DAS DEUTSCHE AMATEURIDEAL
Fußball zur Zeit der Weimarer Republik erlebte einen erheblichen Bedeutungsschub. Dies zeigte sich nicht nur in ansteigenden Zuschauerzahlen, sondern auch an neuen Geschäftsmodellen, wie der Werbung mit Spielern beispielsweise für Kaffee und Zigaretten oder dem Verkauf von Sammelbildern und Abzeichen. Hinzu kam ein weiterer wesentlicher Punkt: Fußball avancierte zum Mediensport. Tageszeitungen bauten Sportredaktionen auf und räumten dem Fußball immer mehr Platz ein. Außerdem stieg die Anzahl der Sport- und Fußballzeitschriften in jenen Jahren rapide an, und der Rundfunk entdeckte den Fußball für Live-Übertragungen.33 Die größere wirtschaftliche und publizistische Bedeutung des Fußballsports ging allerdings nicht einher mit besseren Leistungen. Das Niveau des deutschen Fußballs in der ersten Hälfte der 1920er Jahre galt im internationalen Vergleich als eher dürftig, was zu wiederholter Kritik in den Medien führte. Diese machten als Grundübel des deutschen Fußballs die fehlende Professionalisierung und das Festhalten am Amateurideal aus. Dabei gab es nicht nur auf der britischen Insel seit Jahren Profifußball; in den 1920er Jahren wurde der Fußball als mögliche Berufsausübung auch in Österreich, Ungarn, der Tschechoslowakei, Spanien und Frankreich offiziell erlaubt. Doch in Deutschland kam Fußball als legaler Broterwerb überhaupt nicht infrage. Die Verbandsoffiziellen lehnten jedes diesbezügliche Ansinnen kategorisch ab. Im Wesentlichen trafen zwei Argumentationslinien aufeinander: Bei den Blockierern standen ideologische Gründe im Vordergrund, bei den Befürwortern ökonomische.34 Unabhängig davon, welches Argumentationsmuster letztendlich ausschlaggebend war: Im Deutschen Reich blieb Berufsfußball offiziell verboten, inoffiziell aber meist geduldet.
Die Fortunaelf im Frühjahr 1932. Von links Bender, NN, Köhler, Janes, Hochgesang, Kobierski, Pesch, Breuer, Trautwein, NN, Bornefeld, Albrecht, Gottschall (?).
Und das führte dazu, dass Paul Janes gemeinsam mit der Düsseldorfer Fortuna im Jahre 1931 unbedrängt von den Schalkern die einzige Westdeutsche Meisterschaft der Vereinsgeschichte erringen konnte. Denn im August 1930 traf die WSV-Spruchkammer die Entscheidung, dass aufgrund von Verstößen gegen die Amateurbestimmungen 14 Schalker Spieler zu Profis erklärt und für den Ligabetrieb gesperrt wurden. Darüber hinaus schloss der WSV etliche Schalker Vorstandsmitglieder aus dem Spielverband aus und verhängte eine Geldstrafe gegen den Verein. Damit waren die Schalker ihrer ersten Mannschaft beraubt. Es war nicht die erste Sperre, die gegen angebliche Profifußballer verhängt wurde, selbst der spätere Nationaltrainer Sepp Herberger gehörte in den 1920er Jahren zu den Opfern, aber es war die bis dahin spektakulärste. Den Schalker Spielern – unter ihnen befanden sich so beliebte Kicker wie Ernst Kuzorra, Fritz Szepan und Hans Tibulksi – wurde konkret vorgeworfen, erhöhte Spesen bis hin zu einer regelrechten Entlohnung, Darlehen und Geschenke erhalten zu haben. Offiziell